Übertragung eines Miteigentumsanteils an Minderjährige – Lediglich rechtlich vorteilhaft?
Die lebzeitige unentgeltliche Übertragung einer Immobilie von Eltern an ihre Kinder ist eine in der Nachfolgeplanung häufig zu erwägende Gestaltungsoption, um zB die Erbschaft- und Schenkungsteuerfreibeträge optimal zu nutzen. Sind die Kinder minderjährig und beschränkt geschäftsfähig (d.h. zwischen sieben und 18 Jahren, vgl. § 106 BGB), stellt sich in der Praxis die Frage, ob die Kinder bei Abschluss des Übertragungsvertrags zugleich von ihren Eltern vertreten werden können oder ein sog Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Dies entscheidet sich letztlich danach, ob das Geschäft für die beschränkt geschäftsfähigen Kinder lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB ist:
- Ist das Geschäft gemäß § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft, können die Eltern auf Veräußererseite zugleich das minderjährige Kind auf Erwerberseite gem. §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB vertreten. Der Ausschluss der Vertretungsmacht nach § 1824 Abs. 1 BGB tritt nicht ein.
- Ist das Geschäft hingegen für den Minderjährigen rechtlich nachteilhaft, sind die Eltern von der Vertretung des Kindes auf Erwerberseite wegen einer möglichen Interessenkollision gem. §§ 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 2, 181 BGB ausgeschlossen. Es ist dann gem. § 1809 Abs. 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen, der die Auflassung genehmigt. Mit der Genehmigung durch den Ergänzungspfleger wird die Auflassung rückwirkend wirksam, vgl. § 184 Abs. 1 BGB.
Ob ein Geschäft rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB richtet sich im Kern danach, ob es zu einer Gefährdung des Vermögens des Minderjährigen kommt, vgl. Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2021, § 107 Rz. 39. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2005 hat der BGH entschieden, dass die Übereignung eines Grundstücks an einen Minderjährigen rechtlich vorteilhaft ist, auch wenn das Kind für die Erfüllung seiner auf öffentlichem Recht beruhenden Abgabeverpflichtungen nicht nur dinglich, sondern auch mit seinem persönlichen Vermögen haftet, vgl. BGH-Beschl. V ZB 13/04 v. 25.11.2004, BGHZ 161, 170.
In einer aktuellen Entscheidung vom 18.4.2024 (Az.: V ZB 51/23) hat der BGH nun – aufbauend auf die vorgenannte Entscheidung aus dem Jahr 2005 – entschieden, dass es für die Prüfung der rechtlichen Vorteilhaftigkeit des Geschäfts nach § 107 BGB keinen Unterschied macht, ob Alleineigentum an einem Grundstück oder ein Miteigentumsanteil übertragen wird.
Sachverhalt:
Ein Vater übertrug mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 20.12.2022 das in seinem Alleineigentum stehende Grundstück schenkweise zu je hälftigem Miteigentum an seine Kinder. Die Kinder wurden bei der Übertragung des Grundstücks durch ihre Eltern vertreten, zu deren Gunsten zugleich die Eintragung eines lebenslangen Nießbrauchs bewilligt wurde.
Das Grundbuchamt hat die beantragte Eintragung der Rechtsänderung jedoch mit Zwischenverfügung von der Genehmigung der Auflassung durch einen für jedes Kind noch zu bestellenden Ergänzungspfleger abhängig gemacht.
Das KG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück und ging davon aus, dass der Erwerb der Miteigentumsanteile durch die Kinder wegen der Verpflichtungen, die mit dem Eintritt in eine Bruchteilsgemeinschaft verbunden sind (insbesondere die Lastentragung nach § 748 BGB), rechtlich nachteilhaft ist. Das KG zog dabei Parallelen zum unentgeltlichen Erwerb einer Eigentumswohnung, bei der der Erwerber nicht nur einen Vermögensgegenstand erwirbt, sondern wegen der Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft auch persönlich haftet, vgl. KG-Beschl. 1 W 93/23 v. 1.8.2023, ZEV 2024, 185.
Entscheidung des BGH:
Der BGH folgte dieser Argumentation nicht und erachtete die Übertragung des elterlichen Miteigentumsanteils an einem nicht vermieten oder verpachteten Grundstück auf sein minderjähriges Kind als lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB.
Nach Auffassung des BGH ist nicht zwischen der Übertragung des Alleineigentums an einem Grundstück und der Übertragung eines Miteigentumsanteils bei der Prüfung des § 107 BGB zu differenzieren. Die persönlichen Verpflichtungen der das Grundstück erwerbenden Kinder als Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB), die insbesondere zur Verpflichtung zur Lastentragung nach § 748 BGB führt, stellen keinen rechtlichen Nachteil im Sinne von § 107 BGB dar. Auch sei der Erwerb eines Miteigentumsanteils nicht mit der Sachlage bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen vergleichbar.
Die vom Grundbuchamt geforderte Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger sei daher nicht erforderlich gewesen.
Praxishinweis:
Die Entscheidung zeigt, dass vor einer Übertragung von Grundstücken an Minderjährige stets die zivilrechtliche Frage der rechtlichen Vorteil- oder Nachteilhaftigkeit des Rechtsgeschäfts zu bedenken ist. Ansonsten kann es durch die verweigerte Eintragung der minderjährigen Kinder in das Grundbuch durch das Grundbuchamt zu ungewollten Verzögerungen kommen. Zu beachten ist ferner, dass sich die Entscheidung nur auf die Übertragung von Miteigentumsanteilen an nicht vermieteten oder verpachteten Grundstücken bezieht; der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass bei der Übertragung von vermieteten oder verpachteten Grundstücken kein rechtlicher Vorteil im Sinne des § 107 BGB vorliegt und ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Bestätigt wird ferner, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung rechtlich nachteilhaft ist. Diese Leitlinien gilt es demnach in der Nachfolgeplanung zu beachten, wenn es um die Beurteilung der rechtlichen Vorteilhaftigkeit im Sinne von § 107 BGB geht.
Weiterführender Hinweis:
Zur Schenkung von Gesellschaftsanteilen an Minderjährige nach dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (VBRRRefG), MoPeG und der neuen Zivilrechtsprechung siehe die aktuelle kösdi-Ausgabe 8/2024, vgl. Bodden, kösdi 2024, 23868,
Verfasst von:
Jacob Eisenreich
Wissenschaftlicher Mitarbeiter