[1] Eine zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung durch unentgeltliche Bestellung eines befristeten Nießbrauchrechts (sog. Zuwendungsnießbrauch) ist nicht missbräuchlich iS von § 42 AO, wenn dem Zuwendenden – von der Verlagerung der Einkunftsquelle abgesehen – kein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht, NV-Urt. des BFH IX R 8/22 v. 20.6.2023. [kk]
[2] Eine im Immobiliensektor tätige Projektentwicklungsgesellschaft schloss mit Immobilienprojektgesellschaften Verträge ab, auf deren Basis sie die Entwicklung und Betreuung konkreter Immobilienprojekte übernahm, und zwar für die Zeit bis zur vollständigen Fertigstellung des Gesamtprojekts und (zT) bis zur Vermarktung bzw. Mängelbeseitigung. Dafür erhielt sie vertragsgemäß jeweils 6 % der Gesamtinvestitionskosten für das jeweilige Projekt als Pauschalhonorar. Die Vergütung war fortlaufend in monatlichen Raten zu zahlen und während des Verlaufs der Projekte wegen geänderter Bemessungsgrundlagen und Zeitdauern anzupassen. Der Umfang der vereinbarten Dauerleistungen verlief nicht synchron zu den monatlichen Honorarzahlungen. Die Gesellschaft ordnete ihre Leistungen unter Zugrundelegung ihrer Vergangenheitserfahrungen fünf Projektphasen zu und bildete in ihrer Steuerbilanz einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten nach § 5 Abs. 5 EStG, soweit ihr Leistungsstand hinter den erhaltenen Monatszahlungen zurück blieb. Der BFH hat mit Urt. IV R 22/20 v. 26.7.2023 die passive Rechnungsabgrenzung nicht anerkannt, weil es an der in § 5 Abs. 5 Nr. 2 EStG erforderlichen Voraussetzung der Vorauszahlung für eine „bestimmte Zeit“ fehlte. Der Begriff „bestimmte Zeit“ wird zwar nicht eng ausgelegt, jedoch ist die Voraussetzung nur erfüllt, wenn eine etwaige Schätzung auf „allgemeingültigen Maßstäben“ beruht. Daran fehlt es, wenn (wie im Streitfall) die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Stpfl. beruhen, die geändert werden könnte. Auch eine die Gewinnrealisierung aufschiebende Passivierung von Anzahlungen hat der BFH nicht anerkannt, weil diese für noch ausstehende „zeitraumbezogene“ Leistungen nicht zulässig ist (für diese kommt lediglich eine Rechnungsabgrenzung in Betracht, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen).
Anm.: Anerkannt hat im Streitfall das FA eine Rückstellung für Erfüllungsrückstände aus schwebenden Projektbetreuungsverträgen, deren Höhe es (zurückhaltend) geschätzt hat. [kk]
[3] Das Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG für Gästehäuser greift nicht ein, wenn sich das Gästehaus am Ort eines Betriebs (bzw. einer Betriebsstätte) des Stpfl. befindet. Ein Betrieb des Stpfl. am Ort des Gästehauses muss nicht üblicherweise von den im Gästehaus beherbergten Geschäftsfreunden aufgesucht werden, Urt. des BFH XI R 37/20 v. 24.5.2023.
Anm.: Geklagt hat ein anerkannter Lohnsteuerhilfeverein iS von § 4 Nr. 11 iVm. §§ 13 ff. StBerG, der in den Streitjahren zahlreiche Beratungsstellen an verschiedenen Orten unterhielt. Leiter der jeweiligen Beratungsstellen waren freie Mitarbeiter. Der Kläger hat in einer Immobilie zwei Ferienappartements angemietet. Diese wurden wochenweise unentgeltlich den selbständigen Beratungsstellenleitern zur Nutzung überlassen. Dies war zwar eine Gästehausunterhaltung iS von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG, jedoch „rettete“ den Kläger, dass er im selben Gebäude einen Schulungsraum unterhielt, also eine Betriebsstätte am Ort des Gästehauses. [kk]
[4] Der BFH hatte im Urt. IV R 30/19 v. 15.6.2023 über einen sehr speziellen, durch ein Vertragsbündel geprägten Sachverhalt zu entscheiden. Eine AG überführte ihr Kreditportfolio auf eine eigens zu diesem Zweck gegründete GmbH & Co. KG mit dem Ziel, die Forderung mittelbar an Dritte zu veräußern. Dies geschah unmittelbar nach der Transaktion; das Vermögen der KG (und damit das Kreditportfolio) ging durch Anwachsung auf den Anteilserwerber unter Erlöschen der KG über, so dass diese ihre Tätigkeit nur für eine juristische Sekunde ausgeübt hatte. Das Urt. ist deshalb über den Fall hinaus interessant, weil der BFH entschieden hat, eine Mitunternehmerschaft könne auch für lediglich eine juristische Sekunde bestehen. In einem derartigen Fall könne sie auch für diese juristische Sekunde sachlich gewerbesteuerpflichtig sein. [kk]
[5] Einkommensteuernachzahlungen eines Erblassers für das Todesjahr mindern zwar als Nachlassverbindlichkeiten den Erwerb. Voraussetzung ist jedoch, dass noch der Erblasser die Entstehung der Steuerschuld ausgelöst hat. Dies ist nicht der Fall, wenn die Erben einen landwirtschaftlichen Betrieb des Erblassers nach dem Erbfall rückwirkend unter Inanspruchnahme der Dreimonatsfrist nach § 16 Abs. 3b Satz 2 EStG iVm. § 14 Abs. 1 Satz 2 EStG aufgeben und deshalb die Einkommensteuerschuld noch im Todesjahr des Erblassers entsteht, BFH-Urt. II R 3/21 v. 10.5.2023. [kk]