Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG bei teilentgeltlicher Übertragung eines Grundstücks
Mit Urteil v. 11.3.2025 (Az.: IX R 17/24) entschied der BFH, dass teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten als Veräußerungen i.S. des § 23 EStG zu werten sind. Für die Zwecke der Gewinnermittlung erfolgt eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert. In Anknüpfung an unseren Newsletter-Beitrag vom 30.9.2024 zum vorinstanzlichen Urteil des Niedersächsischen FG steht damit nunmehr fest, dass bei teilentgeltlichen Übertragungen im Rahmen des § 23 EStG lediglich fiktive, aber nicht tatsächlich realisierte Überschüsse im Sinne der sog. strengen Trennungstheorie der Besteuerung unterliegen.
Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 2014 ein bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 143.950 €, welches er teilweise fremdfinanzierte. Fünf Jahre später, im Streitjahr 2019, übertrug der Kläger das Grundstück auf seine Tochter (sog. vorweggenommene Erbfolge). Diese übernahm die noch ausstehende Darlehensverbindlichkeit in Höhe von 115.000 €, während der Verkehrswert des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt 210.000 € betrug.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) war der Auffassung, dass die streitgegenständliche Übertragung ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellen würde. Die Übertragung sei wegen der übernommenen Schulden in einen voll entgeltlichen und voll unentgeltlichen Vorgang nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert aufzuteilen. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Das Niedersächsische FG hingegen gab dem Kläger Recht. Die Vorinstanz war der Auffassung, dass eine teilweise entgeltliche Übertragung unterhalb der ursprünglichen Anschaffungskosten tatbestandlich nicht unter die Vorschrift des § 23 EStG fallen würde, vgl. Niedersächsisches FG, Urt. 3 K 36/24 v. 29.5.2024, EFG 2024, 1586. Die hiergegen gerichtete Revision des FA führte jedoch dazu, dass der BFH die Entscheidung des FG aufhob und die Klage abwies.
Steuerlicher Hintergrund:
Teilentgeltliche Übertragungen von Wirtschaftsgütern werfen grundsätzlich die Frage auf, wie der Veräußerungsgewinn bzw. -verlust zu ermitteln ist. Hierzu kann entweder die strenge oder die modifizierte Trennungstheorie herangezogen werden.
Die strenge Trennungstheorie geht davon aus, dass das Rechtsgeschäft in zwei gesondert zu betrachtende Vorgänge aufgeteilt werden muss – einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil –, und zwar im Verhältnis des tatsächlich gezahlten Entgelts zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts. Die Anwendung dessen auf Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG bei teilentgeltlicher Übertragung eines GmbH-Anteils im Privatvermögen wurde bereits durch den BFH bestätigt, vgl. BFH-Urt. IX R 15/23 v. 12.12.2023, BFH/NV 2024, 664.
Nach der modifizierten Trennungstheorie kommt es hingegen nicht zu einer Gewinnrealisierung, soweit das Entgelt hinter dem Buchwert/den Anschaffungskosten des veräußertenWirtschaftsguts zurückbleibt. Für die Anwendbarkeit dessen auf teilentgeltliche Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens sprach sich zuletzt der IV. Senat des BFH aus, vgl. BFH- Urt. IV R 11/12 v. 19.9.2012, BFH/NV 2012, 1880. Aufgrund der Aufhebung des Vorlagebeschlusses an den Großen Senat besteht diesbezüglich jedoch weiterhin keine Rechtssicherheit.
Entscheidung des BFH:
In Anknüpfung an das Urteil v. 12.12.2023 (Az.: IX R 15/23) stellt der BFH im Besprechungsurteil klar, dass bei teilentgeltlichen Übertragungen von Grundstücken aus dem Privatvermögen auch im Rahmen von § 23 EStG die strenge Trennungstheorie Anwendung findet. Dies gilt selbst dann, wenn der vereinbarte Veräußerungspreis unterhalb der historischen Anschaffungskosten liegt.
Die Anwendung der modifizierten Trennungstheorie kann den BFH – ebenso wie die darüber hinausgehenden Einwände der Vorinstanz – nicht überzeugen. Vielmehr würde diese zu folgenden, nicht begründbaren Differenzen führen:
Im Fall einer gemischten Schenkung bestünde die Gefahr, dass ohne jegliche Anhaltspunkte (künstlich) steuerrechtlich relevante Verluste erzeugt werden, Steigerungen des Verkehrswerts würden unberücksichtigt bleiben und die Minderung der Anschaffungskosten durch die AfA würde sich erst bei einer Weiterveräußerung durch den Einzelrechtsnachfolger gewinnerhöhend auswirken.
Einordnung:
Im Ergebnis führt die Entscheidung des BFH und die Anwendbarkeit der strengen Trennungstheorie bei einer teilentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks unterhalb der historischen Anschaffungskosten im Rahmen des § 23 EStG dazu, dass ein nur rechnerischer (fiktiver), aber nicht tatsächlich erzielter Gewinn versteuert wird. Die Entscheidung sollte demnach dahingehend kritisch hinterfragt werden, dass der Sinn und Zweck des § 23 EStG jedoch gerade darin liegt, tatsächlich realisierte Vermögenszuwächse im Privatvermögen zu besteuern, vgl. Hentschel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 8 (Stand: März 2024). In Anbetracht dessen vermag die Anwendung der strengen Trennungstheorie weder im Hinblick auf das Betriebsvermögen noch auf das Privatvermögen zu überzeugen, vgl. Demuth, Der Ertragsteuerberater 2012, 457, 459; Strahl, Finanz-Rundschau 2013, 322, 325 f.
Dennoch schafft die Entscheidung des BFH Rechtssicherheit für die Beratungspraxis und die Nachfolgeplanung bei teilentgeltlichen Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens.
