Notwendige Feststellungen zum Vorsatz von Strohleuten
Das LG Nürnberg-Fürth hat sich mit Beschluss 18 KLs 502 Js 2487/21, 18 KLs 502 Js 2133/16 v. 25.4.2024 zur Prüfung des hinreichenden Tatverdachts bei der Betätigung von Strohleuten befasst. Konkret ging es um die Frage, welche Feststellungen zum Vorsatz von Strohleuten notwendig sind, um das Hauptverfahren zu eröffnen.
Was sind Strohleute?
Strohleute finden sich in der Praxis in vielfachen unterschiedlichen Erscheinungsformen. Eine häufige Erscheinungsform ist dabei, dass eine Person ein Gewerbe anmeldet bzw. als Geschäftsführer eingesetzt wird und formal nach außen auftritt, das Alltagsgeschäft jedoch von einer dahinterstehenden Person („Hintermann“) geleitet wird. Der Strohmann wird daher faktisch vom Hintermann gesteuert.
Steuerstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Strohleute
Die Zwischenschaltung eines Strohmanns ist per se weder rechtswidrig noch strafbewehrt, vgl. Ludwig, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 8. Aufl. 2024, Kap. 29 Rz. 22. Kommt es jedoch zu (steuer-)strafrechtlich relevanten Verfehlungen und das „Strohmann-Konstrukt“ wird aufgedeckt, nehmen die Verfolgungsbehörden sowohl den faktisch agierenden Hintermann als auch den formal bestellten Geschäftsführer ins Visier. Beide Personen können strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, vgl. etwa Grötsch, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 370 Rz. 45 f. Verletzt der Strohmann in eigener Person die steuerlichen Erklärungspflichten durch Falschabgabe im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO oder durch pflichtwidrige Nichtabgabe im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, vgl. Madauß, NZWiSt 2013, 332, 337. Treffen den Strohmann keine gesetzlichen Pflichten zur Abgabe von entsprechenden Steuererklärungen, weil z.B. der Gewerbebetrieb gänzlich dem Vertretenen zuzurechnen ist, ist (Mit)Täterschaft auszuschließen, allerdings könnte eine Beihilfe des Strohmanns durch seine Verschleierungsmaßnahmen zur Steuerhinterziehung zu Gunsten des Hintermanns vorliegen, vgl. Madauß, NZWiSt 2013, 332, 338.
Sachverhalt
Im vom LG Nürnberg-Fürth entschiedenen Fall haben die B, C, D und E als Strohleute jeweils ein Gewerbe angemeldet. Sie stellten dem A ihre Firma und Geschäftskonten zur Verfügung, der dadurch seine tatsächliche Verantwortlichkeit für das Unternehmen verschleierte. Die Firmen wurden faktisch allein vom A geführt. Der A soll Personen gegen Entgelt in den Einzelfirmen der B, C, D und E beschäftigt haben, deren Löhne ganz oder zum Teil bar ausgezahlt und diese nicht oder nicht in zutreffender Weise zur Sozialversicherung und zur Lohnsteuer angemeldet wurden. Gegen A wurde ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) und Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a AO) eingeleitet. Den B, C, D und E wurde vorgeworfen, zu den von A verdachtsweise vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttaten („Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ und/oder „Steuerhinterziehung“) Hilfe geleistet zu haben (Beihilfestrafbarkeit, § 27 StGB), indem sie die Einzelfirmen anmeldeten und den A damit in die Lage versetzten, die Straftaten begehen zu können.
Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth:
Das LG Nürnberg-Fürth hat in der Entscheidung die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Strohleute mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt (§ 203 StPO). Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens gegen den Angeschuldigten ein hinreichender Tatverdacht besteht. Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn nach vorläufiger Bewertung des sich aus dem gesamten Akteninhalt ergebenen Sachverhalts und der Beweisergebnisse eine Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist, also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht.
Das LG erkennt im Fall keinen hinreichenden Tatverdacht für den erforderlichen Beihilfevorsatz bei den Angeschuldigten. Auch bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts im Rahmen der §§ 203, 204 StPO seien die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Vorsatz) auf eine belastbare Beweis- und Tatsachengrundlage und nicht auf Vermutungen zu stützen. Allein aus dem Umstand, dass eine Person sich als Strohmann für eine andere Person (Hintermann) betätige und ein Gewerbe auf den eigenen Namen anmeldet, könne nicht sofort und ohne weiteren Beleg gefolgert werden, der Strohmann habe jedwede Vorgehensweise und strafbare Handlung des Hintermanns vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen. Der hinreichende Tatverdacht dürfe nicht auf Spekulationen gestützt werden. Die gedachte Annahme der Ermittlungsbehörden, wer sich als Strohmann betätige werde, „wohl schon wissen“, dass die Person, für die er sich in dieser Weise zur Verfügung stelle, nichts anderes als Straftaten vorhabe, weil dieses einfach jedem einleuchte, begründe keinen Beihilfevorsatz.
Aus den Ermittlungsakten und den Anklagen ergeben sich für das LG vor diesem Hintergrund keine belastbaren Erkenntnisse dafür, dass die Angeschuldigten mit der Gewerbeanmeldung billigend in Kauf nahmen, dass der Hintermann A den sozial- und steuerrechtlichen Pflichten nicht nachkommen würde. Über die Gewerbeanmeldung hinaus seien die Angeschuldigten nicht bzw. kaum für die Firmen nach außen in Erscheinung getreten. Es liege daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass die Angeschuldigten von der Vorgehensweise des A gewusst haben, was erforderlich ist, um den Beihilfevorsatz annehmen zu können.
Praxishinweis:
Die Entscheidung zeigt, dass in der Praxis die Strafverfolgungsbehörden oftmals zu vorschnell auf eine vorsätzliche Tatbegehung schließen; alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen müssen nachgewiesen sein. Das LG hat dieser Vorgehensweise hier aber zu Recht Einhalt geboten und festgestellt, dass auch im Ermittlungsverfahren bloße Spekulationen nicht für die Eröffnung des Hauptverfahrens ausreichen, sondern belastbare Nachweise notwendig sind.
Das Gericht hat sich dabei die Ermittlungsakten und Anklageschriften genau angeschaut und konnte darin keine Beteiligung an den (möglicherweise strafbaren) Handlungen des A erkennen. Dies verdeutlicht die Relevanz des Aktenstudiums und der genauen Erfassung des Sachverhalts für den Steuerstrafverteidiger bereits im Ermittlungsverfahren, um das oftmals belastende Strafverfahren für die Angeschuldigten möglichst frühzeitig zu einem guten Abschluss bringen zu können.
