Neue BFH-Entscheidung zum Begünstigungstransfer bei der Erbschaftsteuer
Der BFH hat sich mit Urteil II R 12/21 vom 15.5.2024 zum sog. Transfer der Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen, für vermieteten Wohnraum und für das selbstgenutzte Familienheim unter Miterben bei Übertragung der Vermögenswerte im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft geäußert. Dabei hat er seine bisherige Rechtsprechung in Bezug auf eine nicht notwendigerweise einzuhaltende zeitliche Frist zur Erbauseinandersetzung bestätigt und zudem wichtige Klarstellungen zur Voraussetzung der Bestimmung zur Selbstnutzung bei der Steuerbegünstigung für das Familienheim im Rahmen des Begünstigungstransfers getroffen.
Sachverhalt:
Der Kläger und sein Bruder beerbten gemeinsam ihre Eltern, nachdem diese kurz nacheinander im Jahr 2015 verstarben. Zum Nachlass der Mutter gehörten u.a. Grundstücke, eine KG-Beteiligung sowie eine Beteiligung an der Komplementär GmbH. Das beklagte Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN, § 164 AO) Erbschaftsteuer fest und berücksichtigte bei der Festsetzung für den hälftigen Erwerb des Betriebsvermögens die Begünstigung nach § 13a ErbStG a.F. für einzelne (zu Wohnzwecken vermietete) Grundstücke teilweise die Begünstigung nach § 13c ErbStG a.F. und zudem für den hälftigen Miteigentumsanteil der vom Kläger nach dem Erbfall bewohnten Wohnung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
Die Erbengemeinschaft setzte sich im Jahr 2018 auseinander. Ergebnis der Erbauseinandersetzung war, dass der Bruder ein Grundstück und der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und die anderen Grundstücke jeweils zum Alleineigentum erhielten. Der Kläger beantragte daraufhin die Änderung des unter dem VdN ergangenen Bescheids und führte als Begründung die Erbauseinandersetzung an, in deren Folge die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen nach §§ 13a, 13b und 13c ErbStG aF neu zuzuordnen seien.
Das beklagte Finanzamt lehnte die Änderung des Bescheids unter Verweis darauf ab, dass eine Erbauseinandersetzung nach mehr als sechs Monaten steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden könne. Die gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung erhobene Klage hatte erstinstanzlich Erfolg. Hiergegen wendet sich das beklagte Finanzamt mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe:
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück und bestätigte die Gewährung des Begünstigungstransfers für die Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG a.F.), für Wohnraum (§ 13c ErbStG a.F.) und für das eigengenutzte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) durch die Vorinstanz. Die Regelungen zum Begünstigungstransfer in den jeweiligen vorgenannten Vorschriften zu den Steuerbegünstigen sähen allesamt keine gesetzliche Frist für die Teilung des Nachlasses vor. Ausreichend sei daher, dass ein innerer Zusammenhang zum Erbfall bestehe. Beruhe der Entschluss, den Nachlass zu teilen und dabei begünstigtes Vermögen gegen nicht begünstigtes Vermögen zu übertragen, auf einer neuen Willensbildung der Erbengemeinschaft, die den Nachlass zunächst willentlich ungeteilt belässt, erfolge die Übertragung nicht im Rahmen der Teilung des Nachlasses und der Begünstigungstransfer sei ausgeschlossen.
Die Beurteilung, ob die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolge, habe durch Auslegung des Erbteilungsvertrages sowie aller sonstigen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen; dabei sei der zeitliche Abstand zwischen dem Anfall des Nachlasses und der Übertragung der Vermögensgegenstände nur ein Indiz im Rahmen einer Gesamtwürdigung. Der BFH beanstandet vor diesem Hintergrund die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht, das die Dauer der Erbauseinandersetzung mit dem plötzlichen Tod beider Elternteile und einer damit zusammenhängenden Vielzahl von steuerrechtlichen und bewertungsrechtlichen Fragen erklärte. Anhaltspunkte dafür, dass die Miterben den Nachlass zunächst ungeteilt belassen wollten und die Übertragung auf einem neuen Entschluss der Miterben beruhte, bestünden nicht.
Betreffend den Begünstigungstransfer für das selbstgenutzte Familienheim musste sich der BFH zudem mit der Frage befassen, welche Anforderungen an die Selbstnutzung der Wohnung durch den Erwerber bzw. die Erbengemeinschaft zu stellen seien. Der BFH stellt fest, dass im Falle des Begünstigungstransfers die Miterben – die ihren Miteigentumsanteil übertragen – keinen Selbstnutzungswillen haben müssen. Vielmehr sei ausreichend, dass die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung in der Person des Miterben erfüllt sind, der das Familienheim erhält. In diesem Rahmen dürfe die Frist von sechs Monaten zur Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung im Falle der Nachlassteilung überschritten werden. Erforderlich sei aber, dass der Erwerber die Wohnung innerhalb angemessener Zeit selbst nutzt. Die Teilung des Erbfalles könne dann auch später erfolgen. Auch dies Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gewahrt.
Einordnung:
Die Entscheidung des BFH ist in Teilen zur alten Rechtslage ergangen, ist jedoch auch auf die aktuellen Regelungen übertragbar und damit für die Beratungspraxis beachtenswert, siehe § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG, § 13d Abs. 3 Satz 3 ErbStG n.F.; § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG hat sich hingegen nicht geändert.
Der BFH bestätigt in seiner Entscheidung die bereits zuvor für ein Familienheim geäußerte Auffassung (BFH-Urt. II R 39/13 v. 23.6.2015, BStBl. 2016 II, 225, Rz. 28), wonach für den Begünstigungstransfer in der Erbschaftsteuer keine strenge zeitliche Vorgabe von sechs Monaten nach dem Erbfall gelte, ausdrücklich auch für die anderen Steuerbegünstigungen in der Erbschaftsteuer. Damit wendet sich der BFH gegen die Sechs-Monats-Frist der Finanzverwaltung in H E 13a.11 ErbStH 2019 zur Nachfolgeregelung in § 13a ErbStG n.F. Stattdessen kommt es lediglich darauf an, dass die Übertragung „im Rahmen der Teilung des Nachlasses“ erfolgt. Zu empfehlen ist daher eine plausible und fortwährende Dokumentation der Gründe, weshalb die Auseinandersetzung des Nachlasses noch mit dem Erbfall in Zusammenhang steht und nicht auf einem neuen Willensentschluss beruht.
Eine wichtige Neuerung bringt die Entscheidung des BFH durch die Klarstellungen bei der Begünstigung des Familienheims. Hier ist der BFH – nachvollziehbar – zu dem Ergebnis gekommen, dass lediglich der Miterbe, der die Begünstigung in Anspruch nehmen möchte, den Entschluss zur Selbstnutzung fassen und umsetzen muss, vgl. aber zu weiteren ungeklärten Fragen aus der Entscheidung die Anmerkung von RiBFH Kügelmüller-Pugh, DStR 2024, 2060.