Zulässigkeit einer Beschlagnahme nach einer rechtswidrigen Durchsuchungsanordnung – LG Nürnberg-Fürth 12 Qs 72/23
Das LG Nürnberg-Fürth hat sich in seiner Entscheidung vom 13.11.2023 (12 Qs 72/23) zu der Frage geäußert, ob ein Beweisverwertungsverbot für aufgrund eines rechtswidrigen Durchsuchungsbeschluss beschlagnahmte Gegenstände besteht.
Sachverhalt:
Die Steuerfahndung (Steufa) führte beim Beschwerdeführer eine Durchsuchung durch und stellte Unterlagen sicher. Der auf der Grundlage des § 103 StPO ergangene Durchsuchungsbeschluss wurde in einer vorgehenden Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth (12 Qs 57/23 v. 4.8.2023) für rechtswidrig erklärt und die Herausgabe der sichergestellten Asservate angeordnet.
Im Anschluss an diese Entscheidung beantragte die Bußgeld- und Strafsachenstelle beim AG Nürnberg eigenständig die Beschlagnahme der bereits sichergestellten Asservate. Gegen den Beschlagnahmebeschluss des Ermittlungsrichters beim AG Nürnberg legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein und trug vor, der Beschlagnahme stehe ein Beweisverwertungsverbot entgegen, weil der ursprüngliche Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig gewesen sei.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe:
Das LG Nürnberg-Fürth hat die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers meinte das LG, aus der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Durchsuchungsbeschlusses folge ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der sichergestellten Gegenstände. Daher dürften diese auch nicht beschlagnahmt werden.
Ein Beweisverwertungsverbot ist im Einzelfall gegeben, wenn aufgrund der Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften der festgestellte Verfahrensmangel zur Annahme eines Verwertungsverbots nötigt. Die Abwägung zwischen den gegenläufigen Interessen ergebe in diesem Einzelfall, dass das Interesse an der Verwertung der sichergestellten Unterlagen überwiege. Dabei sei in der Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, dass der Ermittlungsrichter bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ohne Weiteres einen ordnungsgemäßen Durchsuchungsbeschluss hätte erlassen können. Die Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung sei im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, solange kein besonders schwerwiegender oder willkürlicher Verstoß vorliegt.
Im zu entscheidenden Fall hätten sich bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses aus dem Verdachtsprüfungsvermerk der Steufa ausreichende Indizien ergeben, dass der Beschuldigte über mehrere Jahre in erheblichem Umfang im grenzüberschreitenden Gebrauchtwagenhandel tätig war und dabei erhebliche Umsätze generierte, die aber in deutlichem Kontrast zu den in den abgegebenen Erklärungen deklarierten niedrigen Einkünften standen. Dass der Ermittlungsrichter anstatt diese Umstände in einem selbst formulierten Durchsuchungsbeschluss zu referieren, den von der Steufa vorgefertigten, unzulänglichen Beschlussentwurf unterschrieben hat, war nach Auffassung des Gerichts zwar fehlerhaft aber nicht willkürlich. Insbesondere liege darin keine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts.
Anmerkung:
Die unzureichende Begründung ermittlungsrichterlicher Anordnungen und deren Auswirkung auf die Beweisverwertung im Strafprozessrecht ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. In der Literatur wird teilweise wegen fehlender Überprüfbarkeit ein umfassendes Beweisverwertungsverbot von Beweismitteln gefordert, die auf Grundlage unzureichend begründeter richterlicher Anordnung erzielt worden sind. Die Rechtsprechung hat ein allein auf die mangelhafte Begründung gestütztes Beweisverwertungsverbot bislang überwiegend verneint, außer es liege ein besonders schwerer Grundrechtsverstoß vor, vgl. zum Streitstand Tsambikakis, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 105 Rz. 145 m.w.N.
Das LG Nürnberg-Fürth ist der Linie der Rechtsprechungslinie gefolgt und hat eine Abwägung anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. In die Abwägung stellt das Gericht insbesondere zuungunsten des Beschwerdeführers ein, dass der Durchsuchungsbeschluss hypothetisch hätte rechtmäßig erlassen werden können. Einen besonders schwerwiegenden oder willkürlichen Verstoß, der einer bewussten Umgehung des Richtervorbehalts wertungsgemäß gleichzusetzen ist, konnte das Gericht nicht erkennen. Beachtet man jedoch, dass in dem Besprechungsfall der Ermittlungsrichter lediglich einen von der Steufa vorgefertigten Beschlussentwurf unterschrieben hat und eine eigene Sachprüfung aus dem Durchsuchungsbeschluss nicht zu erkennen war (vgl. dazu die Feststellung im Beschl. LG Nürnberg-Fürth 12 Qs 57/23 v. 4.8.2023, juris) ist dies nicht vollends überzeugend, vgl. dazu auch Beschl. LG Paderborn 02 KLs 3/19 v. 12.7.2021, NZWiSt 2021, 366, unter I.2.
Die Entscheidung macht deutlich, dass für die Annahme eines strafrechtlichen Beweisverwertungsverbots hohe Hürden gelten. Ob gegen eine rechtswidrige, nicht ordnungsgemäß begründete Durchsuchungsanordnung bzw. gegen die spätere Beschlagnahme der bei der (rechtswidrigen) Durchsuchung der sichergestellten Unterlagen ein Rechtsmittel eingelegt werden sollte, ist vom Strafverteidiger nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu prüfen.
Verfasst von:
Marc-Philipp Antoine
Rechtsanwalt