Bestimmung des Einziehungsbetroffenen bei Kassenmanipulation durch Eheleute
Der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB kommt im Steuerstrafrecht eine hohe Bedeutung zu. Neben der strafrechtlichen Verurteilung kann die Einziehungsentscheidung zu – ggf. existenzgefährdenden – wirtschaftlichen Nachteilen führen. Mit Beschluss 1 StR 493/24 v. 26.6.2025 hat sich der BGH insbesondere zu der Frage geäußert, gegen wen die Einziehung des Wertes von Taterträgen bei Eheleuten erfolgen kann, die ein manipuliertes Kassensystem nutzten.
Sachverhalt
Der Angeklagte S betrieb im Zeitraum 2013 bis 2018 drei Restaurants als Einzelunternehmer. Er trat nach außen u.a. gegenüber den Finanzbehörden als Alleinverantwortlicher auf. Im Innenverhältnis teilte er sich mit der Angeklagten M, seiner Ehefrau, die Leitungsaufgaben in den Restaurants. So war M u.a. Ansprechpartnerin für die Servicekräfte sowie Behörden; ferner war sie für die Buchhaltung, Steuer- und sonstige finanzielle Angelegenheiten zuständig, während der Angeklagte S die Küche verantwortete. Die M war bei dem S angestellt. Beide Angeklagte waren über das Geschäftskonto verfügungsbefugt. Die Angeklagten nutzten ein Kassensystem aus der Zeit vor den strengen Vorgaben an elektronische Kassensysteme, das es über eine aufgespielte Manipulationssoftware zuließ, Umsätze zu löschen und im Anschluss eine lückenlos durchnummerierte neue Bonliste zu erstellen.
Mithilfe der Software wurden in den Besteuerungszeiträumen 2013 bis 2018 ca. 18 Prozent der ausgeführten Umsätze gelöscht. Die darauf beruhenden, unzutreffenden Geschäftsunterlagen, übergaben M und S in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken ihrem, die Manipulation nicht erkennenden, Steuerberaterbüro. Die Angeklagten verkürzten auf diese Weise im Tatzeitraum Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer i.H. von insgesamt 1.083.904,30 EUR. Mit Ausnahme des VZ 2014 ließen sich die Angeklagten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagen.
Das LG Dresden hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Neben der Einziehung des zur Tatbegehung verwendeten Kassensystems hat es gegen beide Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der ersparten Steuern angeordnet, abzüglich 334.000 EUR, die zwischenzeitlich nachgezahlt worden waren. Die Einziehungsentscheidung gegenüber M wurde mit ihrer Verfügungsberechtigung über das Geschäftskonto begründet. Hinsichtlich der Einkommensteuer ergebe sich ihre Steuerschuld ferner aus § 15 EStG (Mitunternehmerschaft), im Übrigen aus § 35 AO.
Entscheidung des BGH
Der BGH kam in der revisionsrechtlichen Nachprüfung des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Prüfung zu einem anderen Ergebnis, das aber den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten insgesamt unberührt lässt. Von größerer Bedeutung ist die Entscheidung mit Blick auf die Einziehungsentscheidung; der BGH entschied diesbezüglich, dass die gegen die Angeklagte M angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen lediglich in Höhe von 58.984,18 EUR standhält; in Höhe von 690.920,212 EUR entfällt die Einziehung. Das LG habe in seiner Einziehungsentscheidung den „quasi-bereicherungsrechtlichen“ Charakter der Vermögensabschöpfung verkannt.
Das Abschöpfen ersparter Aufwendungen gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB setzt voraus, dass der Tatbeteiligte über die Ersparnisse tatsächlich verfügen kann; die Vermögensvorteile müssen sich mithin messbar in seinem Vermögen niederschlagen. Die ersparten Aufwendungen für die durch den Täter verkürzten Steuern können deshalb nur bei der Person als Tatertrag im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB eingezogen werden, die bereits vor Tatbegehung zur Entrichtung der Steuern verpflichtet war. Die Einziehung kann nicht nur gegen den „formellen“ Steuerschuldner gerichtet werden, sondern auch gegen sonstige Personen, die eigene Erklärungspflichten begründen und nachfolgend originär steuerliche Verbindlichkeiten aus eigenem Vermögen zu erfüllen haben und damit von einer Steuerersparnis profitieren.
Der BGH prüft anhand dieser Maßstäbe in Bezug auf die verkürzte Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer, in wessen Vermögen sich die Ersparnis der hinterzogenen Steuern niedergeschlagen hat. Dies ist nach Auffassung des 1. Strafsenats im Hinblick auf die Angeklagte M nur für die Einkommensteuer in den Veranlagungszeiträumen der Fall, in der die Angeklagten gemeinsam veranlagt wurden. Die verkürzte Umsatz- und Gewerbesteuer sowie die Einkommensteuer für den VZ 2014 (Einzelveranlagung) können indes ausschließlich bei S, nicht bei M eingezogen werden.
Einziehungsbetroffener hinsichtlich der verkürzten Umsatzsteuer könne nur der Angeklagte S sein, der als leistender Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG Steuerschuldner und erklärungspflichtig ist. Die M habe keine eigene Erklärungspflicht nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG begründet; auch nicht durch das Auftreten gegenüber den Behörden oder durch die Aufgabenverteilung zwischen den Eheleuten im Innenverhältnis. Zudem war sie auch kein verfügungsberechtigter Hintermann i.S. von § 35 AO.
Gleiches gelte für die ersparte Gewerbesteuer. Hier war nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG allein der Angeklagte S als Unternehmer i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG Schuldner der Gewerbesteuer und damit nach § 14a Satz 1 GewStG erklärungspflichtig. Die M habe weder Unternehmerinitiative entfaltet noch unternehmerisches Risiko getragen.
Allein für die ersparte Einkommensteuer in den VZ der Zusammenveranlagung der Eheleute unterliegen die ersparten Steuern der Einziehung bei M. Der BGH begründet dies mit der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AO für die Einkommensteuerschuld, weshalb in diesen Fällen sich die aus der Nichterklärung von Einkünften des einen Ehegatten resultierende Steuerersparnis auch in dem Vermögen des anderen Ehegatten niederschlage. In dem Jahr der Einzelveranlagung (2014) konnte der BGH hingegen keine ersparten Aufwendungen bei der S erkennen, da die M ersichtlich keine Mitunternehmerin i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG war.
Praxishinweis
Für die steuerstrafrechtliche Verteidigung in Einziehungsfällen lässt sich aus der Entscheidung des BGH mitnehmen, dass aufzuarbeiten ist, in wessen Vermögen sich die ersparten Vermögensvorteile nach den Kriterien des BGH messbar niederschlagen. Dies erfordert mitunter eine inzidente steuerliche Prüfung, ob – neben dem „formellen“ Steuerschuldner – eigene steuerliche Erklärungspflichten begründet werden. Allein der Umstand, dass ein Ehegatte über die eheliche Verbundenheit von den Erträgen des anderen Ehegatten profitiert, kann eine gesamtschuldnerische Einziehungsanordnung nicht rechtfertigen.
Für die vom BGH bestätigte Einziehungsanordnung hinsichtlich der VZ der Zusammenveranlagung ist zudem noch darauf hinzuweisen, dass nach dem BGH im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO die Wertung des § 270 AO berücksichtigt werden kann, wonach im Steuervollstreckungsverfahren die Möglichkeit zur Aufteilung der Steuerschuld besteht.






