[1] Mit Bearbeitungsstand v. 28.7.2022 hat das BMF den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 vorgelegt. Das umfangreiche „Omnibus-Gesetz“ ändert zahlreiche Vorschriften quer durch das Steuerrecht. Es betrifft nach den Vorbemerkungen zum Gesetz „insbesondere Anpassungen zur weiteren Digitalisierung, zur Verfahrensvereinfachung, zur Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit sowie zur Umsetzung des Koalitionsvertrages“. Für notwendig erachtet werden auch Umsetzungen des EU-Rechts, Reaktionen auf die Rspr. und zahlreiche redaktionelle Änderungen und Fehlerbeseitigungen. Angesprochen seien an dieser Stelle nur folgende Änderungen:
- Nach § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG-Entw. wird die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung in der Veranlagung mit Wirkung ab dem VZ 2022 eingeführt.
- Nach § 3 Nr. 14a EStG-Entw. bleibt der Anteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der aufgrund des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem 6. Sozialgesetzbuch geleistet wird, steuerfrei.
- Die AfA für nicht zum Betriebsvermögen gehörende Gebäude, die nach dem 31.12.2023 fertiggestellt werden, soll nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG statt der bisherigen 2 % ab 31.12.2023 3 % betragen.
- Die Zugrundelegung einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer als die, die der gesetzlichen AfA entspricht, gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG soll gestrichen werden. Soweit die AfA für Gebäude im Rahmen der Einkünfteermittlung für das Kj. 2022 oder das vor dem 1.1.2023 endende Wj. zulässigerweise nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bisherigen Fassung vorgenommen wurde, kann die AfA auch weiterhin nach der zu diesem Stichtag anerkannten kürzeren Nutzungsdauer bemessen werden.
- Der Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen soll durch Änderung des § 10 Abs. 3 Satz 6 EStG erhöht werden: Der Prozentsatz in Satz 4 erhöht sich in den folgenden Kj. bis zum Kj. 2022 um je 2 %-Punkte je Kj., ab dem Kj. 2023 beträgt der Sonderausgabenabzug 100 %
- Der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG soll mit Wirkung ab 1.1.2023 von 801 € auf 1.000 € erhöht werden.
- Der Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines in Berufsausbildung befindlichen, auswärtig untergebrachten volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld besteht, soll ab 1.1.2023 von 934 € auf 1.200 € erhöht werden.
- Der höchst zulässige Arbeitslohn pro Arbeitstag bei der Lohnsteuerpauschalierung für kurzfristig Beschäftigte nach § 40a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG soll von 120 € auf 150 € (ab 1.1.2023) erhöht werden.
- Zahlreiche Vorschriften dienen der Verfahrensverbesserung bei der Riester-Förderung.
Im Übrigen ändern sich folgende Vorschriften des EStG – meist nur mit redaktioneller und klarstellender Wirkung –: §§ 2 Abs. 1 Satz 6, 3 Nr. 61 und 71, 10a, 32, 39, 39a, 39b, 39e, 41a, 43, 44, 44a, 44b, 45a, 48a, 51, 65, 69, 72, 90, 91, 95.
Im UStG sind Änderungen der §§ 4 Nr. 27, 4a, 17, 18, 18g, 22g (neue umfangreiche Vorschrift für Pflichten von Zahlungsdienstleistern), 23, 23a, 26a, 27 vorgesehen.
Umfangreiche Änderungen werden im BewG zur Bewertung von Immobilien für Erbschaft- und Grunderwerbsteuerzwecke vorgenommen. Dadurch werden insbesondere die Bewertungsvorschriften an die Immobilienwertermittlungs-Verordnung (ImmoWertV) v. 14.7.2021, BGBl. 2021 I, 2805, angepasst, die auf diese Weise in die Bewertung einbezogen werden. Es kommt zur Änderung des BewG in §§ 153, 177, 181, 183, 184, 185, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194 (umfangreiche Regelung zur Bewertung von Erbbaurechten und Grundstücken mit Erbbaurechten), 195, 256, 265, 266, Anlagen 23, 25, 39.
In der AO sollen §§ 30, 31a, 89a, 122, 139b, 150, 162, 188, 191, 224, 230, 249, 251, 371 und 378a geändert werden, ebenso verschiedene Vorschriften im EGAO.
Weitere Änderungen betreffen das UmwStG, GrStG, GrEStG, Steueroasen-Abwehrgesetz, Gesetz über FinVerw., Gesetz über Steuerstatistik, StBerG, Bundeskindergeldgesetz und Altersvorsorge-Durchführungsverordnung. [kk]
[2] Das BMF hat (mit Bearbeitungsstand v. 8.7.2022) den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates v. 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vorgelegt, vgl. dazu auch Bartelt/Nientimp, DStR 29/2022, VI. Der 91 Seiten umfassende Gesetzentwurf setzt unter Art. 1 und 2 im Wesentlichen Unionsrecht um, insbesondere die „DAC 7“-Richtlinie. In Art. 1 wird in Gestalt eines neuen Plattform-Melde- und Informationsaustauschgesetzes eine Pflicht für Betreiber digitaler Plattformen eingeführt, den Finanzbehörden Informationen über Einkünfte zu melden, die von Anbietern auf diesen Plattformen erzielt werden, unterstützt von einem automatischen Austausch von Informationen zu Anbietern, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU steuerlich ansässig sind. In Art. 2 werden bereits etablierte Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im EU-Amtshilfegesetz weiterentwickelt und die maßgeblichen Rechtsvorschriften zu ihrer Durchführung klarer gefasst. Damit sollen die Steuerbehörden in die Lage versetzt werden, Sachverhalte mit Auslandsbezug noch wirksamer ermitteln zu können. Art. 3 und 4 des Gesetzentwurfs sehen umfangreiche Änderungen der AO im Bereich der Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten und zur Durchführung von Betriebsprüfungen vor, die für die Praxis von erheblicher Tragweite sind und auf eine straffere Durchführung von Steuerprüfungen unter Berücksichtigung der elektronischen Datenerfassung und -übermittlung gerichtet sind. Die damit verbundenen Vorteile für die Stpfl. werden durch erhebliche zusätzliche Pflichten der Stpfl. mit Sanktionsmöglichkeiten durch die FinVerw. überkompensiert. Als § 200a AO soll ein neues „qualifiziertes Mitwirkungsverlangen“ der FinVerw. etabliert werden, dessen Nichterfüllung in ein „Mitwirkungsverzögerungsgeld“ münden kann. Verschärft werden auch die Vorschriften über Aufzeichnungen und deren Vorlage im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. Nach § 180 Abs. 1a AO-Entw. können – was vorteilhaft ist – im Rahmen von Betriebsprüfungen Besteuerungsgrundlagen vor Prüfungsabschluss durch Teilabhilfebescheide festgestellt werden. Schlussbesprechungen zu Betriebsprüfungen und anderen Verhandlungen mit Behörden können weitgehend elektronisch durch Übertragung in Bild und Ton durchgeführt werden. – Das neue Gesetz soll grundsätzlich am 1.1.2023 in Kraft treten. Für die Änderungen der AO ist in Art. 97 § 37 des EGAO weitgehend die Anwendung erst für Besteuerungszeiträume vorgesehen, die nach dem 31.12.2024 beginnen; nur in einigen wenigen Fällen sollen die neuen Vorschriften bereits ab 1.1.2023 gelten, zB die Regelungen über elektronische bzw. fernmündliche Verhandlungen mit dem FA, beispielsweise neue Regelungen über die Festlegung von Prüfungsschwerpunkten, Änderungen in § 162 AO, Übertragung in Bild und Ton sowie fernmündliche Schlussbesprechung. [kk]
[3] Für Filmfonds bedeutsam ist die Entscheidung des BFH IV R 32/19 v. 14.4.2022, in der sich der BFH ausführlich mit der ertragsteuerlichen Behandlung eines Filmvertriebsvertrags (betreffend die Streitjahre 2009 und 2010) auseinandersetzt. Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, hatte im Jahr 2007 einen Spielfilm produziert und mit einer ausländischen Lizenznehmerin einen Lizenzvertrag über die Verwertung der Filmrechte für einen Zeitraum von insgesamt 42 Jahren abgeschlossen. Der Klägerin standen feste und umsatzabhängige fortlaufende Vergütungen zu. Nach dem Vertragsgeflecht gab es verschiedene Optionsmöglichkeiten für die Klägerin und die Lizenznehmerin mit unterschiedlichen Konsequenzen. Ua. hatte die Klägerin ein Andienungsrecht für die Filmrechte, falls die Lizenznehmerin eine Ankaufsoption nicht vornimmt; für den Fall der Andienung musste die Lizenznehmerin der Klägerin ein Darlehen gewähren, dessen Rückzahlung bedingt war. Wie schon das FG Köln in der Vorinstanz (s. kösdi 2020, 21928, Report Nr. 488), hat der BFH entschieden, nach dem Gesamtbild der Vertragsvereinbarungen sei das wirtschaftliche Eigentum (abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum) an den Filmrechten nicht bereits mit Abschluss des Lizenzvertrags übergegangen. Auch die Darlehensoption habe nicht bereits zu einer zusätzlichen Gewinnrealisation geführt. Der BFH hat zum umfangreich begründeten Urt. folgende Leitsätze herausgearbeitet: (a) Einem Nutzungsberechtigten kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es zB, wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin an Wertsteigerungen der Filmrechte beteiligt ist. (b) Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums können nicht uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten übertragen werden. Dies folgt insbesondere daraus, dass eine hinlänglich verlässliche Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertriebsvertrages regelmäßig nicht möglich ist. [kk]
[4] Über die Herabsetzung des Zinssatzes für die Vollverzinsung nach § 233a AO iVm. § 238 Abs. 1a AO ab 1.1.2019 auf 0,15 % monatlich durch das Zinsanpassungsgesetz hat bereits Strahl, kösdi 2022, 22848, 22858, kurz berichtet. Ausführlich dazu Baum, NWB 2022, 2112. Neben dem Anwendungserlass hat sich das BMF mit Schr. IV A 3 – S 0338/19/10004:007 v. 22.7.2022, DB 2022, 1809, mit der Übergangsregelung nach Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO auseinandergesetzt. Darin räumt die FinVerw. ein, dass sie die Neuberechnung der Zinsen in anhängigen Verfahren und die Umstellung der Zinsberechnungsprogramme aufgrund der damit verbundenen erheblichen technischen und organisatorischen Auswirkungen nicht sofort nach Inkrafttreten der Neuregelung umsetzen kann. Das BMF-Schr. verweist auf die Übergangsregelung in Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO. Solange die Neuregelung in § 238 Abs. 1a und 1b AO technisch und organisatorisch noch nicht umgesetzt werden kann, können Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 weiterhin vorläufig ergehen oder ausgesetzt werden. Einzelheiten dazu ergeben sich aus dem BMF-Schr., das an die Stelle der BMF-Schr. v. 17.9.2021, BStBl. 2021 I, 1957, und v. 3.12.2021, BStBl. 2021 I, 2227, tritt. [kk]