Ausführung einer Grundstücksschenkung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG – Aktuelles BFH-Urteil II R 11/21
Der Ausführungszeitpunkt einer Schenkung richtet sich nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Der BFH hat sich mit aktuellem Urteil II R 11/21 v. 21.8.2024 (veröffentlicht am 5.12.2024) zu der Ausführung einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung bei vereinbarter Vollzugshemmung geäußert.
Ausführungszeitpunkt der Schenkung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG:
Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Der Ausführungszeitpunkt einer Schenkung liegt üblicherweise im Vollzug der Schenkung, also im Übergang des Eigentums.
Bei Grundstücksschenkungen wird diese Grundregel jedoch von der Rechtsprechung modifiziert und der Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksschenkung vorverlagert. Die Grundstücksschenkung ist bereits in dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem die Auflassung beurkundet worden ist, der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat und der Beschenkte nach den getroffenen Vereinbarungen von der Eintragungsbewilligung Gebrauch machen darf, vgl. etwa BFH-Urt. II R 14/16 v. 29.11.2017, BStBl. 2018 II, 362, Rz. 22 mwN.
Entscheidung des BFH:
Der BFH musste sich in der aktuellen Entscheidung mit der Frage befassen, wann der Ausführungszeitpunkt der (im Fall: gemischt-freigebigen) Schenkung liegt, wenn im Notarvertrag – wie in der Praxis üblich – eine Auflassungssperre und Vollzugshemmung vereinbart wird.
Eine Auflassungssperre ist die Anweisung an den Notar, den Vertragsparteien Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften des Vertrags lediglich ohne Auflassungserklärung zu erteilen. Die Vollzugshemmung wurde dergestalt vereinbart, dass der bevollmächtigte Notar angewiesen wurde, die Vertragsausfertigung mit der Auflassungserklärung erst beim Grundbuchamt einzureichen, wenn ihm alle Unterlagen vorliegen und insbesondere der Kaufpreis auf seinem Notaranderkonto eingegangen ist.
Bei solchen Bestimmungen im Notarvertrag geht der BFH davon aus, dass die Ausführung der Zuwendung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht bereits mit der notariellen Auflassungserklärung und der Bewilligung der Grundbuchänderung, sondern erst mit dem Nachweis der Zahlung des Kaufpreises ausgeführt ist. Da die Vorinstanz keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob und wann der Kaufpreis beim Notar eingegangen ist, verwies der BFH die Sache zurück an das FG.
Praxishinweis:
Die genaue Bestimmung des Zeitpunkts der Ausführung einer (Grundstücks-)Schenkung ist keine rein dogmatische Frage, sondern wird für die Praxis an verschiedenen Stellen relevant. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist u.a. maßgeblich für Ermittlung des Grundstückswerts (§ 11 ErbStG) sowie für die Prüfung des Zehnjahreszeitraums hinsichtlich der Ausschöpfung der Freibeträge (§ 14 ErbStG). Ferner ist bei der gleichzeitigen Übertragung von Kommanditanteil und einem sich im befindenden Sonderbetriebsvermögen befindenden Grundstück darauf zu achten, dass sich der Ausführungszeitpunkt der Zuwendung eines Mitunternehmeranteils mit derjenigen des zugehörigen Sonderbetriebsvermögens deckt, damit die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG gewährt werden können, vgl. dazu BFH-Urt. II R 38/17 v. 17.6.2020, BStBl. 2021 II, 98; Götz, DStR 2021, 460, 463; zu der gleichen Problematik bei der Übertragung eines Einzelunternehmens Kaiser, MittBayNot 2023, 214. Die Parteien sollten hier den Notar anweisen, die erklärte Auflassung dem Grundbuchamt erst vorzulegen, wenn der Kommanditistenwechsel im Handelsregister eingetragen wurde. Die Ausführung der Schenkung ist bis zum Wegfall des Vollzugshindernisses gehemmt, vgl. Gottschalk, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 9 Rz. 112b (Stand: November 2023).
Die Entscheidung des BFH bekräftigt, dass sich der Ausführungszeitpunkt einer Grundstücksschenkung durch entsprechende Parteivereinbarungen gestalten lässt. Hiervon sollte in geeigneten Fällen Gebrauch gemacht werden.
Zu der besonderen Konstellation im Besprechungsfall, dass die Schenkerin kurz nach Beurkundung des notariellen Vertrags verstarb und die Immobilie an die Beschenkte vererbte, siehe die Anmerkung zu der Entscheidung von Eisenreich in NWB 2024, 3567, 3568 f.
Verfasst von:
Jacob Eisenreich
Wissenschaftlicher Mitarbeiter