BVerfG: Überhöhte Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) vor dem Bundesfinanzhof (BFH) sind bekanntlich gering. Nach dem Jahresbericht des BFH für 2024 liegt der Erfolgsanteil bei den Nichtzulassungsbeschwerden bei 14 %. Grund dafür sind u.a. die hohen Anforderungen an die Begründung einer solchen Nichtzulassungsbeschwerde.
Das BVerfG hat nun mit Beschluss v. 21.2.2025 in dem Verfahren 1 BvR 2267/23 einer Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Bundesfinanzhofs stattgegeben, in dem dieser eine Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen hat. Das Verfassungsgericht entschied, dass der BFH dabei zu hohe Anforderungen an die Begründung der Beschwerde gestellt habe.
Hintergrund:
Im NZB-Verfahren vor dem BFH gegen eine erstinstanzliche Entscheidung, die in der Hauptsache die (erfolglose) Berücksichtigung eines Aufwandes aus einer Schuldübernahmeverpflichtung für eine Pensionszusage an ihren Geschäftsführer betraf, machte die Beschwerdeführerin u.a. die Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von Pensionsrückstellungen in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG geltend (Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Der BFH wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung zurück und bemängelte insbesondere das Fehlen einer hinreichenden Substantiierung des Verfassungsverstoßes. Er forderte, dass die NZB nicht nur Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm, sondern auch zu dem möglichen Umgang des BVerfG mit der verfassungswidrigen Norm enthalten müsse. Das BVerfG kann ein verfassungswidriges Gesetz nämlich für nichtig, aber auch lediglich für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären (§ 35 BVerfGG). Nach Auffassung des BFH hätte die Beschwerdeführerin darlegen müssen, dass im Fall der Verfassungswidrigkeit der Norm mit einer rückwirkenden Änderung des betreffenden Steuergesetzes zugunsten der Beschwerdeführerin zu rechnen ist.
Entscheidung des BVerfG:
Das BVerfG stellt fest, dass diese Forderung des BFH nach Ausführungen über den möglichen Umgang des BVerfG mit der möglichen Verfassungswidrigkeit der Norm gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstößt und die Auslegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO den Zugang zur Revision unzumutbar erschwert.
Von der Beschwerdeführerin würden Darlegungen zu in der Zukunft liegenden Umständen verlangt, deren Eintritt nicht vorherzusehen ist. Das BVerfG verlange eine solche Prognose nicht einmal von den nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegenden Richtern. Der BFH erwarte von den Rechtsschutzsuchenden ohne ersichtlichen Grund mehr als er selbst dem BVerfG zur Darlegung der Verfassungswidrigkeit schulde. Es müsse daher ausreichen, wenn dem Kläger des Ausgangsverfahrens die bloße Chance bleibt, eine für ihn günstigere Regelung zu erreichen.
Das BVerfG hat die ablehnende Entscheidung des BFH aufgehoben, der nun erneut über die Zulassung der Revision entscheiden muss.
Einordnung:
Die Entscheidung des BVerfG gibt Hoffnung, dass der BFH die überzogenen Anforderungen an die Begründung der NZB mit Blick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG zurückschraubt. Das BVerfG hat zudem in einem weiteren anhängigen Verfahren (Az.: 1 BvR 804/22), betreffend die Zurückweisung einer NZB des BFH (Az.: II B 49/21), mit der ein Verstoß der erbschafsteuerlichen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen gegen Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird, die Möglichkeit, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Gebot effektiven Rechtsschutzes im Zusammenhang mit den Zulassungsanforderungen nach §§ 115, 116 FGO weiter zu präzisieren. Eine Entscheidung hierzu soll laut BVerfG noch in diesem Jahr ergehen.
Bei der Erleichterung des Zugangs zum Rechtsschutz für die Steuerpflichtigen ist jedoch nicht nur der BFH, sondern auch – wenn nicht sogar an erster Stelle – der Gesetzgeber gefragt, die in §§ 115, 116 FGO geregelten Gründe und Darlegungsanforderungen zu überarbeiten. Entsprechende Reformvorschläge liegen vor, vgl. dazu Wissenschaftlicher Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts e.V., DStR-Beih. 2024, 41, 45 ff.; Glückselig/Rose, DStR 2022, 811; Thesling, DStR 2023, 857, 859.
Bis zu einer Reform sind die Berater gefragt, die Erfolgschancen einer Nichtzulassungsbeschwerde durch Beachtung der geltenden Anforderungen des BFH zu maximieren und notfalls – bei tatsächlich überhöhten Anforderungen – den Gang zum Verfassungsgericht nicht zu scheuen. In Steuerstreitverfahren kann sich ein langer Atem lohnen!
