Landeszuweisung aus strukturpolitischen Gründen kein Entgelt von dritter Seite
Der BFH hat sich mit Urteil XI R 13/21 vom 17.4.2024 zu der Frage geäußert, ob Landeszuweisungen an eine Gemeinde zur Errichtung einer Anlegebrücke für den öffentlichen Fährverkehr ein Entgelt im umsatzsteuerrechtlichen Sinne oder einen sog. echten Zuschuss darstellt. Darüber hinaus trifft der BFH noch Aussagen zum umsatzsteuerrechtlichen Unternehmer-Begriff und bestätigt seine Rechtsprechung bezüglich des Adressaten des Umsatzsteuerbescheids bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde, auf deren Gebiet sich eine Anlegestelle für Fährschiffe einer von der X-GmbH betriebenen Fährlinie befindet. Die Anlegestelle kann über eine Anlegebrücke erreicht werden. Die Fährlinie ist Teil des ÖPNV. In den Jahren 2012 und 2013 ließ die Klägerin eine neue Anlegebrücke errichten, welche sie anschließend an die X-GmbH gegen Nutzungsentgelt vermietete. Das Nutzungsentgelt wurde zzgl. Umsatzsteuer erhoben. Die Kosten der Anlegebrücke sollten u.a. durch Zahlungen der Z-GmbH (nachfolgend: Landeszuweisung), der Landkreises K (nachfolgend: Kreiszuweisung), der Stadt A (nachfolgend: städtische Zuweisung) sowie durch eigene Mittel finanziert werden. Dabei vertrat die Z-GmbH das Bundesland und nahm die Erneuerung der Anlegebrücke in ihr Förderprogramm auf. Die Z-GmbH bewilligte den Antrag der Klägerin, sodass diese eine Landeszuweisung erhielt. Ausweilich des Bescheids der Z-GmbH hielt diese die Maßnahme nach Art und Umfang zur Steigerung der Attraktivität und zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse des ÖPNV für erforderlich. Dabei wurde die Landeszuweisung zweckgebunden zur Projektförderung vergeben und diente der anteiligen Deckung der notwendigen Ausgaben für die Erneuerung der Anlegebrücke. Zudem wurde durch die Z-GmbH auch Vorgaben bzgl. Nutzung der Anlegebrücke vorgegeben. Im Falle der zweckentfremdeten Nutzung der Landeszuweisung war ein Wertausgleich durch die Klägerin zu zahlen. Bereits zuvor bewilligte die K der Klägerin eine Kreiszuwendung mit der Bedingung, dass der zwischen der Klägerin und der X-GmbH noch zu schließende Nutzungsüberlassungsvertrag der K vorzulegen ist. Diese Bedingung diente dem Nachweis, dass die Anlegestelle im Rahmen des ÖPNV von der X-GmbH angelaufen und genutzt wird. Das Finanzamt verweigerte der Klägerin zunächst den Vorsteuerabzug für die Eingangsleistungen. Begründet wurde dies mit dem Umstand, dass aufgrund des niedrigen Kostendeckungsgrades (die Vermietung der Anlegebrücke gegen Entgelt ist nicht kostendeckend) der wirtschaftlichen Nutzung nur eine geringe Bedeutung zukomme. Die Klägerin sei daher nicht Unternehmerin im Sinne des UStG. Die finanzgerichtliche Klage hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Das Finanzgericht sah die Kläger zwar als Unternehmerin an, jedoch handele es sich bei der Kreiszuweisung – welche im gleichen Veranlagungszeitraum erfolgte – um einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch, wodurch diesbezüglich Umsatzsteuer anfalle. Deshalb sei im Ergebnis die Umsatzsteuer-Festsetzung nicht zu verringern. Im Anschluss an das erste Klageverfahren ging das Finanzamt davon aus, dass auch die Landeszuweisung als Entgelt von dritter Seite gem. § 10 Abs., 1 Satz 3 UStG zu behandeln ist. Denn es sei aufgrund des vorangegangenen Urteils unstreitig, dass zwischen der Klägerin und der K ein Leistungsaustausch vorliege. Die Landeszuweisung beziehe sich auf diesen Leistungsaustausch und erfolge deshalb im Interesse der K zur Stärkung des ÖPNV, für den K zuständig sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin erfolgreich mit ihrer zweiten Klage. Gegen das zweite Urteil des Finanzgerichts wendet sich das Finanzamt mit der Revision beim BFH.
Entscheidungsgründe:
Der BFH gab der Revision aus anderen als vom Finanzamt geltend gemachten Gründen statt. Zunächst bestätigt der BFH die Feststellung des Finanzgerichts, dass zwischen der Klägerin und K ein Leistungsaustausch vorgelegen habe. Insoweit sei die Auslegung durch das Finanzgericht revisionsfest, § 118 Abs. 2 FGO. Ebenfalls sei die Auffassung, die Landeszuweisung sei kein Entgelt von dritter Seite für eine Leistung der Klägerin an die K zutreffend. Das Finanzgericht begründet diese Ansicht damit, dass die Zahlung der Z-GmbH vorrangig zur allgemeinen Förderung aus strukturpolitischen Gründen (Förderung der Verkehrsinfrastruktur) erfolgt sei und die Verbindung zwischen der Errichtung der Anlegebrücke und der Zahlung eine bloße technische Anknüpfung darstelle. Diese Argumentation halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Argumentation des Finanzamtes, dass die Landeszuweisung preisauffüllenden Charakter für die Leistung an die K habe, weist der BFH mit der Begründung zurück, dass die K ihre Zuweisung vorab betragsmäßig festgelegt habe. Es war nicht vorgesehen, dass die Kreiszuweisung erhöht werde, wenn die Landeszuweisung nicht gezahlt worden wäre. Hätte die Z-GmbH keinen Zuschuss gezahlt, wäre die Finanzierung voraussichtlich gescheitert und die Klägerin hätte die Kreiszuweisungen an die K unverzüglich zurückzahlen müssen. Zudem führt der BFH aus, dass auch keine Leistung an die Z-GmbH und X-GmbH erfolgte. Anschließend stellt der BFH fest, dass die Klägerin, obwohl der Betrieb der Anlegebrücke defizitär ist, Unternehmerin ist. Denn es spiele keine Rolle, ob die Tätigkeit auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet sei. Die Revision ist aber begründet, da das Finanzgericht nicht geprüft hat, ob der Umsatzsteuerbescheid alle Ausgangsumsätze und Eingangsumsätze der Klägerin erfasse. Denn nach der Rechtsprechung des BFH unterhält eine juristische Person des öffentlichen Rechts umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen, so dass in dem ihr gegenüber zu erlassenden Umsatzsteuerbescheid alle ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten zu erfassen sind. Jedoch hat das Finanzamt sowohl den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid als auch die Einspruchsentscheidung nur auf die Tätigkeit der Anlegebrücke beschränkt.
Einordnung:
Das Urteil verdeutlicht den Grundsatz der Vollrevision, denn der BFH trifft zu vielen – von den Parteien als unstreitig angesehen – Punkten Aussagen, die zudem von hoher Praxisrelevanz sind. So befasst sich der BFH in diesem Urteil zunächst ausführlich mit der Problematik der Abgrenzung von nichtumsatzsteuerbaren Zuschüssen und steuerbaren Entgelt (von dritter Seite).. Zudem befasst sich der BFH mit dem Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht und stellt klar, dass eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist. Schließlich bestätigt der BFH seine Rechtsprechung in Bezug auf den Adressaten eines Umsatzsteuerbescheids an die juristische Person des öffentlichen Rechts. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Umsatzsteuerbescheid nicht an eine BgA der jPöR zu adressieren, sondern an die jPöR selbst, da diese Steuerschuldnerin und damit Inhaltsadressat ist.
Verfasst von:
Stefan Engels
Rechtsanwalt