[1] Mit dem außergewöhnlich umfangreich begründeten Urt. IV R 24/20 v. 5.9.2023 hat der BFH seine Rspr. bestätigt: (a) Die Beteiligung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (hier: GbR) an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft führt zu einer Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG. Dadurch werden sämtliche Einkünfte gewerblich. Anders als bei der Seitwärtsabfärbung besteht keine Bagatellgrenze; sie sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Der in § 52 Abs. 32a EStG 2007 angeordnete zeitliche Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG 2007, der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG fortwirkt, verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. (b) Die an der Mitunternehmerschaft beteiligte vermögensverwaltende Gesellschaft wird durch die Aufwärtsabfärbung nicht zu einem Gewerbebetrieb iS des GewStG. (c) Klargestellt hat der BFH, dass dies für die Vergangenheit nach § 41 AO auch für Zeiträume gilt, in denen zivilrechtlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht Kommanditistin sein konnte, entgegen den Anmeldungen zum Handelsregister, das die Gesellschafter der GbR als Kommanditisten auswies, die Beteiligten eine Beteiligung der GbR an der Kommanditgesellschaft herbeiführen wollten und tatsächlich praktiziert haben.
Anm.: Nach geltendem Recht kann bekanntlich eine GbR Kommanditistin sein, so dass insoweit die im Streitfall vorliegende Problematik nicht mehr auftritt. Die Aufwärtsabfärbung ohne Bagatellgrenze wird ungeachtet der sorgfältigen Begründung nicht jeden überzeugen (abzuwarten bleibt, ob eine Verfassungsbeschwerde erhoben wird). In der Beratungs- und Gestaltungspraxis wird man jedoch davon auszugehen haben, dass in diesem Punkt die Würfel gefallen sind. Das Gleiche gilt dafür, dass die Aufwärtsabfärbung nicht zur Gewerbesteuerpflicht führt. Der BFH hat die einkommensteuerrechtliche und verfassungsrechtliche Würdigung der Aufwärtsabfärbung ua. entscheidend darauf gestützt, dass keine Gewerbesteuerpflicht entsteht. Deshalb wird die FinVerw. ihren Nichtanwendungserlass diesbezüglich nicht aufrechterhalten können. [kk]
[2] Der BFH hat über eine intensiv diskutierte Streitfrage entschieden: Ein in der Krise stehengelassenes Gesellschafterdarlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG (nur) mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten, Urt. IX R 21/21 v. 18.7.2023, mit dem der BFH außerdem klargestellt hat, dass der nach § 17 EStG nicht abziehbare Verlust aus dem Ausfall eines stehengelassenen Gesellschafterdarlehens nicht nach § 20 EStG zu berücksichtigen ist, soweit der Darlehensverlust vor dem 31.12.2008 eingetreten ist. [kk]
[3] Der Bauleiter eines international tätigen Bauunternehmens war zwar mit dem „Einstellungsort“ Z, an dem das Bauunternehmen eine feste Einrichtung unterhielt, eingestellt worden, nicht jedoch speziell mit der Maßgabe, dass er in dem auf dem Betriebsgelände befindlichen Gebäude tätig sein sollte. Wie durch Zeugenaussage nachgewiesen worden ist, war er für Tätigkeiten auf den jeweiligen Baustellen eingestellt worden und hat im Bürogebäude der Arbeitgeberin keine nennenswerten Arbeiten durchgeführt. Der BFH entschied mit Urt. VI R 27/21 v. 14.9.2023, er habe keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG unterhalten, so dass die Fahrten mit seinem Dienstwagen von der Wohnung aus nach Z kein Arbeitslohn waren und er die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand nach Maßgabe der Abwesenheit von der Wohnung absetzen konnte. In dem Leitsatz des Urt. fasst der BFH zusammen: Eine (stillschweigende) Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt sich nicht allein daraus, dass der Arbeitnehmer die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung als überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt. [kk]
[4] Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland war nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der im Jahr 2013 geltenden Fassung nur im Einzelfall zu prüfen, ob und ggf. welche Unterkunftskosten notwendig sind (gegen BMF-Schr. v. 25.11.2020, BStBl. 2020 I, 1228, Rz. 112). Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung abzugsfähig, BFH-Urt. VI R 20/21 v. 9.8.2023, entschieden zum Fall eines deutschen Botschafters, dem Wohnungen mit Flächen von 249,22 qm bzw. 185,62 qm zugewiesen worden sind, für die er eine Dienstwohnungsvergütung zu zahlen hatte. [kk]
[5] Ein Kreditinstitut hatte vermögende Privatkunden, die bei ihm Kapitaleinkünfte erzielten, überdies Investitionen in Wertpapiere tätigten und bei ihm Kredite aufgenommen hatten, zu zwei Veranstaltungen eingeladen, nämlich eine Schifffahrt mit Weinprobe und einem Golfturnier. Konkrete Produkte wurden nicht beworben; die Veranstaltungen dienten einer Aufrechterhaltung und Vertiefung der Kontakte. Der BFH entschied mit Urt. VI R 10/21 v. 9.8.2023, dass die Sachzuwendungen des Kreditinstituts an die Privatkunden nicht zu einer Pauschalversteuerung nach § 37b Abs. 1 EStG führen, weil dadurch bei den Kunden keine (nach § 20 EStG) steuerpflichtigen Einkünfte entstehen.
Anm.: In der Praxis werden, wie man Bemerkungen in entsprechenden Einladungen der Kreditinstitute entnehmen kann, die Sachzuwendungen bisher weitgehend der Pauschalversteuerung nach § 37b Abs. 1 EStG unterworfen. Dies ist unnötig. Die Kunden müssen keine Steuerpflicht der Zuwendungen befürchten. Inwieweit die Aufwendungen bei den Kreditinstituten steuerlich abzugsfähig sind, ist eine andere, unabhängig davon zu beurteilende Frage. [kk]