[1] Zum geplanten umfangreichen JStG 2022, über dessen Referentenentwurf in kösdi 2022, 22874, Report Nr. 358, berichtet wurde, hat die Bundesregierung am 14.9.2022 den Regierungsentwurf
beschlossen. Dieser sieht weitere Gesetzesänderungen vor, insbes. diese:
- Für die Zeit ab 2023 tritt an die Stelle des Höchstbetrags der abzugsfähigen Arbeitszimmerkosten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b EStG von 1.250 € eine Jahrespauschale, so dass ein Nachweis der Kosten nur noch erforderlich ist, wenn die Voraussetzungen für den vollständigen Abzug vorliegen. Die Homeoffice-Pauschale wird nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zeitlich verstetigt; der Höchstbetrag wird auf 1.000 € angehoben.
- Der Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG wird ab 2023 von 924 € auf 1.200 € angehoben.
- Für Einnahmen und Entnahmen aus bzw. von Photovoltaikanlagen, die nach dem 31.12.2022 erzielt oder getätigt werden, soll in § 3 Nr. 72 EStG eine Steuerbefreiung eingeführt werden. Dies gilt für auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschl. Nebengebäuden) oder nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandene Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von 30 kW sowie von auf, an oder in überwiegend zu Wohnzwecken genutzten sonstigen Gebäuden vorhandenen Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 15 kW je Wohn- oder Gewerbeeinheit, jeweils höchstens 100 kW pro Stpfl. oder Mitunternehmerschaft (keine Gewinnermittlung erforderlich, keine Infektionswirkung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).
- Der neue AfA-Satz für Gebäude von 3 %, den der Referentenentwurf bereits vorsah, soll für Gebäude gelten, die nach dem 30.6.2023 fertiggestellt werden.
- Für die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Einfuhr und Installation von Photovoltaikanlagen sowie Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, soll ab 1.1.2023 durch § 12 Abs. 3 UStG ein Umsatzsteuersatz von 0 Prozent eingeführt werden, der den Vorsteuerabzug nicht ausschließt. Voraussetzung soll sein, dass die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Außerdem darf die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kW betragen. [kk]
[2] Auf der Homepage des BMF ist mit Datum v. 14.9.2022 der dem Referentenentwurf v. 6.9.2022 entsprechende Regierungsentwurf eines Inflationsausgleichsgesetzes veröffentlicht worden, der bereits in 1. Lesung Gegenstand der Bundestagsdebatte am 22.9.2022 war, vgl. BT-Drucks. 20/3496 v. 20.9.2022. Den Vorbemerkungen zufolge ist es denkbar, dass im parlamentarischen Verfahren noch weitere Anpassungen „im Lichte der im Herbst 2022 vorliegenden Berichtsergebnisse bzw. der Daten der Herbstprojektion der Bundesregierung“ zur wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen. Vorgesehen sind insbes. folgende Gesetzesänderungen:
- Der Einkommensteuertarif nach § 32a EStG wird zunächst ab 2023 geändert, und zwar beträgt der Grundfreibetrag 10.632 €, der untere Tarifplafond reicht von 10.633 € bis 15.785 €, die Progressionszone von 15.787 € bis 61.971 €. Darüber hinaus gilt der Spitzensteuersatz von 42 % unverändert dergestalt, dass ab 277.826 € die sog. Reichensteuer mit 45 % einsetzt. Ab 2024 betragen die vorgenannten Grenzen 10.932 €, 16.179 € und 63.514 €. Die Eingangsgröße für den Spitzensteuersatzzuschlag soll auch ab 2024 unverändert bleiben.
- Der sächliche Kinderfreibetrag soll ab 2022 pro Elternteil auf 2.810 € angehoben werden, ab 2023 auf 2.880 € und ab 2024 auf 2.994 €.
- Das Kindergeld nach § 66 EStG soll ab 2023 für das erste, zweite und dritte Kind 237 € und für das vierte und jedes weitere Kind 250 € betragen. Entsprechende Änderungen sind im Bundeskindergeldgesetz vorgesehen.
- Der Unterhaltshöchstbetrag nach § 33a EStG wird angehoben und knüpft künftig dynamisch an den Grundfreibetrag an.
- In § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG soll die Regelung für die Eintragung von Freibeträgen und Hinzurechnungsbeträgen bei mehreren Dienstverhältnissen geändert werden.
- Zur Berechnung der LSt. in den Steuerklassen V und VI werden ab 2023 die Betragsgrenzen von 11.793 € auf 12.205 € und 29.298 € auf 30.989 € sowie ab 2024 nochmals auf 12.540 € bzw. 31.757 € erhöht.
- Geändert werden auch die Veranlagungsregelungen für Arbeitnehmer in § 46 Abs. 2 Nr. 4 und 4 EStG.
- Die Betragsgrenze in § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a EStG wird an den Grundfreibetrag angepasst, also dynamisiert.
- Auch beim SolZ werden statt der fixierten Betragsgrenzen dynamische Verweise eingeführt. [kk]
[3] Nach einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 8.9.2022 sollen die Rechengrößen der Sozialversicherung für 2023 wie folgt erhöht werden:
- Die Bezugsgröße in der Sozialversicherung soll auf jährlich 40.740 € angehoben werden und die Bezugsgröße (Ost) auf 39.480 €.
- Die Versicherungspflichtgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung soll 66.600 € betragen.
- Die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung soll 59.850 € betragen.
- Für die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung ist eine Anhebung auf 87.600 € bzw. in Ostdeutschland auf 85.200 € vorgesehen. [kk]
[4] Vorübergehende Verlängerung der Reinvestitionsfristen im Fall der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR durch BMF-Schr. IV C 6 – S 2138/19/10002:003 v. 20.9.2022: Die Fristen in R 6.6 Abs. 4 Satz 3 bis 6, Abs. 5 Satz 5 und 6 sowie Abs. 7 Satz 3 und 4 EStR verlängern sich jeweils um drei Jahre, wenn die Rücklage ansonsten zum Schluss des nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wj. aufzulösen wäre. Die genannten Fristen verlängern sich um zwei Jahre, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wj. aufzulösen wäre. Sie verlängert sich um ein Jahr, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 1.1.2023 endenden Wj. aufzulösen wäre. Die Regelung ersetzt das BMF-Schr. v. 15.12.2021, BStBl. 2021 I, 2475. [kk]
[5] Der BFH hat sich mit Urt. IX R 22/19 v. 3.5.2022 grundsätzlich dazu geäußert, wie die AfA nach entgeltlichem Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, deren Vermögen hauptsächlich aus bebauten Grundstücken besteht, zu berechnen ist. Es erfolgt nach dieser Entscheidung eine strikte Bruchteilsbetrachtung. Die AfA berechnet sich so, wie sie sich ergäbe, wenn der Anteilserwerber (bezogen auf seine Quote) die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft unmittelbar entgeltlich erworben hätte. Es erfolgt eine zweistufige Einkünfteermittlung dergestalt, dass zunächst die Einkünfte steuerlich unabhängig vom entgeltlichen Anteilserwerb zugeordnet werden. Sodann ist die auf den Anteilserwerber entfallende AfA zu eliminieren und für ihn eine völlige Neuberechnung der als Werbungskosten abzugsfähigen AfA vorzunehmen, die sich nach den Anschaffungskosten (und Anschaffungsnebenkosten) der Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens und der neu festzulegenden Restnutzungsdauer bemisst. Bei Gebäuden bestimmt sich die Restnutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 EStG. Bei der AfA-Berechnung muss eine neue Aufteilung der Anschaffungskosten auf das Gebäude und den Grund und Boden nach Maßgabe der aktuellen Wertverhältnisse erfolgen. Die anteilig übernommenen Gesellschaftsschulden erhöhen die Anschaffungskosten, soweit sie den anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens direkt zugeordnet werden können. Die Anschaffungskosten des Anteilserwerbers sind, soweit sie den Buchwert der erworbenen Beteiligung übersteigen, den anteilig miterworbenen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens (Gesamthandsvermögens) nach dem Verhältnis der in ihnen ruhenden stillen Reserven zuzuordnen.
Anm.: Aus der Urteilsbegründung ergibt sich, dass die Anschaffungskosten der anteilig miterworbenen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens (Gesamthandsvermögens) „in einem ersten Schritt nach dem Verhältnis ihrer Buchwerte zuzuordnen“ sind. Verbleiben danach über diesen sog. Buchwerten liegende Anschaffungskosten, sind diese im Verhältnis der stillen Reserven den anteiligen „Buchwerten“ zuzuordnen (es erfolgt also nicht die Zuordnung nach den anteiligen Verkehrswerten insgesamt). Erforderlich ist „eine Einzelbewertung jedes in Betracht kommenden Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs“. [kk]
[6] Auf Vorlage des BFH (s. kösdi 2021, 22141, Report Nr. 143) hat der EuGH mit Urt. C-98/21 v. 8.9.2022 (W-GmbH), DStR 2022, 1904, den Vorsteuerabzug einer geschäftsführenden (also unternehmerisch tätigen) Holdinggesellschaft aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit Sacheinlagen in Tochtergesellschaften versagt. Art. 168 Buchst. a MwStSystRL iVm. Art. 167 MwStSystRL erlaubt die Versagung des Vorsteuerabzugs für Leistungsbezüge, die in Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen an Tochtergesellschaften stehen, wenn die Holdinggesellschaft ihre Leistung an die Tochtergesellschaft gegen eine Beteiligung am allgemeinen Gewinn einlegt. Voraussetzung für die Versagung des Vorsteuerabzugs ist, dass (a) die bezogene Eingangsleistung nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holdinggesellschaft steht, sondern mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaft, (b) diese Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und (c) diese Leistungen nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft gehören. [kk]