Grundsätzlich setzt der Tatbestand der Entstehung einer Einfuhrzollschuld nach Art. 77 UZK voraus, dass entweder Nicht-Unionswaren zu Unionswaren werden (nach Art. 201 UZK) oder für Nicht-Unionswaren, die einer vorübergehenden Verwendung in der Zollunion zugeführt werden sollen, ein Befreiungstatbestand für die konkrete Verwendung nicht erfüllt ist. Der häufigste Anwendungsfall für das Entstehen einer Einfuhrzollschuld ist sicherlich die Zuführung von Nicht-Unionswaren dem privaten Gebrauch; mithin beispielsweise die Einführung von im Drittland erworbenen Kleidungsstücken nach Deutschland.
Daneben kann auch dann eine Einfuhrzollschuld nach Art. 79 UZK festgesetzt werden, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegte Verpflichtung in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union nicht erfüllt worden ist. Vergleichbar einer Umsatzsteuerschuldnerschaft nach § 14c UStG kommt es in diesen Fällen für die rechtmäßige Festsetzung einer Einfuhrzollschuld nicht auf die tatsächliche Erfüllung des Einfuhrzolltatbestandes nach Art. 77 UZK an.
Ein wichtiger Befreiungstatbestand für die Festsetzung einer Einfuhrzollschuld ist im Art. 203 UZK normiert. Nach diesem Tatbestand werden Nicht-Unionswaren auf Antrag des Beteiligten von den Einfuhrabgaben befreit, wenn diese ursprünglich als Unionswaren aus dem Zollgebiet der Union ausgeführt wurden und innerhalb von drei Jahren wieder in dieses Zollgebiet eingeführt und dort zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet worden sind. Dieser Befreiungstatbestand ist über Art. 86 Abs. 6 UZK auch auf eine nach Art. 79 UZK entstandene Einfuhrzollschuld anwendbar. Diese Anwendung steht allerdings nach Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK unter dem Vorbehalt, dass der Verstoß nach Art. 79 UZK nicht durch einen Täuschungsversuch bewirkt worden ist.
Vor dem Hintergrund dieser zollrechtlichen Grundsystematik musste sich das FG Hamburg im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (Beschl. des FG Hamburg 4 V 28/20 v. 4.5.2020, ZfZ 2020, 235) mit der Frage beschäftigten, welche konkreten Voraussetzungen an einen Täuschungsversuch im Sinne von Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK zu stellen sind.
Der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hatte eine Einfuhrzollschuld wegen des vorschriftswidrigen Verbringens eines Flugzeugs – einer Nicht-Unionsware – aus Norwegen auf einen innerdeutschen Flughafen, der weder ein Zollflugplatz (§ 2 Abs. 2 ZollVG, § 3 Abs. 1 ZollV) noch ein besonderer Landeplatz (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g ZollV) ist, gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a Var. 1 UZK verwirkt. Der Verstoß, der die Zollschuld nach Art. 79 UZK entstehen ließ, war die Landung auf dem innerdeutschen Flughafen, ohne eine Befreiung vom Zollflugplatzzwang beim Antragsgegner eingeholt zu haben.
Da allerdings hinsichtlich des Verbringens des Flugzeuges der Befreiungstatbestand des Art. 203 UZK in Betracht kommt, stellte sich die Frage, welche tatsächlichen Voraussetzungen an einen Täuschungsversuch im Sinne von Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK zu stellen sind.
Gerichtliche Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines Täuschungsversuchs im Sinne von Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK sind erstmalig nunmehr vom FG Hamburg getätigt worden. Zunächst stellt das FG fest, dass es auf das Verhalten des im konkreten Falle handelnden Arbeitnehmers ankommt. Entscheidend ist, ob dieser im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers gehandelt hat. Für die sich sodann anschließende Täuschungsversuchsprüfung müssen die genauen Umstände, die zum Unterlassen der Beantragung einer Befreiung vom Zollflugplatzzwang geführt haben, aufgeklärt werden.
Es bleibt abzuwarten, welche rechtlichen Feststellungen das FG Hamburg in der Hauptsache hinsichtlich des Vorliegens eines Täuschungsversuchs im Sinne von Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK macht. Allerdings kann bereits jetzt festgestellt werden, dass das Vorliegen eines Täuschungsversuchs im Sinne von Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK nicht ohne weitere Feststellungen angenommen werden kann. Ferner ist nach dem Beschluss des FG Hamburg zweifelhaft, ob bereits die fahrlässige Erfüllung von zollrechtlichen Verpflichtungen in Form des Unterlassens einen Täuschungsversuch im Sinne von Art. 86 Abs. 6 a. E. UZK erfüllt.