Steuerhinterziehung durch Ausgabe von Scheinrechnungen an den Rechnungsempfänger – BGH-Beschl. 1 StR 430/22 v. 7.2.2023
Der BGH hat in seinem Beschluss 1 StR 430/22 vom 7.2.2023 klargestellt, ab welchem Zeitpunkt bei der Erstellung von Scheinrechnungen nach § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG die Steuerschuld entsteht.
Sachverhalt:
Der Angeklagte A wurde von dem LG wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus einer vorgegangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Ferner hat das LG die Einziehung des Wertes von Taterträgen i.H.v. 883.942,89 EUR angeordnet.
Der Beschluss des BGH betraf maßgeblich den Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung im Veranlagungszeitraum 2014. Für dieses Jahr ist das LG von einem Verkürzungsumfang von 78.420,45 EUR ausgegangen und hat darin einen in Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 30.938,73 EUR berücksichtigt. Der A erstellte – unter Firmierung seines Einzelunternehmens – Rechnungen über tatsächlich nicht ausgeführte Lieferungen (sog. Scheinrechnungen), deren Empfänger das Einzelunternehmen des B war. Das Einzelunternehmen des B war zwar auf diesen angemeldet, aber wurde tatsächlich ausschließlich vom Angeklagten A geführt.
Der A wendet sich in der Revision vor dem BGH gegen seine Verurteilung und rügt u.a. die Verletzung materiellen Rechts für das Jahr 2014. Das LG hätte den in Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 30.938,73 EUR zu Unrecht berücksichtigt und eingezogen.
Entscheidungsgründe:
Der BGH weist die Rügen des Angeklagten A im Großteil ab. In Bezug auf die erstellten Scheinrechnungen stellt er aber fest, dass die Einbeziehung des Umsatzsteuerbetrags aus diesen Rechnungen sich als rechtsfehlerhaft erweist, da die Steuer tatsächlich nie entstanden ist.
Die Steuerschuld bei Scheinrechnungen entstehe nämlich nach allgemeiner Auffassung nicht bereits mit der bloßen Erstellung, sondern erst mit der Ausgabe der Rechnung an den Rechnungsempfänger. Zu einer steuerbegründenden Ausgabe der Rechnung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG a.F. (jetzt § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG) könne es aber nicht kommen, wenn die Rechnung den die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit umfassenden Bereich des Unternehmers nicht verlässt. Bei Innenumsätzen eines Unternehmers komme es zu keinem Leistungsaustausch; die steuerbegründende Ausgabe einer Rechnung innerhalb eines Unternehmens sei daher nicht denkbar.
Die Scheinrechnungen von dem Einzelunternehmen des A an das – von dem A tatsächlich beherrschten – Einzelunternehmen des B erfolgten gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG als einheitliche unternehmerische Tätigkeit des A; die erstellten Rechnungen verließen nie diesen Unternehmensbereich und konnten daher auch keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG begründen.
Steuerstrafrechtliche Einordnung:
Der § 14c UStG normiert die Begründung der Umsatzsteuerschuld bei unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis. Wer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet ausweist, schuldet nach § 14c Abs. 1 UStG diesen erhöhten Betrag. Derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den unberechtigt ausgewiesenen Betrag nach § 14c Abs. 2 UStG. Der § 14c Abs. 2 UStG erfasst auch die Fälle, in denen keine Leistung erbracht und eine Scheinrechnung erstellt wurde.
Der BGH hat in seiner Entscheidung dazu Stellung genommen, wann gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG a.F. (jetzt § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG) die Steuer für eine nicht ausgeführte Leistung entsteht, für die gem. § 14c Abs. 2 UStG eine Scheinrechnung erstellt wurde. Unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung hat der BGH hier festgestellt, dass es auf die Ausgabe und nicht auf die bloße Erstellung der Rechnung ankommt, vgl. BGH-Beschl. 1 StR 538/17 v. 11.10.2018, NZWiSt 2019, 178. Diese Rechtsprechungslinie verknüpft der BGH nun mit dem Grundsatz der nichtsteuerbaren Innenumsätze eines Unternehmers. Da der Angeklagte, indem er auf das Einzelunternehmen des Unternehmers bestimmenden Einfluss nehmen konnte, sich die Scheinrechnung quasi selbst ausgestellt hat, konnte es zu keiner „Rechnungsausgabe“ kommen, die eine Steuerschuld auslöst.
Die Entscheidung zeigt, dass es bei steuerstrafrechtlichen Sachverhalten im Zusammenhang mit umsatzsteuerlichen Scheinrechnungen sinnvoll ist, den Sachverhalt genau daraufhin zu prüfen, wer tatsächlich die Geschäfte eines Unternehmens führt. Die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen kann dann – unter Verweis auf die obige Entscheidung – als Argument gegen die Entstehung einer Umsatzsteuerschuld angeführt werden.
Die Entscheidung ist jedoch nicht übertragbar auf die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuer aus den erstellten Scheinrechnungen innerhalb eines umsatzsteuerlichen Unternehmens. Der § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG lässt den Vorsteuerabzug nur für „gesetzlich geschuldete Steuer[n]“ zu. Die Umsatzsteuer aus Scheinrechnungen gem. § 14c Abs. 2 UStG – unabhängig davon, ob diese innerhalb eines Unternehmens erstellt oder an einen anderen umsatzsteuerlichen Unternehmer ausgegeben werden – ist davon nicht erfasst.
Verfasst von:
Marc-Philipp Antoine
Rechtsanwalt