Ermittlung des Umfangs verkürzter Ertragsteuern bei gezahlten „Schwarzlöhnen“
Der BGH hat sich mit Beschluss 1 StR 394/23 vom 21.02.2024 zu dem sog. Kompensationsverbot hinsichtlich Strafzumessung und Einziehung geäußert. Zur Einordnung sind zunächst einige Begrifflichkeiten klarzustellen, welche in einem steuerstrafrechtlichen Urteil maßgeblich sind.
Der sog. Schuldspruch betrifft die Frage, ob und in welcher Höhe sich der Angeklagte einer Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Entscheidend ist hier das Vorliegen einer sog. Steuerverkürzung. Ob die Steuer aus „anderen Gründen“ (z.B. bisher nicht berücksichtigte Betriebsausgaben) hätte ermäßigt werden können oder ob Steuervorteile hätten beansprucht werden können, ist im Rahmen der Ermittlung der Steuerverkürzung unerheblich. Man spricht vom Kompensationsverbot, § 370 Abs. 4 Satz 3 AO.
Auf Ebene der Rechtsfolgenseite wird die konkrete Höhe der Strafe ausgesprochen (Strafzumessung). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH findet das Kompensationsverbot im Rahmen der Strafzumessung keine Anwendung. Das bedeutet, dass Ermäßigungsgrunde und Steuervorteile, die wegen des Kompensationsverbots auf Schuldspruchebene nicht berücksichtigungsfähig sind, im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd einzustellen sind, weil dem Täter einer Steuerhinterziehung nur die verschuldeten (steuerlichen) Auswirkungen der Tat zur Last zu legen sind, vgl. BGH, Beschl. 1 StR 470/20 v. 11.3.2021, NStZ 2021, 745.
Durch die sog. Einziehungsentscheidung soll der durch die Tat erlangte Gewinn des Täters abgeschöpft werden. Auch im Rahmen der Einziehung findet das Kompensationsverbot keine Anwendung. So sind Betriebsausgaben, die dem Kompensationsverbot unterfallen, gleichwohl zum Zweck der Bestimmung des Wert des Taterlangten bei der Einziehung (§ 73 c StGB) in Abzug zu bringen, weil es insoweit an einem Vermögenszuwachs des Täters fehlt, vgl. BGH, Beschl. 1 StR 198/29 v. 6.8.2020, NStZ 2021, 295.
Sachverhalt:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe der verkürzten Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuer mit einem Betrag von ca. 750.000 € angeordnet. Der Angeklagte betrieb in den Jahren 2014 bis 2018 als Einzelkaufmann einen Imbiss. Als Mitarbeiter setzte er vornehmlich seine beiden Brüder sowie Eltern ein, welche er „schwarz“ bezahlte. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG verschwieg er einen erheblichen Teil seiner Betriebseinnahmen bzw. Ausgangsumsätze.
Der BGH hob den Rechtsfolgenausspruch nahezu vollständig aus. Schuldspruch und Einziehung der hinterzogenen Umsatzsteuer wurden aufrechterhalten.
Entscheidungsgründe:
Der BGH begründete die Entscheidung wie folgt: Das Landgericht hat im Rahmen der Ermittlung des Umfangs der verkürzten Ertragssteuern nicht bedacht, dass die vom Angeklagten an seine Angehörigen gezahlten Schwarzlöhne als Betriebsausgaben auf der Rechtsfolgenseite abzuziehen sind. Dem stünde das Kompensationsverbot aus § 370 Abs. 4 Satz 3 AO nicht entgegen. Die Anwendung des Kompensationsverbots führt – allein auf Ebene des Schuldspruchs – dazu, dass (allgemeine) Betriebsausgaben „als andere Gründe“ Betriebseinnahmen nicht mindern dürfen, sofern sie diesen nicht unmittelbar zuzuordnen sind.
Das Aufklären solcher „Schwarzlöhne“ – notgedrungen im Wege der Schätzung – hat sich hier aufgedrängt. Denn nach den Ausführungen des Landgerichts halfen die Brüder des Angeklagten und dessen Eltern nicht nur gelegentlich aus, sondern arbeiteten regelmäßig im Imbiss, demgemäß erlaubte der Angeklagte, dass seine Familienangehörigen Bargelder aus der Kasse – naheliegender Weise als Arbeitsentgelt – entnehmen durften.
Steuerstrafrechtliche Einordnung:
Aus Sicht der Verteidigung ist eine umfassende Prüfung der steuerrechtlichen Lage zwingend erforderlich. Im Fall von bislang nicht berücksichtigten Schwarzlöhnen ist zu prüfen, ob es sich im Einzelfall tatsächlich um Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG handelt. Insbesondere bei Verträgen mit nahen Angehörigen wird die sog. „betriebliche Veranlassung“ häufig strittig sein. Je nach Einzelfall kann auch eine (verdeckte) Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegen, vgl. BGH, Beschl. 1 StR 6/20 v. 14.5.2020, NStZ 2021, 298.
Mit der Schwarzgeldzahlung an Arbeitnehmer machen sich Arbeitgeber sowohl der (Lohn-) Steuerhinterziehung als auch des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB strafbar.