[1] Die Europäische Kommission hat am 1.7.2022 beschlossen, die Einfuhr von Lebensmitteln, Decken, Zelten, Stromgeneratoren und anderen lebensrettenden Ausrüstungsgegenständen, die für vom Krieg betroffene Ukrainerinnen und Ukrainer bestimmt sind, vorübergehend von Eingangsabgaben und MwSt. zu befreien. Die Befreiung soll für Waren gelten, die von staatlichen Organisationen (öffentliche Einrichtungen und Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Krankenhäuser, Regierungsorganisationen, Regionalregierungen, Gemeinden, Städte usw.) und von in den Mitgliedstaaten anerkannten Organisationen der Wohlfahrtspflege eingeführt und abgegeben werden, und zwar soll die Maßnahme rückwirkend ab dem 24.2.2022 bis zum 31.12.2022 greifen, Pressemitteilung der EU-Kommission v. 1.7.2022. [kk]
[2] Einer Pressemitteilung v. 29.6.2022 zufolge, die auf der Homepage des BMF veröffentlicht ist, will die Bundesregierung durch ein Zukunftsfinanzierungsgesetz Maßnahmen zur Modernisierung des Kapitalmarkts und zur Erleichterung des Kapitalmarktzugangs für Unternehmen, insbesondere Startups, Wachstumsunternehmen und KMU, treffen. Es handelt sich nach einem Eckpunktepapier neben zahlreichen Gesetzesänderungen im Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht um folgende steuerrechtliche Erleichterungen: (a) Für Veräußerungsgewinne aus Aktien im Privatvermögen sollen Steuerfreibeträge eingeführt werden (die Höhe wird nicht genannt). Außerdem sollen die bisherigen Restriktionen beim Verlustausgleich beseitigt bzw. verringert werden. (b) Der Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen nach § 3 Nr. 39 EStG soll von 1.440 € auf 5.000 € erhöht werden. (c) Die aufgeschobene Besteuerung der geldwerten Vorteile aus Vermögensbeteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gem. § 19a EStG soll ausgeweitet werden. (d) Schließlich soll die Arbeitnehmer-Sparzulage bei der Anlage vermögenswirksamer Leistungen in Vermögensbeteiligungen erhöht und der Kreis der für diese Zulage Berechtigten erweitert werden. (e) Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll noch in der ersten Hälfte der Legislaturperiode in Kraft treten. [kk]
[3] Zwei natürliche Personen hielten jeweils 50 % der Anteile an der A-GmbH, B-GmbH und C-GmbH in ihrem steuerlichen Privatvermögen. Mit notariellem Vertrag v. 16.12.2004 bestellten sie an den Geschäftsanteilen der C-GmbH unentgeltlich einen Quotennießbrauch von 80 % zugunsten der A-GmbH; sämtliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, verblieben den Anteilseignern. Am selben Tag beschlossen die Gesellschafter für die B-GmbH eine Kapitalerhöhung um 1.000 €. Die neue Stammeinlage sollte durch Einbringung der (nunmehr nießbrauchbelasteten) Gesellschaftsanteile an der C-GmbH erfolgen; die Einbringung erfolgte mit gesonderter Vereinbarung und sofortiger Wirkung dergestalt, dass die B-GmbH die Geschäftsanteile zum Buchwert ansetzte; der über die Kapitalerhöhung hinausgehende Betrag wurde in die Kapitalrücklage der B-GmbH eingestellt. Noch im Jahr 2014 und im Jahr 2016 Jahr beschloss die C-GmbH Gewinnausschüttungen, die unmittelbar an die A-GmbH ausgezahlt wurden. Nach einer Bp. erblickten sowohl das FA als auch das FG in der direkten Auszahlung in Höhe des Quotennießbrauchs an die A-GmbH bei den Gesellschaftern vGA über nahestehende Personen. In parallel für die beiden Gesellschafter (als Klägerin bzw. Kläger bezeichnet) ergangenen Entscheidungen VIII R 29/18 v. 14.2.2022 und VIII R 30/18 v. 14.2.2022 hob der BFH die jeweiligen FG-Urteile auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurück. Dabei entschied der BFH grundsätzlich zur ertragsteuerlichen Beurteilung des zugewendeten Quotennießbrauchs an einem GmbH-Geschäftsanteil, die Gewinnausschüttungen seien dem Gesellschafter und nicht dem Nießbraucher zuzurechnen, wenn dem Nießbrauchberechtigten lediglich ein Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil eingeräumt wird, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere Stimmrechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.
Anm.: In den Streitfällen hat der BFH die Gewinnausschüttungen nicht dem Quotennießbraucher zugerechnet. Ob daraus bei der vorliegenden Konstellation eine vGA durch Vorteilszuwendungen an einen Nahestehenden entsteht, muss im zweiten Rechtsgang geklärt werden. Entscheidungserheblich wird dabei sein, ob die Einbringung der nießbrauchbelasteten GmbH-Anteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Gutschrift als Rücklage ein entgeltlicher Vorgang war, bei dem eine Bewertung der Anteile stattgefunden hat, und Leistung und Gegenleistung gegeneinander abgewogen worden sind. [kk]
[4] In zwei Anschlussentscheidungen zum Urt. des EuGH C-45/20 und C-46/20 v. 14.10.2021, HFR 2021, 1228, hat der BFH entschieden, dass die Zuordnung eines gemischt unternehmerisch und unternehmensfremd („privat“) genutzten Gegenstands zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen (das diesbezügliche Wahlrecht wurde bestätigt) zwar bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung objektiv erkennbar erfolgt sein muss, jedoch für die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörden erforderlich ist (diese gewinnt nur Bedeutung, wenn zuvor noch keine Zuordnungsentscheidung feststellbar ist).
(a) Urt. XI R 29/21 (XI R 7/19) v. 4.5.2022: Streitig war die Zuordnung einer Photovoltaikanlage, deren erzeugter Strom teilweise aufgrund eines Einspeisevertrags in das Stromnetz eines Netzbetreibers eingespeist und teilweise privat verbraucht wird, zum Unternehmensvermögen. Das FA und das FG verwehrten den Vorsteuerabzug, weil zunächst keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Erklärungen abgegeben wurden und eine Jahreserklärung unter Geltendmachung des Vorsteuerabzugs erst nach Ablauf der gesetzlichen Steuererklärungsfrist eingereicht worden ist. Der BFH hat den Vorsteuerabzug in vollem Umfang anerkannt, weil nach seinem Verständnis die maßgebliche Zuordnungsentscheidung unabhängig von Steuerdeklaration bis zum Ablauf der Steuererklärungsfrist erfolgte. Entscheidend sei, ob nach außen hin objektiv erkennbar Anhaltspunkte für die Zuordnung vorliegen. Die Tatsache, dass im Laufe des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben wurde, ein Vertrag mit dem Recht zum Weiterverkauf des gesamten von der Anlage erzeugten Stroms zuzüglich USt. abgeschlossen wurde, war ein Indiz dafür, dass der Stpfl. die Photovoltaikanlage rechtzeitig dem Unternehmen voll zugerechnet hat.
(b) Urt. XI R 28/21 (XI R 3/19) v. 4.5.2022: Es geht um die Zuordnung eines Büroraums zum Unternehmensvermögen im Zuge des Neubaus eines Einfamilienhauses bei einem Gerüstbauunternehmer. Dieser hat den Vorsteuerabzug erstmals in der nach Ablauf der Steuererklärungsfrist eingereichten Jahreserklärung geltend gemacht. Der BFH hat die Sache zurückverwiesen. Für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als „Arbeitszimmer“ in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird (zB wenn der Betrieb einen Büroraum benötigt, schon vor der Errichtung eines Gebäudes ein solcher Raum in der bisherigen Wohnung unterhalten wurde und die Absicht erkennbar ist, einen entsprechenden Raum im Neubau bereit zu halten). Ob im Streitfall die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG erforderliche Mindestnutzungsquote von 10 % erreicht war, muss im zweiten Rechtsgang noch geklärt werden.
Anm.: Ob sich die maßgebliche Frist zur Abgabe der Steuererklärung im Fall der Einschaltung Steuerberatender nach § 149 Abs. 3 AO idF des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016 aus Gründen der Gleichbehandlung bei allen Stpfl. verlängert (dagegen bisher Abschn. 15.2c Abs. 16 Satz 5 UStAE), hat der BFH als nicht entscheidungserheblich offengelassen. [kk]
[5] Eine land- und forstwirtschaftlich tätige GbR unterlag im Jahr 2021 der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Wegen Überschreitung der 600.000‑€-Jahresgrenze im Jahr 2021 muss sie für 2022 aufgrund Gesetzesänderung die Regelbesteuerung vornehmen. Für Leistungsbezüge im Jahr 2021, die zur Erzielung von Umsätzen im Jahr 2022 bestimmt sind (Aufwendungen für die Aufzucht weiblicher Kühe, die erstmals im Jahr 2022 abkalben), macht sie den Vorsteuerabzug geltend. Das Niedersächsische FG hielt dies mit Urt. 11 K 196/21 v. 5.5.2022 trotz § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG für gerechtfertigt, indem es die Vorschrift richtlinienkonform auslegte.
Anm.: Für diese Beurteilung spricht viel, so dass mit Interesse der Entscheidung des BFH im anhängigen Revisionsverfahren XI R 14/22 entgegenzusehen ist. In betreffenden Fällen sollten die betroffenen Leistungsbezüge im Jahr 2021 ermittelt und die Umsatzsteuerfestsetzungen offengehalten werden. [kk]
[6] Kinder als Erwerber eines Familienheims verlieren nach § 13 Abs. 1 Nr. c Satz 5 ErbStG die Steuerbefreiung, wenn sie das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzen, es sei denn, sie sind aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Zwingende Gründe idS liegen vor, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen allein reichen nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe sein, wenn sie dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen. Der BFH hat mit Urt. II R 18/20 v. 1.12.2021, nachdem das FA und das FG die Erkrankung ihrer Art nach nicht als zwingenden Grund anerkannten, die Sache zur weiteren diesbezüglichen Sachaufklärung zurückverwiesen, sich allerdings für eine enge Auslegung der Rückausnahme ausgesprochen.
Anm.: Die Klägerin erbte von ihrem Vater ein im Jahr 1951 erbautes Einfamilienhaus, in dem sie gemeinsam mit dem Vater wohnte und in dem sie nach der Erbfolge zunächst weiterhin das Obergeschoss nutzte. Innerhalb der Zehnjahresfrist zog sie aus; das Haus wurde bereits am Folgetag abgerissen. Als Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung nannte die Klägerin den außerordentlich schlechten Zustand des Gebäudes, das praktisch nicht mehr nutzbar gewesen sei, und ihren Gesundheitszustand (Bandscheibenvorfälle und ein Hüftleiden, das wegen einer Angststörung nicht operabel sei). Sie habe sich kaum mehr allein im Haus bewegen können und sei auch deshalb in eine nahegelegene angemietete Erdgeschosswohnung umgezogen. Der BFH sah den schlechten Bauzustand (der grundsätzlich behebbar gewesen wäre, auch wenn dies unwirtschaftlich war) nicht als zwingenden Grund an und die Erkrankung nur, wenn die weitere Sachaufklärung ergibt, dass die Klägerin deshalb in keiner Weise mehr in der Lage war, einen Haushalt in dem Familienheim zu führen. Was nach Eintritt des zwingenden Grundes mit der Immobilie geschieht, hält der BFH nicht für relevant, etwa ob das Gebäude abgerissen oder das Grundstück veräußert wird. [kk]
[7] Die für die Nichterhebung der GrESt. nach § 6 GrEStG maßgebliche Beteiligungsquote am Gesamthandsvermögen kann auch über eine mehrstöckige Beteiligung von Personengesellschaften vermittelt werden. Dabei ist jedoch im Fall von Treuhandverhältnissen der Anteil am Vermögen der Gesamthand grunderwerbsteuerlich dem Treuhänder zuzurechnen, nicht – wie etwa ertragsteuerrechtlich – dem Treugeber, Urt. des BFH II R 16/20 v. 12.1.2022.
Anm.: Soweit der BFH auch nach dem Wandel der Rspr. des BGH zur Teilrechtsfähigkeit einer GbR und der Beteiligung eines Gesamthänders über die Gesamthandsgemeinschaft an deren Vermögen im Zusammenhang mit §§ 5 und 6 GrEStG begrifflich noch an die „dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen“ angeknüpft hat, hält er nach Rz. 13 der Urteilsbegründung daran nicht mehr fest. [kk]
[8] Bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG aF ist das Grundstück einer Untergesellschaft der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn es die Obergesellschaft selbst aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Ein inländisches Grundstück „gehört“ einer Gesellschaft iS des § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der GrESt. unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist, BFH-Urt. II R 44/18 v. 1.12.2021. Wie der BFH unter Hinweis auf seine Rspr. und die hA in der Fachliteratur hervorgehoben hat, richtet es sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO, ob ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“. Maßgeblich ist vielmehr allein die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung. [kk]