[1] Zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung geordneter Kreditzweitmärkte und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer sowie zur Änderung weiterer finanzmarktrechtlicher Bestimmungen (Kreditzweitmarkt-
förderungsgesetz) liegt eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/9782 v. 13.12.2023) vor. Auf deren Grundlage hat der Bundestag das Gesetz beschlossen, vgl. BR-Drucks. 656/23 v. 14.12.2023; der Bundesrat hat ihm am 15.12.2013 zugestimmt, vgl. BR-Drucks. 656/23 (Beschluss) v. 15.12.2023. Das Gesetz ist steuerlich insbes. deshalb von Bedeutung, weil „in letzter Minute“ einige Steuergesetzesänderungen aufgenommen wurden, die bisher das Wachstumschancengesetz vorsah. Nachdem dieses nicht mehr im Jahr 2023 verabschiedet werden kann, sind darin vorgesehene Gesetzesänderungen, die fristgebunden und unstreitig sind, in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz transplantiert worden. Betroffen ist insbes. das Vorziehen folgender, im Wachstumschancengesetz vorgesehener Regelungen:
- Änderungen der Zinsschranke nach § 4h EStG mit entsprechender Änderung von § 8a KStG. Der neu gefasste § 4h EStG ist erstmals für Wj. anzuwenden, die nach dem Tag des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestags beginnen und nicht vor dem 1.1.2024 enden.
- Sämtliche im Wachstumschancengesetz vorgesehenen Anpassungen an das MoPeG sind in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz übernommen worden. Das betrifft zB die Definition der Körperschaftsteuersubjekte in § 3 KStG, die Änderung von § 8 Abs. 4 KStG, die Neuregelungen zum Begriff der Personenvereinigungen und Auslandskörperschaften in §§ 14a, 14b AO, die Generalvorschrift in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO (Fiktion, dass rechtsfähige Personengesellschaften für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen gelten), Vorschriften für Bekanntgabe von Bescheiden, Vorschriften über das Vollstreckungsverfahren gegen Personenvereinigungen, die Einspruchsbefugnis bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung, Regelung der Klageerhebung gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (§ 48 FGO), Definition der rechtsfähigen Personengesellschaften im Erbschaftsteuerrecht (§§ 2a, 10, 13b, 18 ErbStG).
- Von erheblicher praktischer Bedeutung ist, dass die für das GrEStG in § 24 GrEStG-Entw. vorgesehene Übergangsregelung, der zufolge rechtsfähige Personengesellschaften für Zwecke der GrESt. als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen gelten, für die Zeit bis zum 31.12.2026 gilt (Art. 36 Abs. 5 Kreditzweitmarktförderungsgesetz; bisher war im Wachstumschancengesetz die Anwendung der Regelung nur für ein Jahr vorgesehen).
- Die Vorschriften zur Besteuerung der sog. Dezemberhilfe (§§ 123 bis 126 EStG) werden aufgehoben. [kk]
[2] Die Anwendung der Zinsabzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 4a EStG erfolgt strikt betriebsbezogen. Das gilt auch für mehrstöckige Personengesellschaftsstrukturen, so dass zB bei einer mehrstöckigen Mitunternehmerschaft die Entnahme des Gewinnanteils bei der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft eine Entnahme der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft ist. Eine „konzernübergreifende“ Anwendung der Zinsabzugsbeschränkung lehnt der BFH (wie die FinVerw.) ab. Mit Urt. IV R 8/21 v. 27.9.2023 hat der BFH außerdem entschieden, die Übertragung eines Gewinns nach § 6b EStG auf einen anderen Rechtsträger führe mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts (unabhängig von der buchtechnischen Handhabung) für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu einer – überentnahmemindernden – Einlage beim übertragenden Rechtsträger. [kk]
[3] Falls die Satzung einer Organgesellschaft für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell eine qualifizierte Mehrheit vorsieht, muss der Organträger über eine entsprechende qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte verfügen, um die Voraussetzungen für die erforderliche finanzielle Eingliederung iS des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG zu erfüllen, BFH-Urt. I R 50/20 v. 9.8.2023.
Anm.: Im Streitfall war die Klägerin an der Tochtergesellschaft zu 79,8 % beteiligt. Die Satzung der Tochtergesellschaft sah generell vor, dass Beschlüsse eine Mehrheit von 91 % der Stimmen erfordern. Deshalb lag nach dem Verständnis des BFH keine finanzielle Eingliederung vor. Offen gelassen hat der BFH, ob eine qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte auch dann erforderlich ist, wenn sie nur für einen Teil der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung geregelt ist. Unter Rz. 26 der Urteilsbegründung hat der BFH unter Hinweis auf die unterschiedlichen Meinungen im Fachschrifttum angemerkt: „Jedenfalls dürften satzungsmäßige qualifizierte Mehrheitserfordernisse für außerordentliche Beschlüsse (z.B. Satzungsänderungen oder Umwandlungen) grundsätzlich keine Rolle spielen.“ [kk]
[4] Der BFH hat im Urt. I R 26/19 v. 9.8.2023 die Frage erörtert, ob eine dahingehende unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 14 ff. KStGerforderlich ist, dass Verluste ausländischer Tochter-Kapitalgesellschaften, die die inländische Mutter-Kapitalgesellschaft trägt, mit deren inländischen Einkünften verrechenbar sind, die Beurteilung aber offengelassen. Eine etwaige grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft würde jedenfalls voraussetzen, dass die „Organschaft“ zuvor in dem Sinne faktisch „gelebt“ worden ist, dass die von der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Verluste von der Muttergesellschaft nach den Vorgaben der anzuwendenden nationalen Regelung tatsächlich getragen worden sind. Daran fehlte es im Streitfall.
Anm.: Die Klägerin – eine inländische GmbH – war alleinige Gesellschafterin einer französischen s.a.r.l. mit Sitz in Frankreich. Sie unterhielt mit der Tochtergesellschaft Geschäftsbeziehungen und belieferte sie mit Waren. Die s.a.r.l. erzielte dauerhaft Verluste, stellte deshalb ihren Geschäftsbetrieb ein und wurde im Jahr 2012 nach französischem Recht auf die Muttergesellschaft verschmolzen. Die laufenden Verluste der Tochtergesellschaft wurden im wirtschaftlichen Sinne dadurch übernommen, dass die Klägerin ihre Warenlieferungen auf Kreditbasis erbrachte. Sie schrieb die uneinbringlichen Forderungen und auch die Anschaffungskosten für die Beteiligung ab. Eine Vereinbarung, die einem Gewinnabführungsvertrag iS des § 14 AStG entspricht, lag nicht vor. [kk]
[5] Der BFH hatte sich in dem umfangreich begründeten
Urt. I R 54/19 v. 9.8.2023 mit der Frage zu befassen, inwieweit eine Produktionsverlagerung durch eine inländische GmbH (die Klägerin) auf eine ausländische Schwesterkapitalgesellschaft in Bosnien-Herzegowina Einkünftekorrekturen bei der deutschen Gesellschaft erfordert, und zwar etwaig nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wegen des Vorliegens einer vGA oder nach § 1 AStG. Außerdem war darüber zu entscheiden, ob die Verlagerung des Geschäfts mit einem Geschäftspartner, der nicht mehr kostendeckend von Deutschland aus beliefert werden konnte, auf die Schwestergesellschaft als Funktionsverlagerung zu einer vGA oder Einkünftekorrektur nach § 1 AStG führte. Der BFH entschied:
- (a) Nach der aktuellen Gesetzeslage tritt § 1 Abs. 1 AStG gegenüber anderen Einkünftekorrekturen (zB nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) grundsätzlich zurück und kommt nur dann und insoweit zur Anwendung, als die andere Norm in geringerem Umfang Einkünftekorrekturen anordnet.
- (b) Bei der Beurteilung kann eine Gesamtbetrachtung einzelner Geschäftsvorfälle sachgerecht sein, wenn eine Trennung der Vorgänge dem wirtschaftlichen Gehalt des Geschehens nicht gerecht würde. Die Gesamtbetrachtung ist im Streitfall geboten, weil die Klägerin der Schwestergesellschaft Material in Gestalt von Lieferungen beigestellt hatte, das die Tochtergesellschaft bearbeitet hat, um sodann die daraus entstandenen Produkte zurückzuliefern.
- (c) Im Streitfall ist es – mangels vorliegender Vergleichspreise – sachgerecht, die angemessenen Preise für die durch die ausländische Gesellschaft produzierten Produkte unter Zugrundelegung der Kostenaufschlagsmethode unter Ausklammerung des beigestellten Materials zu bewerten.
- (d) Der Einbezug von Plankosten ist am ehesten geeignet, der bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen anzuwendenden sog. ex-ante-Betrachtung Rechnung zu tragen.
- (e) Zur Berücksichtigung von Standortvorteilen ist zunächst deren Umfang zu bestimmen und anhand der jeweiligen Funktionen, Risiken, eingesetzten Wirtschaftsgüter und realistisch verfügbaren Handlungsalternativen eine Aufteilung vorzunehmen.
- (f) Eine Funktionsverlagerung hat der BFH im Streitfall nicht angenommen, davon ausgehend, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 der Funktionsverlagerungsverordnung voraussetzt, dass die Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens ist, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerrechtlichen Sinne vorliegen muss. Sie setzt aber voraus, dass die Produktion für einen Kunden als eigenständige Produktion im Unternehmen und damit als organischer Teil des Unternehmens angesehen werden kann.
Anm.: Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, das unter Berücksichtigung der vom BFH dargelegten Rechtsgrundsätze weitere Ermittlungen durchführen muss. Insbesondere geht es bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode um die Höhe des anzuerkennenden Gewinnaufschlagsatzes. [kk]
[6] Bedeutsame Klarstellung zum steuerschädlichen Verwaltungsvermögen: Der BFH legt mit Urt. II R 49/21 v. 13.9.2023 § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG dahingehend aus, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln iS von § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und das nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit iS des § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG dient, für den dort verankerten sog. 90 %-Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schulden mit den Finanzmitteln zu verrechnen sind.
Anm.: Die Brisanz des 90 %-Einstiegstests verringert sich durch diese Gesetzesauslegung deutlich. [kk]