Rechtsprechung des BFH: Die Tätigkeit eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers kann nicht als „Sport- und Hochschulunterricht“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst i und j qualifiziert werden, BFH-Urt. v. 15.12.2021, XI R 3/20, DStR 2022,1428 (Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg Urt. v. 14.08.2019, 7 K 7342/16, EFG 2020, 1101
Der BFH hatte sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob der Kläger und Revisionskläger (nachfolgend „Kläger“) im Rahmen seiner Tätigkeit als Präventions- und Persönlichkeitstrainer im Streitjahr steuerfreie Umsätze ausgeführt hat.
Sachverhalt
Der Kläger ist Präventions- und Persönlichkeitstrainer und Mitglied des Vereins B. Seine Leistungen hat er u.a. an Schulen angeboten. Darüber hinaus lässt sich einem Ausdruck der Homepage entnehmen, dass der Kläger als „Teamleiter“ für neun weitere Kursleiter auftrat. Der Steuerberater des Klägers erklärte gegenüber dem FA, der Kläger werde wohl von den jeweiligen interessierten Eltern beauftragt. Die Rechnungen erstelle der Kläger gegenüber den jeweiligen Eltern. Er selbst erklärte gegenüber dem FA, dass die Abrechnung ggf. direkt mit den Eltern erfolge, ansonsten über die Schule. Der Kläger reichte für das Streitjahr eine Umsatzsteuererklärung ein. Darin erklärte er Leistungen zu 19 % in Höhe von … € und zu 7 % in Höhe von … €. Nach ca. drei Jahren beantragte der Kläger u.a. für das Jahr 2010 die Umsatzsteuerfestsetzung zu ändern, da seine Umsätze für Konfliktpräventionskurse an Schulen nach § 4 Nr. 21 b UStG steuerfrei seien. Das FA lehnte den Antrag ab. Der dagegen eingelegte Einspruch sowie die anschließende Klage blieben erfolglos. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Revision.
Gründe
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der ersten Instanz aufgehoben und die Sache an das FG Berlin-Brandenburg zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL ist u.a. der Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer befreit. Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ verweist allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen. Aus diesem Grund ist ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt, nicht von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erfasst, vgl. EuGH-Urt. C-449/17 (A & G Fahrschul-Akademie GmbH) v. 14.3.2019, BFH/NV 2019, 511.
Der BFH verneint aufgrund dieser Grundsätze für die streitgegenständlichen Präventionskurse eine Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, da es an der Qualifizierung als Schul- und Hochschulunterricht im Sinne dieser Vorschrift fehle. Darüber hinaus hat sich der BFH mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a und b UStG in Betracht kommt. Dies lehnte der BFH ebenfalls ab. Der Kläger habe weder vorgetragen noch sei ersichtlich, dass er selbst i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG als Ersatzschule genehmigt oder erlaubt worden sei. Mithin habe auch keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vorgelegen. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG fehle es am Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit.
Der BFH hat die Sache gleichwohl an das FG Berlin-Brandenburg mit der Begründung zurückverwiesen, dass dieses zu prüfen habe, ob nicht unter einem großzügigeren Begriffsverständnis von „Schul- und Hochschulunterricht“ in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL eine Befreiung in Betracht kommt. Darüber hinaus hat das FG Berlin-Brandenburg zu prüfen, ob sich eine Steuerbefreiung nicht aus dem Gesichtspunkt der „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“ (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) ergeben könnte.
Einordnung für das Gemeinnützigkeitsrecht
Die Umsatzsteuerbefreiung kam im Streitfall wegen des engen Wortverständnisses des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL nicht in Betracht. Ein Festhalten am engen Wortverständnis ist m.E. nicht sachgerecht. Die daraus resultierende Problematik lässt sich am Beispiel der Tätigkeit eines Nachhilfelehrers gut festmachen: Der Nachhilfelehrer erteilt ausschließlich in einem speziellen Unterrichtsfach Unterricht. Aufgrund des engen Wortverständnisses wäre diese Tätigkeit nicht vom Anwendungsbereich umfasst, da es sich in diesem Fall um einen spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht handeln würde. Dies dürfte wohl kaum mit der Vorschrift bezweckt sein.
Der BFH hat in seiner Entscheidung bereits angemerkt, dass es bei unionsrechtskonformer Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL prinzipiell ausreichen würde, wenn sich die Unterrichtseinheit des Privatlehrers auf Schul- und Hochschulunterricht beziehe. Es sei nicht erforderlich, dass die einzelne Unterrichtseinheit des jeweiligen Privatlehrers der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommen müsse.
Aufgrund des Umstandes, dass der BFH die Sache an das FG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen hat, ist die vorliegende Entscheidung für die Rechtspraxis jedenfalls nicht ganz uninteressant. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das FG Berlin-Brandenburg die rechtlichen Ausführungen des BFH in seine erneute Entscheidung einbinden wird.
Hinweis
Für die Beratungspraxis im Zusammenhang mit Tätigkeiten aus dem Bildungsbereich gilt jedenfalls, solange der Gesetzgeber keine Anpassung an das Unionsrecht und auch keine Begriffsklarstellung vornimmt, dürfte im Grundsatz die Anrufung der FG erforderlich bleiben. Es ist davon auszugehen, dass sich der BFH im Anschluss an die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg erneut mit der Sache befassen wird.