[1] Die Mehrheitsbeteiligung des alleinigen Kommanditisten einer GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH gehört nicht zum Sonderbetriebsvermögen II, wenn die GmbH neben ihrer Geschäftsführertätigkeit als Komplementär-GmbH für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält. Dies hat der BFH mit Urt. IV R 15/19 v. 21.12.2021 bestätigt und dabei klargestellt: (a) Ein Geschäftsbetrieb von „nicht ganz untergeordneter Bedeutung“ kann auch darin bestehen, dass die GmbH unter Einsatz von Mitarbeitern eigenen Grundbesitz verwaltet und an verschiedenen anderen Personengesellschaften im Immobilienbereich (zT sog. Zebra-Gesellschaften) beteiligt ist. Die Erträge daraus gehören zur Geschäftstätigkeit, weil sämtliche Einkünfte einer GmbH gewerblich sind. (b) Dies gilt auch dann, wenn die Existenz der Zwei-Personen-GmbH & Co. KG von der Beteiligung der GmbH als Komplementärin abhängt (ob dies – wie die FinVerw. meint – überhaupt ein Kriterium für notwendiges Sonderbetriebsvermögen II ist, hat der BFH offengelassen). (c) Diese Grundsätze sind auch dann einschlägig, wenn zwischen der Komplementär-GmbH und der GmbH & Co. KG intensive Geschäftsbeziehungen bestehen (insoweit folgt der BFH ausdrücklich nicht der FinVerw.).
Anm.: Wegen der Klarstellungen ist die Entscheidung des BFH von erheblicher praktischer Bedeutung. Nochmals bestätigt hat der BFH, dass für die Zuordnung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens andere Grundsätze gelten als für die Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen II. Sonderbetriebsvermögen I hat der BFH ausgeschlossen. [kk]
[2] Der BFH hat das Gebot des rückwirkenden Teilwertansatzes nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG entgegen dem Gesetzeswortlaut teleologisch eingeschränkt: Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes iS des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt, Urt. XI R 43/20 v. 18.8.2021.
Anm.: Die Klägerin, eine GmbH, hatte mit Wirkung zum 31.12.2014 alle für den Betrieb des Gasnetzes in den betroffenen Kommunen erforderlichen Wirtschaftsgüter und Geschäftsbeziehungen zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG in eine GmbH & Co. KG eingebracht. Mit Wirkung zum 30.9.2015 veräußerte die Klägerin 51 % ihrer Anteile am Vermögen der GmbH & Co. KG an eine KG, an der acht Kommunen über Kapitalgesellschaften beteiligt waren. Der BFH hat darin keinen Nachversteuerungsfall gesehen. [kk]
[3] Ein angestellter Rechtsanwalt verfügte über eine Rentenanwartschaft beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Im Zuge einer Ehescheidung erfolgte eine interne Teilung der Versorgungsansprüche zugunsten der geschiedenen Ehefrau. Die dadurch eintretende Verminderung der Rentenanwartschaft hat der Kläger im Jahr 2014 durch zusätzliche Zahlung um die Hälfte wieder aufgefüllt. Der BFH hat die Zahlung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder vorweggenommene Werbungskosten nach § 22 EStG anerkannt, sondern darin Sonderausgaben iS von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gesehen (die sich wegen Ausschöpfung der Höchstbeträge nicht auswirkten), Urt. X R 4/19 v. 19.8.2021. [kk]
[4] Es ist umstritten, ob nach § 1 Abs. 5 AStG in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung Wirtschaftsgüter sog. personalloser Betriebsstätten entgegen der bisherigen Rechtslage dem Mutterunternehmen zuzurechnen sind und das Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu einer („passiven“) steuerentstrickenden fiktiven Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG führt. Der BFH hat in einem AdV-Verfahren ernstliche Zweifel an der diesbezüglichen Verwaltungsauffassung, wie sich aus dem Beschl. I B 44/21 (AdV) v. 24.11.2021 ergibt.
Anm.: Im Streitfall geht es um eine deutsche KG, die Windparks ohne Personal in Deutschland betreibt, deren Kommanditanteile eine dänische KG hält, deren Komplementärin eine dänische GmbH ohne Vermögensbeteiligung ist. Auch die dänische Gesellschaft beschäftigt kein Personal. Das gesamte Management obliegt deutschen Servicegesellschaften. In den Leitsätzen des Aussetzungsbeschlusses hat der BFH dies zum Ausdruck gebracht: (a) § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG lässt sich bei summarischer Prüfung nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre (gegen BMF v. 22.12.2016, BStBl. 2017 I, 182, Rz. 451). (b) Auch wenn der bisherigen Senats-Rspr. bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegt, ist ihr jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als maßgeblicher Zuordnungsparameter anzusehen ist (gegen BMF v. 26.9.2014, BStBl. 2014 I, 1258, Tz. 2.2.4.1). (c) Bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion ist eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen. [kk]
[5] In Gestalt des Urt. V R 4/21 (V R 42/17) v. 18.11.2021 ist die Anschlussentscheidung des BFH zum Urt. des EuGH C-802/19 v. 11.3.2021 (Firma Z), DStR 2021, 676 (besprochen in kösdi 2021, 22189, Report Nr. 206), ergangen. Es geht darum, ob Apothekenrabatte bei grenzüberschreitenden Arzneimittellieferungen durch eine Auslandsapotheke Entgeltsminderungen nach §§ 10, 17 UStG bzw. Art. 73, 90 MwStSystRL sind. Erwartungsgemäß entschied der BFH, ein Unternehmer könne für eine in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland keinen Anspruch auf Steuerminderung geltend machen. Gewährt der Unternehmer einem Endverbraucher anlässlich einer ersten Lieferung für eine an ihn erbrachte Leistung eine Aufwandsentschädigung, die der Endverbraucher zum verbilligten Bezug der Ware vom Unternehmer im Rahmen einer zweiten Lieferung verwendet, setzt sich die Bemessungsgrundlage für die zweite Lieferung aus der (um die Aufwandsentschädigung verminderten) Zahlung und dem Betrag der Aufwandsentschädigung zusammen. [kk]