Im deutschen Erbrecht sind gemeinschaftliche Testamente ein beliebtes Mittel zur gemeinsamen Nachlassgestaltung von Ehegatten. Die Beliebtheit rührt u.a. aus der erbrechtlichen Bindungswirkung und der damit einhergehenden Rechtssicherheit.
Anders als dem deutschen Erbrecht, ist vielen Staaten das gemeinschaftliche Testament entweder fremd oder nach dortigem Recht unzulässig, sodass die erwünschte Bindungswirkung in der Regel ausbleibt. Im Rahmen von grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich daher häufig die Frage, welches nationale Recht auf die letztwillige Verfügung Anwendung finden soll. Hinsichtlich der Rechtswahl können die Testierenden entweder eine ausdrückliche oder eine konkludente Wahl treffen. Ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Das OLG München musste sich in der vorliegenden Entscheidung mit der konkludenten Rechtswahl eines Ehegattentestaments mit wechselbezüglichen Verfügungen eines Österreichers und einer Deutschen, die nach dem Tod ihres Ehemanns eine abweichende testamentarische Verfügung traf, auseinandersetzen, da das österreichische Erbrecht im Gegensatz zum deutschen Erbrecht keine Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten kennt, vgl. OLG München-Beschl. 31 Wx 241/18 v. 24.8.2020, RNotZ 2020, 516.
Sachverhalt:
Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige und war mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann sind im Jahr 1995 von Österreich nach Bad Reichenhall (Deutschland) umgezogen. Am 25.3.1996 verfassten die Ehegatten in getrennten, aber wortgleichen, jeweils eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Urkunden zwei mit „Gemeinschaftlichen Testament“ überschriebene Schriftstücke.
Mit Testament vom 7.10.2013 verfügte die Erblasserin, dass sie ihr Haus, Inventar und Barvermögen an Herrn und Frau xxx (Beschwerdeführer) vererbe. Mit Antrag vom 26.10.2017 beantragten die Beschwerdeführer einen Erbschein, dass sie Erben zu je ½ geworden sind. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich die Rechtsfolge nach dem Testament vom 25.3.1996 richte. Dieses sei wirksam und habe Bindungswirkung und stehe den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegen. Mit Beschwerde vom 29.5.2018 verfolgen die Beschwerdeführer ihren Erbscheinsantrag weiter.
Gründe:
Das OLG München kommt zu dem Entschluss, dass das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat. Die Erbfolge der Erblasserin richtet sich nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25.3.1996. Dieses Testament entfaltet Bindungswirkung für spätere Verfügungen von Todes wegen.
Die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments richtet sich vorliegend nach deutschem Recht, da sich der gewöhnliche Aufenthalt der Erblasser zum Errichtungszeitpunkt in Deutschland befand, vgl. Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1, 21 Abs. 1 EuErbVO.
Das OLG München stellt fest, dass die EuErbVO auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte vor dem 17.8.2015 anwendbar ist, und dass ein gemeinschaftliches Testament nach deutschem Recht, jedenfalls soweit es wechselbezügliche Verfügungen gemäß § 2270 BGB enthält, als Erbvertrag i. S. des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO zu qualifizieren ist.
Der Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments steht nicht entgegen, dass es in zwei getrennten Urkunden errichtet worden ist. Ausreichend ist nach deutschem Recht, wenn sich die Gemeinschaftlichkeit aus anderen Umständen erschließt.
Abschließend führt das OLG München aus, dass das gemeinschaftliche Testament Bindungswirkung entfaltet und der Verfügung vom 7.10.2013 entgegensteht. Die Bindungswirkung richtet sich ebenfalls nach deutschem Recht. Eine ausdrückliche Rechtswahl wurde im gemeinschaftlichen Testament zwar nicht getroffen, ausreichend ist jedoch gleichermaßen, eine konkludente Rechtswahl, vgl. Art. 25 Abs. 3, 22 EuErbVO. Die konkludente Rechtswahl ergibt sich nach Auffassung des OLG München, aus der gewählten Terminologie des gemeinschaftlichen Testaments, welche auf deutsches Erbrecht hinweist.
Bedeutung für die Praxis: Errichten Eheleute mit unterschiedlicher Nationalität ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag, so stellt sich häufig die Frage nach der Anwendung des jeweiligen nationalen Rechts. Die europäische Erbrechtsverordnung sieht dabei sowohl die ausdrückliche Wahl des anwendbaren Rechts als auch eine nur konkludente Wahl vor. Um zukünftig Unstimmigkeiten hinsichtlich der Rechtswahl zu vermeiden, empfiehlt es sich, eine ausdrückliche Regelung dahingehend zu treffen, welches Recht auf die Verfügung Anwendung finden soll. Wie der vorliegende Fall zeigt, können gesetzliche Regelungen in anderen Ländern abweichen und im Zweifel zu einer unterschiedlichen und nicht gewollten Rechtsfolge führen.