Abziehbarkeit von Gewinnabschöpfungen – FG Münster 4 K 1382/29 G,F v. 18.12.2023
Das FG Münster hat sich mit Urteil vom 18.12.2023 (Az.: 4 K 1382/20 G,F) mit der Frage befasst, ob aufgrund einer Auflage gem. § 153a StPO gezahlte bzw. noch zu zahlende Geldbeträge unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG fallen.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft, der von der Bezirksregierung der Betrieb einer Biogasanlage mit einer elektrischen Leistung von 330 kW genehmigt wurde. Durch Zuschaltung eines zweiten Motors überschritt die Klägerin in den Jahren 2006 bis 2009 diesen Grenzwert, wofür die beiden Gesellschafter der Klägerin wegen des unerlaubten Betreibens einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürften Anlage (§ 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB) angeklagt wurden. Nach Berechnung der Stadtwerke, dass die Klägerin für die „überproduziert“ eingespeiste Energie Erträge i. H. v. insgesamt 170.412 Euro unberechtigterweise erlangt habe.
Das eingeleitete Strafverfahren wurde vom Landgericht nach § 153a Abs. 2, 1 StPO zunächst vorläufig und – nachdem die Gesellschafter die Geldauflage i.H. von 170.000 EUR vollständig entrichtet hatten – endgültig eingestellt. In dem Einstellungsbeschluss des LG findet sich die dahingehende (später ergänzte) Aussage, dass die Höhe der Geldbeträge sich an dem illegal erlangten Erlös orientiere und allein der Gewinnabschöpfung diene.
Entgegen dem klägerischen Begehren berücksichtigte der Beklagte die Geldauflagen nicht als Betriebsausgaben, da diese unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG fielen. Die Zahlungen hätten zum Ziel, die Strafverfahren einzustellen und dem Grunde nach strafähnlichen Charakter, der in der Egalisierung des illegal erwirtschafteten Erlöses zum Ausdruck komme.
Entscheidungsgründe:
Das FG Münster hat der Klage stattgegeben. Nach § 12 Nr. 4 EStG können Geldstrafen und vergleichbare Rechtsnachteile wegen einer Straftat nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH greift das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG jedoch nur bei Auflagen und Weisungen, die als strafähnliche Sanktion die Aufgabe hätten, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fallen dagegen nicht unter das Abzugsverbot und sind nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig. Für die Entscheidung, ob es sich bei Zahlungen um Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO (Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 4 EStG) oder um Zahlungen gem. § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens (kein Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 4 EStG) handle, komme es auf den Inhalt des betreffenden Gerichtsbeschlusses und die objektiven Gegebenheiten an. Das FG würdigt den Gerichtsbeschluss und die diesbezügliche Verfahrensgeschichte und kommt zu dem Ergebnis, dass die geleistete Geldauflage der Gewinnabschöpfung und dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen diente. Ein Strafcharakter konnte das FG nicht feststellen. Die geleistete Geldauflage ist daher gewinnmindernd als Betriebsausgabe abziehbar.
Steuerstrafrechtliche Einordnung:
Der Entscheidung des FG Münsters zum Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG ging kein steuerstrafrechtliches Verfahren voran. Der § 153a StPO kommt jedoch auch in steuerstrafrechtlichen Verfahren häufig zur Anwendung. Die Auflage besteht dann regelmäßig in der Zahlung eines Geldbetrages an die Staatskasse nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO. Diese Geldauflagen unterliegen jedoch grundsätzlich dem Abzugsverbot, vgl. BFH-Urt. VI R 47/06 v. 22.7.2008, BStBl. 2009 II, 151. Anders ist hingegen die Anordnung einer Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1 StGB zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist davon auszugehen, dass diese Rechtsfolge der Tat keinen überwiegenden Strafcharakter hat, vgl. BFH-Urt. X R 23/12 v. 14.5.2014, BStBl. 2014 II, 684. Dadurch soll eine Übermaßbesteuerung verhindert werden, zu der es kommen könnte, wenn zunächst der Vermögensvorteil, den ein Steuerpflichtiger durch eine Straftat erlangt hat, vollständig abgeschöpft wird und anschließend der abgeschöpfte Vermögensvorteil im Rahmen der Besteuerung ohne Abzugsmöglichkeit in Ansatz gebracht wird. Stellt eine Zahlung an die Staatskasse sowohl eine Auflage gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO als auch eine Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1 StGB dar, sind die Beträge aufzuteilen. Hat es das Strafgericht unterlassen, die einzelnen Komponenten des Zahlungsbetrages aufzugliedern, so hat das erkennende Gericht im Schätzungswege jenen Betrag zu ermitteln, der auf die Vermögensabschöpfung entfällt und als Betriebsausgabe abgezogen werden kann, vgl. FG Niedersachsen Urt. 3 K 59/22 v. 29.6.2022, EFG 2023, 1629, Rev. BFH X R 6/23.