Unionsrechtswidrigkeit der höheren Schenkungsteuer für die Errichtung einer ausländischen Familienstiftung
Das FG Köln hat in seinem Beschluss 7 K 217/21 v. 30.11.2023 europarechtliche Zweifel daran geäußert, ob einer in Liechtenstein ansässigen Familienstiftung das für inländische Familienstiftungen geltende sog. Steuerklassenprivileg im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer vorenthalten werden darf. Diese Frage hat das FG Köln dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zur Entscheidung vorgelegt. Das Aktenzeichen des Vorlageverfahrens beim EuGH lautet C-142/24.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine rechtsfähige Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in Liechtenstein. Die Stiftung wurde von einer in Deutschland lebenden Stifterin errichtet. Begünstigte der Stiftung sind die Stifterin sowie die Kinder und Enkelkinder der Stifterin. Mit der zur Errichtung eingereichten Schenkungsteuererklärung begehrte die Klägerin die Festsetzung der Schenkungsteuer unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 200.000 € sowie die Anwendung eines Steuersatzes von 19 % nach Steuerklasse I. Die Vorschrift über das sog. Steuerklassenprivileg gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, wonach sich der Steuersatz nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker richtet, sei erweiternd auch auf ausländische Stiftungen anzuwenden. Die nach dem Wortlaut der Vorschrift auf inländische Stiftungen beschränkte Begünstigung verstoße gegen die europäische Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 40 EWR-Abkommen.
Das beklagte Finanzamt setzte, unter Verweis auf die Gültigkeit der bisherigen Rechtslage, die Schenkungsteuer ohne Berücksichtigung des Steuerklassenprivilegs fest. Hiergegen richtet sich die Klage vor dem FG Köln.
Entscheidungsgründe:
Das FG Köln setzt das anhängige Verfahren aus und legt dem EuGH die Frage vor, ob die Beschränkung des Steuerklassenprivilegs in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auf inländische Familienstiftungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 40 EWR-Abkommen vereinbar ist. Das FG Köln führt aus, dass nach der nationalen Rechtslage eine Anwendung der Privilegierung des nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG steuerpflichtigen Erwerbs der im Inland ansässigen Stifterin ausscheidet, da es sich um eine ausländische Familienstiftung mit Sitz in Liechtenstein handelt.
Möglicherweise kann sich die Klägerin jedoch unmittelbar auf die in Art. 40 EWR-Abkommen i.V.m. Art. 63 und 65 AEUV gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit berufen und deshalb auch als ausländische Stiftung das Privileg des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG in Anspruch nehmen. Die Ausnahme von ausländischen Stiftungen aus dem Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG führt im Vergleich zu inländischen Stiftungen dazu, dass der ausländischen Stiftung ein Liquiditätsnachteil entsteht. Nach Auffassung des FG ist es zweifelhaft, ob diese Beschränkung des Kapitalverkehrs gerechtfertigt werden kann. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, könne nur wegen der Notwendigkeit der Gewährleistung eines kohärenten Steuersystems begründet werden. Der Gesetzgeber war bei Einführung der Inlandsbeschränkung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG bei Familienstiftungen wohl davon ausgegangen, dass die Vorteile, die das Steuerklassenprivileg gewährt, durch die Nachteile der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG kompensiert werden. Denn für ausländische Familienstiftungen hat der deutsche Gesetzgeber keine Möglichkeit, die Ersatzerbschaftsteuer zu erheben. Das FG Köln äußert jedoch Zweifel daran, ob dieses gesetzgeberische Ziel ausreicht, um eine von dem EuGH zur Annahme der Kohärenz geforderten direkten, persönlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem Steuerklassenprivileg und der Ersatzerbschaftsteuer zu bejahen.
Einordnung:
Die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Stiftungen bei der Anwendung des Steuerklassenprivilegs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist bereits seit längerem Gegenstand verschiedener Gerichtsverfahren und Abhandlungen in der Literatur, vgl. die Nachweise bei Stein, in: von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 15 Rz. 75. Das Hessische FG hat im Jahr 2019 entschieden, dass der Ausschluss von der Begünstigung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG europarechtlich unzulässig ist, vgl. FG Hessen Gerichtsbescheid 10 K 541/17 v. 7.3.2019, EFG 2019, 930. Das FG Hessen war in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Europarechtswidrigkeit des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG eindeutig und deswegen eine Vorlage an den EuGH nicht geboten sei. Das Revisionsverfahren gegen die Entscheidung des Hessischen FG vor dem BFH hat sich durch Zurücknahme der Revision seitens der Finanzverwaltung erledigt, vgl. BFH II R 25/19.
Anders als das Hessische FG hält der erkennende Senat des FG Köln die Unionrechtslage in Bezug auf die Anwendung des Steuerprivilegs in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auf liechtensteinische Stiftungen jedoch nicht für eindeutig und hat sich daher für eine Vorlage an den EuGH entschieden. Der EuGH wird die Frage der ggf. unionsrechtswidrigen Inlandsanknüpfung in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nunmehr einer endgültigen Klärung zuführen. In streitigen Verfahren ist gegenüber dem Finanzamt auf ein Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO hinzuwirken.
