Das BMF hat den Referentenentwurf (Bearbeitungsstand 6.7.2023) eines „Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovationen sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)“ veröffentlicht. Es handelt sich um ein äußerst umfangreiches (der Entwurf nebst Begründung umfasst 275 Seiten, der reine Gesetzestext 77 Seiten) sog. Omnibusgesetz, das quer durch das Steuerrecht führt und für die Rechtsanwender zT eine Herausforderung ist, zumal zahlreiche Vorschriften bereits kurzfristig wirksam werden sollen. Im Folgenden dazu diese Stichpunkte:
- Klimaschutz-Investitionsprämie: Durch ein neues „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Investitionen in den Klimaschutz (Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz)“ sollen unbeschränkt und beschränkt der ESt. oder KSt. Unterliegende jedweder Rechtsform auf Antrag eine Investitionsprämie erhalten, und zwar für nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes und vor dem 1.1.2028 begonnene und abgeschlossene begünstigte Investitionen. Die Investitionsprämie beträgt 15 % der förderfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (max. 200 Mio. €), höchstens 30 Mio. €. Begünstigt ist die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Gegenständen des Anlagevermögens sowie Maßnahmen an bestehenden beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die zu nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, wenn die Wirtschaftsgüter in einem Energiesparkonzept enthalten sind und dazu dienen, dass der Anspruchsberechtigte im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit die Energieeffizienz verbessert und damit Unionsnormen übertrifft. Diese Voraussetzungen müssen durch Expertisen zertifizierter Energieberater oder Energiemanager nachgewiesen werden. Die Prämie wird bei jeweiligem Abschluss einer Maßnahme ausgezahlt, steuerlich erfolgsneutral wie eine Einlage behandelt und mindert die AfA nach § 7 EStG aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Bemessungsgrundlage für die Prämie waren.
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Änderungen des EStG:
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Es wird von der Besteuerung der sog. Dezemberhilfe 2022 abgesehen; §§ 123 bis 126 EStG sollen aufgehoben werden.
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Die GWG-Grenze in § 6 Abs. 2 EStG soll für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden, von 800 € auf 1.000 € angehoben werden (wie dies schon mehrfach geplant war). Die Obergrenze für in die Poolabschreibung nach § 6 Abs. 2a EStG einbeziehbare Wirtschaftsgüter soll von 1.000 € auf 5.000 € unter Herabsetzung der Abschreibungsdauer von fünf auf drei Jahre angehoben werden.
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Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG soll sich für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter von 20 % auf 50 % erhöhen.
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Die Tabellen in §§ 19 Abs. 2, 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3, 24a Satz 5 EStG für die Anpassung des Steuerfreibetrags für Versorgungsbezüge, für den steuerpflichtigen Anteil von Leibrenten und die Höchstbeträge für den Altersentlastungsbetrag werden zugunsten der Stpfl. modifiziert.
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Die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns nach § 34a EStG wird im Zuge einer Neufassung der Vorschrift erweitert und verbessert (ua. durch Erhöhung des begünstigungsfähigen Gewinns um die gezahlte GewSt. und die Beträge, die zur Zahlung der ESt. entnommen werden, und ab 2025 durch Festsetzung eines nachversteuerungsfreien Entnahmevolumens).
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Die Freigrenze für das Absehen vom Steuerabzug in § 50c EStG soll erstmals für Einkünfte, die dem beschränkt Stpfl. nach dem 31.12.2023 zufließen, von 5.000 € auf 10.000 € angehoben werden.
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Ab 2024 soll nach § 3 Nr. 73 EStG-Entw. optional eine Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entfallen, wenn die Summe der Einnahmen im VZ weniger als 1.000 € betragen hat.
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Für nach 2023 beginnende Wj. soll die Geschenkegrenze in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG von 35 € auf 50 € angehoben werden.
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Die ATAD ist Anlass für zahlreich vorgesehene, ab 1.1.2024 wirksame Änderungen der Zinsschranke nach § 4h EStG, zB Umwandlung der Freigrenze von 3 Mio. € in einen Freibetrag (mit Gestaltungsbremsen für die Atomisierung zur mehrfachen Ausschöpfung der 3 Mio. €-Grenze), völlige Abschaffung der Stand-alone-Klausel und den Eigenkapital-Escape im Konzern, Erweiterung des bisherigen Zinsbegriffs unter Einbeziehung von Auf- und Abzinsung, neue Ausnahme für die Finanzierung von Infrastrukturprojekte.
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Es soll ab 1.1.2024 eine neue Zinshöhenschranke (Betriebsausgabenabzugsverbot für Zinsen oberhalb des Basis-Zinssatzes nach § 247 BGB plus zwei Prozentpunkte mit Entlastungsmöglichkeit durch Nachweis höherer Kapitalmarktzinsen) durch § 4l EStG-Entw. eingeführt werden, und zwar für Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen iSd. § 1 Abs. 2 AStG (nicht anwendbar, wenn der Gläubiger in dem Staat, in dem er seinen Sitz oder seine Geschäftsleitung hat, einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht).
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Ab 2024 sollen sich die Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1, 2, 3 EStG (30 € statt 28 €, 15 € statt 14 €) erhöhen.
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Der Verlustabzugsbetrag nach § 10d EStG soll erstmals für den VZ 2024 in mehreren Punkten verbessert werden: Erweiterung des Verlustrücktrags auf drei Jahre, Perpetuierung der Grenze von 10/20 Mio. €, Aussetzung der sog. Mindestbesteuerung beim Verlustvortrag für die VZ 2024 bis 2027.
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Der Betriebsveranstaltungsfreibetrag soll ab 2024 von 110 € auf 150 € erhöht werden.
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Die Veräußerungsfreigrenze nach § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG soll sich von 600 € auf 1.000 € erhöhen.
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Im Hinblick auf zunehmende Homeoffice-Tätigkeiten soll § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG betreffend Inlandstätigkeiten ergänzt werden.
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- Änderungen der AO und FGO sowie des HGB:
- Eine wortreiche neue Regelung in § 89b AO-Entw. soll ein freiwilliges internationales Risikobewertungsverfahren einführen, mit dem international tätige Unternehmen unter Einschaltung der deutschen und der ausländischen FinVerw. gemeinsam „steuerliche Risiken von bereits verwirklichten Sachverhalten mit einem oder mehreren Staaten oder Hoheitsgebieten in einem auf Kooperation und Transparenz angelegte Verfahren“ eingeschätzt werden sollen. Damit soll das Erfordernis der Prüfung der Sachverhalte in steuerlichen Betriebsprüfungen eingeschränkt werden.
- In einem neuen § 117e AO sollen Rechtsgrundlagen dafür geschaffen werden, dass die Finanzbehörden im Verhältnis zu Staaten und Hoheitsgebieten, die nicht Mitgliedstaaten der EU sind, Amtshilfe in Anspruch nehmen oder leisten können.
- §§ 138l, 138m, 138n AO-Entw. – anzuwenden ab 1.1.2025 – sehen erstmals – sich eng an die bereits bestehende Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen anlehnende – Mitteilungspflichten über innerstaatliche Steuergestaltungen vor. Voraussetzung ist ua., dass die Nutzer der Steuergestaltung im Gesetz festgelegte Umsatz- oder Einkünftegrenzen bzw. erbschaftsteuerliche oder grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlagen erreichen, Konzernzugehörigkeiten bestehen oder bestimmte Investmentfonds betroffen sind.
- In § 14a AO-Entw. sollen – im Hinblick auf das MoPeG – die Begriffe der rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen definiert werden. § 14b AO-Entw. enthält Vorschriften für Körperschaften mit dem Sitz im Ausland. Weitere Anpassungen an das MoPeG enthalten §§ 31a Abs. 2, 34 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 2, 138 Abs. 1b und 2, 138d Abs. 5, § 138l Abs. 4, 139c Abs. 5 und Abs. 6a, 181 Abs. 2, 183, 183a, 267, 284, 352 AO-Entw. sowie § 48 FGO-Entw. Anwendungsbestimmungen dazu sind in § 40 EGAO-Entw. vorgesehen.
- Erhebliche praktische, in das Ertragsteuerrecht hineinwirkende Tragweite hat eine vorgesehene – ebenfalls im Hinblick auf das MoPeG und die Abschaffung des Gesamthandsprinzips für Personengesellschaften – Neufassung des § 39 Abs. 2 Nr. 3 AO: „Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen, werden den Beteiligten oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Rechtsfähige Personengesellschaften gelten für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen.“
- Die Grenzen für die steuerliche Buchführungs- und Bilanzierungspflicht in § 141 AO sollen angehoben werden, und zwar die Umsatzgrenze von 600.000 € auf 800.000 € und die Gewinngrenze von 60.000 € auf 80.000 € (anzuwenden auf Umsätze der Kj. bzw. Wj., die nach dem 31.12.2023 beginnen). Entsprechend sollen sich die Betragsgrenzen für die Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars nach § 241a HGB für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen, erhöhen.
- Änderungen des KStG:
- In die Körperschaftsteueroption nach § 1a KStG sollen ab dem VZ 2024 alle Personengesellschaften einbezogen werden. Die Frist für den Optionsantrag soll für Neugründungen und Formwechsel verlängert werden. Die Zurückbehaltung der Beteiligung an der Komplementär-GmbH der optierenden Gesellschaft soll die Anwendung des § 20 Abs. 2 UmwStG nicht ausschließen. Die Besteuerung von Entnahmen als Ausschüttung erfolgt erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Entnahme, nicht schon, wenn die Auszahlung verlangt werden kann.
- Bereits für den VZ 2023 wird bei steuerbefreiten Wohnungsbaugenossenschaften und -vereinen die Unschädlichkeitsgrenze in § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 3 KStG von 20 % auf 30 % angehoben.
- Mit einem neuen, in allen offenen Fällen anwendbaren Erstattungsanspruch gem. § 32 Abs. 6 KStG-Entw. wird die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG für ausländische, in EU- und EWR-Staaten ansässige gemeinnützige Organisationen auch im Bereich der KapESt. nachvollzogen, die auch Drittstaatenorganisationen gewährt wird.
- Es erfolgen in §§ 3, 8 Abs. 5 KStG-Entw. verschiedene Anpassungen an das MoPeG.
- § 8a Abs. 2 und 3 KStG wird wegen Wegfalls der Konzern- und Escape-Klausel bei der Zinsschranke nach § 4h EStG gestrichen.
- Änderungen des GewStG:
- Bereits erstmals für den EZ 2023 soll die Freigrenze für die Steuerunschädlichkeit von Stromlieferungen für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG von 10 auf 20 % erhöht werden.
- Die vorgesehenen Änderungen des § 10d EStG beim Verlustabzug erfolgen entsprechend für den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag nach § 10a GewStG.
- Änderungen des UStG:
- Durch Änderung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG werden – von der FinVerw. bisher nicht angewendete – Einschränkungen des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Zweckbetriebe durch die Rspr. beseitigt.
- Durch Ergänzung von § 4 Nr. 16 UStG wird die Steuerbefreiung für Verfahrenspfleger im Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit iSd. unionsrechtlichen Vorgaben erweitert.
- Die Umsatzsteuerbefreiung für die Gestellung land- und forstwirtschaftlicher Arbeitskräfte nach § 4 Nr. 27 Buchst. b UStG wird zur Anpassung an die unionsrechtlichen Vorgaben dahingehend geändert, dass die zivilrechtsformneutral für land- und forstwirtschaftliche Betriebshilfeleistungen in sozialen Notfällen in bestimmten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gewährt wird.
- Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG sollen Kleinunternehmer iSd. § 19 UStG ab 2023 keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben müssen. § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG sieht ebenso eine Befreiung für die Abgabepflicht der Jahres-Umsatzsteuererklärung vor (abgesehen von Fällen des § 18 Abs. 4a UStG und der Aufforderung durch das FA). Der Schwellenwert für die Befreiung von der Verpflichtung der Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen soll im Übrigen von 1.000 € auf 2.000 € erhöht werden.
- Der Unternehmer soll ab 2023 nach § 19 Abs. 2 UStG-Entw. nur noch bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kj. auf die Kleinunternehmerbesteuerung verzichten können.
- Ab 2024 soll die Umsatzschwelle für die Ist-Besteuerung nach § 20 UStG von 600.000 € auf 800.000 € erhöht werden.
- Ab 1.1.2024 sollen der Durchschnittssteuersatz und die Vorsteuerpauschale für Landwirte von 9 % auf 8,4 % verringert werden.
- In § 14 UStG-Entw. (mit redaktionellen Folgeänderungen in weiteren Vorschriften) werden die Rechtsgrundlagen für eine demnächst obligatorische elektronische Rechnungserteilung geschaffen, die aber erst künftig wirksam wird. Grundsätzlich müssen danach Rechnungen für inländische B2B-Umsätze als E-Rechnungen nach den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU ausgestellt werden und damit der CEN-Norm 16931 entsprechen. Andere Formate (zB Papier- und PDF-Rechnungen) sind aber noch bis zum 31.12.2025 zulässig (bis dahin bleibt die Zustimmung des Rechnungsempfängers erforderlich). Strikte E-Rechnungspflicht besteht also erst ab 1.1.2026. Bis 31.12.2027 müssen aber die Rechnungen nicht zwingend nach der CEN-Norm 16931 erstellt werden. Für Kleinbetragsrechnungen und Fahrausweise nach §§ 33, 34 UStDV werden weiterhin andere Formate (zB Papierrechnungen) zugelassen.
- Zahlreiche, sehr spezielle Änderungen sind ab 1.1.2024 für das InvStG vorgesehen.
- Ebenfalls zahlreiche Änderungen sind beim Forschungszulagengesetz vorgesehen, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen angesprochen werden sollen.
- Bei vorgesehenen Änderungen des ErbStG und BewG ab 1.1.2024 handelt es sich neben den Haftungsregelungen in § 20 Abs. 7 ErbStG im Wesentlichen um Anpassungen an das MoPeG. In § 2a ErbStG-Entw. soll klarstellt werden, dass – was Personengesellschaften betrifft – an den bisherigen Grundsätzen der Besteuerung der Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden festgehalten wird, also im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht für die rechtsfähigen Personengesellschaften unverändert das Transparenzprinzip gilt. Entsprechende Klarstellungen sind in §§ 10 Abs. 1 Satz 4, 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d, 18 Satz 1 ErbStG, §§ 97 Abs. 2, 153 Abs. 2, 154 Abs. 3 BewG vorgesehen.
- Art. 39 des Referentenentwurfs sieht eine Änderung des noch nicht vorhandenen „Generationenkapitalgesetzes“ vor: Die zu errichtende Stiftung als Trägerin einer zusätzlichen Altersversorgung soll nicht der KSt. und GewSt. unterliegen, die Zuwendungen an die Stiftung nicht der ErbSt. und die künftigen Leistungen der Stiftung nicht dem Kapitalertragsteuerabzug.
- Das EU-Amtshilfegesetz soll gem. Art. 40 des Referentenentwurfs zahlreiche Änderungen erfahren. Im Mittelpunkt stehen Regelungen über zentrale Verbindungsbüros sowie gleichzeitige und gemeinsame grenzüberschreitende steuerliche Prüfungen. Einzelheiten der umfangreichen und detailreichen Gesetzesänderungen und -ergänzungen (die Gesetzesbegründung dazu umfasst 18 Seiten) sollen an dieser Stelle nicht angesprochen werden.
- Art. 41 und 42 des Referentenentwurfs umfassen zahlreiche Folgeänderungen zu anderweitigen Gesetzesänderungen, zB auch des MoPeG.