[1] Im zweiten Anlauf ist der Regierungsentwurf für das Wachstumschancengesetz am 30.8.2023 verabschiedet worden. Der aktuelle Gesetzentwurf mit Bearbeitungsstand v. 28.8.2023 enthält nicht nur die bereits in kösdi 2023, 23366, Report Nr. 381, angesprochenen Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf. Zusätzlich sieht der Regierungsentwurf insbesondere noch folgende Änderungen vor:
- Ein neuer § 7 Abs. 5a EStG soll für Gebäude (im Privat- oder Betriebsvermögen), die in einem EU- oder EWR-Staat belegen sind, soweit sie Wohnzwecken dienen und vom Stpfl. hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, statt der linearen AfA optional eine AfA in fallenden Jahresbeträgen (also degressive AfA) vorsehen. Die Regelung soll anwendbar sein, wenn mit der Herstellung der Gebäude nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen wurde oder die Anschaffung aufgrund eines nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags erfolgt. Die AfA beträgt 6 % vom jeweiligen Buchwert bzw. Restwert, und zwar zeitlich unbefristet. Der Übergang von der degressiven AfA zur linearen AfA soll jederzeit zulässig sein (die weitere Absetzung erfolgt vom Restwert).
- Die sog. Mindestbesteuerung für den Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG (entsprechend nach § 10a GewStG) wird zusätzlich abgemildert, indem der über dem Sockelbetrag von 1 Mio. € (bei Zusammenveranlagten 2 Mio. €) temporär für die VZ 2024 bis 2029 bis zur Höhe von 80 % der jeweiligen Jahreseinkünfte verrechenbar ist. Ursprünglich war für den Regierungsentwurf (statt der bisherigen Grenze von 60 %) eine Grenze von 70 % vorgesehen; die noch im Referentenentwurf vorgesehene totale temporäre Aussetzung der Mindestbesteuerung sieht der Regierungsentwurf nicht mehr vor. [kk]
[2] Das FG Köln hatte mit Beschl. 10 K 997/17 v. 12.10.2017, EFG 2018, 287, dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das FG hatte Bedenken gegen den irreal hohen Rechnungszinsfuß von 6 %. Das BVerfG hat mit Beschl. 2 BvL 22/17 v. 28.7.2023, Pressemitteilung v. 25.8.2023, die Vorlage als unzulässig verworfen, weil sie nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG genüge. [kk]
[3] Es steht der Anerkennung des Abzugs einer Spende an eine Stiftung nach § 10b EStG nicht entgegen, wenn der Spender, der zugleich Vorstand der Stiftung ist, den in den Vermögensstock der Stiftung gezahlten Betrag zeitnah als fremdvergleichbares Darlehen „zurückerhält“ und die Stiftung die Darlehenszinsen zur Verwirklichung ihrer gemeinnützigen Zwecke verwendet (kein Gestaltungsmissbrauch iS von § 42 AO), BFH-Urt. X R 4/22 v. 26.4.2023 in Abgrenzung zum Urt. des BFH V R 67/16 v. 22.8.2019, BStBl. 2020 II, 40. Der Spendenabzug setzt jedoch voraus, dass die Zuwendung an die steuerbegünstigte Körperschaft unentgeltlich erfolgt. Deshalb darf mit einer gegenläufigen Darlehensgewährung kein Vorteil für den Zuwendenden verbunden sein. An einem solchen Vorteil fehlt es, wenn sowohl die Gewährung des Darlehens dem Grunde nach als auch die vereinbarten Darlehensbedingungen einem Fremdvergleich standhalten und die tatsächliche Durchführung des Darlehens keinerlei Zweifel an dem aus Sicht des Zuwendenden nunmehr bestehenden Fremdkapitalcharakters dieser Mittel aufwirft.
Anm.: Aus der Urteilsbegründung ergibt sich, dass an die Fremdvergleichbarkeit und den Nachweis, dass der Spender als Darlehensnehmer keine schädlichen Vorteile erlangt, hohe Anforderungen gestellt werden. – Die im Jahr 2011 geleisteten Barspenden und aus den Spendenmitteln gewährten Darlehen betrugen 400.000 €. Die Darlehen waren mit 3,5 % zu verzinsen und nach 10 Jahren zurückzuzahlen. Als Darlehenszweck war die Finanzierung zu erwerbender Immobilien vereinbart. Zur Sicherung war vorgesehen, zugunsten der Stiftung Grundschulden zu bestellen. Als Interimssicherung sind verschiedene Beteiligungen an Fonds sowie Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen abgetreten worden. Nach Erwerb der Immobilien sind diese durch zweitrangige Grundschulden ersetzt worden. Das FG hatte den Spendenabzug nicht anerkannt. Der BFH hat die Sache zur weiteren exakten Prüfung der Fremdvergleichbarkeit zurückverwiesen. Das FG muss im zweiten Rechtsgang sowohl die Angemessenheit des Zinssatzes (wahrscheinlich unproblematisch) als auch die Werthaltigkeit der Sicherungen prüfen. Problematisiert hat der BFH, dass der Stifter bei den Darlehensvereinbarungen zugleich als Vorstand der Stiftung tätig war und möglicherweise keine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot erfolgt ist. – Wer mit Darlehensrückgewähr spenden will, sollte sich intensiv mit der ausführlichen Urteilsbegründung auseinandersetzen, um nicht an der Fremdvergleichshürde und dem Gegenleistungsverbot zu scheitern. [kk]
[4] Vater und Sohn gründeten eine KGaA, indem der Vater alleiniger Kommanditaktionär wurde und der Sohn persönlich haftender Gesellschafter. Als solcher leistete er eine Vermögenseinlage in die KGaA. Nach deren Satzung sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zum Gesamtkapital (Grundkapital und Vermögenseinlage) am Gewinn und an den Rücklagen der KGaA beteiligt, und zwar der Sohn mit 90 %. Anschließend leistete der Vater eine Einlage in mehrstelliger Millionenhöhe in eine ungebundene Kapitalrücklage der KGaA (also eine disquotale Einlage). Das FA sah darin einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang gem. § 7 Abs. 8 ErbStG. Das FG Hamburg hat mit Urt. 3 K 188/21 v. 11.7.2023, Pressemitteilung des Gerichts Nr. 2/2023 (Rev. unter Az. II R 23/23 anhängig), der Klage gegen die Steuerfestsetzung stattgegeben. Die disquotale Einlage habe zwar den Wert der Beteiligung des Klägers als persönlich haftender Gesellschafter erhöht, jedoch sei die Beteiligung, weil der Kläger nicht am Grundkapital der KGaA beteiligt sei, kein „Anteil an einer Kapitalgesellschaft“ iS des § 7 Abs. 8 ErbStG.
Anm.: Das FG war sich bewusst, dass der Kläger eine Gesetzeslücke genutzt hat, sah darin aber keinen Gestaltungsmissbrauch. Auch eine anderweitige Rechtsgrundlage für die Besteuerung einer Schenkung hat das FG nicht ausgemacht. [kk]
[5] Die FinVerw. erkennt in H 18.2 „Betriebsausgabenpauschale“ EStH 2022 eine Betriebsausgabenpauschale bei der Ermittlung verschiedener freiberuflicher Tätigkeiten, zB aus selbständiger schriftstellerischer Tätigkeit, an. Die Pauschale beträgt 30 %, höchstens 2.455 € jährlich, für hauptberuflich schriftstellerische oder journalistische Tätigkeit rund 25 %, höchstens 614 € jährlich, für schriftstellerische Nebentätigkeit. An diese Verwaltungsanweisung ist sie grundsätzlich gebunden, jedoch in der Ausgestaltung und Auslegung weitgehend frei. Deshalb hat der BFH es mit Urt. VIII R 29/20 v. 4.7.2023 nicht beanstandet, dass eine hauptberufliche schriftstellerische Tätigkeit nur anerkannt wird, wenn ihr zeitlicher Umfang mindestens ein Drittel eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs im VZ beträgt. [kk]
[6] Aufwendungen für die Einstellung des Dienst-Pkw (zB Gebäude-AfA für die Garage) mindern den geldwerten Vorteil aus der privaten Pkw-Mitbenutzung nur, wenn eine rechtliche Verpflichtung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber besteht, das Fahrzeug in der Garage unterzustellen, BFH-Urt. VIII R 29/20 v. 4.7.2023. [kk]