Für viele Körperschaften mit gemeinnütziger Zweckverfolgung ist es oftmals ein größeres Problem einen Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO ohne längere Vorlaufzeit zu erlangen. Durch einen Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO wird die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO gesondert festgestellt. Um Beanstandungen durch die Finanzverwaltung im Rahmen der Beantragung eines Bescheids nach § 60a Abs. 1 AO zu vermeiden, wird zur Bestimmung der gemeinnützigen Zwecke bei der Formulierung der Satzungsklauseln in den meisten Fällen der Gesetzeswortlaut des § 52 Abs. 2 AO wiederholt. Außerdem werden oft auch Passagen aus der Mustersatzung nach Anlage 1 zu § 60 AO übernommen. Das FG Hessen hat mit Urt. 4 K 594/18 v. 26.2.2020, DStRE 2020, 1432 entschieden, dass aus dem Verweis des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO auf die Mustersatzung nicht die Schlussfolgerung gezogen werden darf, dass die Satzung einer gemeinnützigen Körperschaft einen oder mehrere der in § 52 Abs. 2 AO enthaltenen Zwecke dem Wortlaut nach wiederholen muss.
Im Urteilssachverhalt begehrte ein GmbH durch Verpflichtungsklage die Bestätigung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für vorangegangene Fassungen ihres Gesellschaftsvertrags (Satzung), die nicht mit dem Wortlaut der Mustersatzung übereinstimmten und auch die Bezeichnungen der gemeinnützigen Zwecke des § 52 Abs. 2 AO nicht wörtlich wiedergaben. Das FG wandte sich gegen die Auffassung des beklagten Finanzamtes, das den Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO wegen den Wortlautabweichungen nicht erteilte. Es begründete seine Auffassung damit, dass der Gesetzgeber mit der Mustersatzung nur die Leitungsorgane einer Körperschaft gesellschaftsrechtlich auf die Verfolgung der gemeinnützigen Zwecke verpflichten wollte. Eine Pflicht zur Widergabe des Wortlauts nach § 52 Abs. 2 AO würde dazu führen, dass die steuerbegünstigten Körperschaften ihre Förderzwecke unnötig weit fassen. Dann wäre es den Leitungsorganen der steuerbegünstigten Körperschaften unabhängig vom Willen der Mitglieder oder Gesellschafter auch möglich, einen unter diesen Zweck fallenden Teilzweck zu verfolgen. So hätte beispielsweise der Vorstand eines gemeinnützigen Fußballvereins bei Widergabe des Wortlauts des § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO in der Satzung (Förderung des Sports) auch andere Sportarten (Handball, Tennis etc.) fördern können, ohne dass die Mitglieder damit einverstanden gewesen wären. Wenn die Satzung hingegen nur die Förderung des Fußballsports vorgesehen hätte, dann käme eine solche Umgehung des Willens der Mitglieder nicht in Betracht. Zudem ist nach Auffassung des FG gemeinnützigkeitsrechtlich zwingend die Art und Weise der Zweckverfolgung anzugeben, so dass aus dem Klammerzusatz des § 1 der Mustersatzung nicht hervorgeht, dass bei der Angabe des Zwecks zwingend der Wortlaut des § 52 Abs. 2 AO zu wiederholen ist.
Die Argumente des FG Hessen überzeugen. Sollte der BFH das Urteil bestätigen, haben gemeinnützige Körperschaften mehr Möglichkeiten ihre Zweckverwirklichung zu konkretisieren. Ein Schachverein könnte dann etwa die Förderung auf die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich des Schachs auch im Wortlaut seiner Satzung verankern, ohne dass er auf den Oberbegriff „Sport“ (Schach ist Sport) eingehen müsste.
Hinweis für die Praxis: Die Haltung des beklagten Finanzamtes zeigt gleichwohl, dass es in der Praxis empfehlenswert ist, den Wortlaut der gemeinnützigen Zwecke des § 52 Abs. 2 AO sowie die Regelungen der Mustersatzung möglichst wortgetreu aufzunehmen, um im Vorfeld Diskussionen mit dem Finanzamt zu vermeiden.