Der BFH hat mit Urt. IV R 14/18 v. 10.9.2020, DStR 2021, 18, entschieden, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nicht eingreift, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.
Sachverhalt
Dem Urteil lag – zunächst grafisch dargestellt – folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) – eine GbR – ist Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der A-GmbH (Betriebs-GmbH). Miteigentümer des an die Betriebs-GmbH vermieteten Grundstücks (Betriebsgrundstück) waren C zu 75 % und D zu 25 %. Gesellschafter der Betriebs-GmbH (Stammkapital von 50.000 DM) waren C zu 75,2 % (37.600 DM) und D zu 24,8 % (13.400 DM).
Mit notariellem Vertrag v. 17.12. übertrug C im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihren Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück auf ihren Sohn (F). Mit gleichem Vertrag trat C von ihrem Anteil an der Betriebs-GmbH einen Teilanteil iHv 15.000 DM (30 % des Stammkapitals) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an F ab. In diesem Vertrag ist bestimmt, dass dessen Wirksamkeit unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass C die ihr verbleibenden Geschäftsanteile an D und dessen Bruder G rechtswirksam verkauft und überträgt sowie der Kaufpreis betreffend diese Anteile gezahlt ist. Mit weiterem notariellen Vertrag v. 17.12.2013 verkaufte C einen Teilgeschäftsanteil an der Betriebs-GmbH iHv 11.600 DM (23,2 % des Stammkapitals an D und den restlichen Teilgeschäftsanteil von 11.000 DM (22 % des Stammkapitals) an G. Nach diesem Vertrag ist die Zahlung der Kaufpreise Bedingung für die Wirksamkeit der Abtretung der Geschäftsanteile. Nach der Präambel des Vertrags 2 steht die Übertragung der Geschäftsanteile an D und G unter der Bedingung, dass der Vertrag 1 mit Bedingungseintritt wirksam wird. Die Beteiligungsverhältnisse an der Betriebs-GmbH sind nach der Anteilsübertragung wie folgt: D 48 %, F 30 % und G 22.
Nach Ansicht des FA war in dem zuvor dargestellten Sachverhalt die Aufgabe des Mitunternehmeranteils nach § 16 EStG zu sehen. § 6 Abs. 3 EStG sei schon deshalb nicht anwendbar, weil nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen – namentlich die GmbH-Anteile – unentgeltlich auf F übertragen worden seien.
Die hiergegen erhobene Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen Folgendes aus:
„C habe mit der unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Betriebsgrundstück sowie des Teilgeschäftsanteils an F die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, auch wenn sie taggleich ihre weiteren Teilgeschäftsanteile an D und G veräußert habe.“
Der BFH hingegen hob das angegriffene Urteil auf und verwies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Gründe (Buchwertübertragung für Mitunternehmeranteil)
Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Aufgabe des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Wird hingegen der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der Rechtsnachfolger ist nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an diese Werte gebunden.
Der (gesamte) Mitunternehmeranteil des Gesellschafters im Sinne vorgenannter Vorschriften umfasst sowohl den Anteil am Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsanteil) als auch das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermöge. Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG setzt voraus, dass neben dem Gesellschaftsanteil sämtliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens (I und II) übertragen werden, die funktional wesentlich sind. Zum Buchwert findet eine Anteilsübertragung demnach grundsätzlich nur dann statt, wenn neben dem Gesellschaftsanteil auch das gesamte funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden auf den Rechtsnachfolger übertragen wird. Danach liegt die Aufgabe des Mitunternehmeranteils vor, wenn der Gesellschafter seinen Anteil am Gesamthandsvermögen unentgeltlich überträgt, ohne dem Rechtsnachfolger auch alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens mit zu übertragen. Wird lediglich funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen unentgeltlich ohne den Gesellschaftsanteil übertragen, greift § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG ebenfalls nicht ein; die isolierte unentgeltliche Übertragung von Sonderbetriebsvermögen ist (auch) keine Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils iSd § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG.
Bei Betriebsaufspaltung Miteigentum am Betriebsgrundstück im SBV
Bei einer Betriebsaufspaltung – wie hier zwischen einer Besitzpersonengesellschaft und einer Betriebskapitalgesellschaft – kann sich der im Miteigentum der Gesellschafter der Besitzgesellschaft befindliche Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück im (notwendigen) Sonderbetriebsvermögen I (bei Überlassung des im Miteigentum befindlichen Betriebsgrundstücks an die Besitzpersonengesellschaft zur Weitervermietung an die Betriebskapitalgesellschaft) oder Sonderbetriebsvermögen II (bei unmittelbarer Überlassung des im Miteigentum befindlichen Betriebsgrundstücks an die Betriebskapitalgesellschaft) befinden. Die von den Mitunternehmern gehaltenen Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft sind notwendiges Sonderbetriebsvermögen II. Diese Geschäftsanteile sind zugleich funktional wesentlich. Denn die beide Unternehmen beherrschende Person oder Personengruppe verwirklicht ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durch die Geschäftstätigkeit der Betriebskapitalgesellschaft. Hierfür sind die Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft funktional erforderlich.
Zeitpunktbezogene Betrachtung der Notwendigkeit der Mitübertragung notwendigen SBV
Maßgebend dafür, ob ein (gesamter) Mitunternehmeranteil (entgeltlich oder unentgeltlich) übertragen wird, ist das Betriebsvermögen, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert. Abzustellen ist nicht auf das am Tag der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen, sondern (enger) auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen; es ist eine zeitpunkt-, keine zeitraumbezogene – folglich auch keine tageweise – Prüfung vorzunehmen.
Beachte: Insoweit liegt eine Abweichung zur Ansicht der FinVerw. vor, welche eine Schädlichkeit der Entnahme oder Veräußerung im Hinblick auf die Buchwertfortführungsmöglichkeit für die vorweggenommene Erbfolge bereits bei Taggleichheit annimmt.
Dies bedeutet, dass es für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unschädlich ist, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) ganzen Mitunternehmeranteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Das Wirtschaftsgut scheidet auch dann vorab aus dem zu übertragenden Mitunternehmeranteil aus, wenn es eine „juristische Sekunde“ vor dessen Übertragung hieraus entfernt wird.
Vielmehr ist streng auf die zeitliche Reihenfolge der Übertragungsgeschäfte abzustellen. Somit ist das taggleiche Ausscheiden funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen unter Aufdeckung der in diesen befindlichen stillen Reserven für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unschädlich, wenn dies zeitlich vor Übertragung des verbliebenen, verkleinerten Mitunternehmeranteils erfolgt. Werden hingegen funktional wesentliche Betriebsgrundlagen kurz nach Übertragung des Mitunternehmeranteils (auch nur eine juristische Sekunde später) an Dritte veräußert oder in das Privatvermögen überführt, ist der Aufgabetatbestand nach § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt.
Praxishinweis:
Werden zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils stille Reserven in funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt, kommt eine parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 und § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht. Wird die im Zeitpunkt der Übertragung existierende betriebliche Sachgesamtheit nicht vollständig übertragen, sondern werden zeitgleich stille Reserven infolge der Veräußerung/Entnahme von Teilen der betrieblichen Sachgesamtheit aufgedeckt, ist § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nicht anwendbar mit der Folge, dass auch hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragung des verbleibenden Mitunternehmeranteils die stillen Reserven aufzudecken sind, weil es sich insgesamt um die Aufgabe des (gesamten) Mitunternehmeranteils iSv § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt. Danach kann auch dahinstehen, ob bei Rückbehalt von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen und im Übrigen unentgeltlicher Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zeitgleich mit oder eine juristische Sekunde nach der Übertragung des Mitunternehmeranteils entnommen wird; es liegt in jedem Fall eine (steuerbegünstigte) Aufgabe des Mitunternehmeranteils iSd § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.
Für die Frage, ob mehrere Übertragungen in zeitlicher Reihenfolge erfolgt sind oder nicht, ist auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das wirtschaftliche Eigentum kann bereits vor Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums übergehen.