Einspruchseinlegung per einfacher E-Mail
Der Nachweis der Zustellung einer E-Mail ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Es lässt sich nämlich in der Regel nicht ohne Weiteres überprüfen, ob die versandte E-Mail, selbst wenn sie zutreffend adressiert ist, auch in das E-Mail-Postfach des Empfängers gelangt. Wird ein Einspruch per E-Mail eingelegt, trägt der Versender die objektive Feststellungslast für den fristgerechten Zugang des Einspruchs der E-Mail. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, kann aber zumindest die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 AO gewährt werden, wie eine aktuelle Entscheidung des BFH vom 29.4.2025 (VI R 2/23) zeigt.
Was war passiert?
Das Finanzamt setzte gegen des Kläger Einkommensteuer fest, erkannte dabei aber nicht alle vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten an. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellte Antrag auf schlichte Änderung der Bescheide wurde durch das Finanzamt abgelehnt, wogegen der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit E-Mail vom 30.8.2018 Einspruch einlegte; ein Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten wurde dabei in „Cc“ gesetzt. Die E-Mail wurde nicht mit einer Empfangs- oder Lesebestätigung versehen. Das Finanzamt teilte dem Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten rund neun Monate später auf Nachfrage mit, dass dort kein Einspruch gegen die Steuerbescheide eingegangen sei. Daraufhin wurde dem Finanzamt gegenüber unter Vorlage eines Ausdrucks der E-Mail geschildert, dass die E-Mail an die zutreffende Poststelle des Finanzamtes versandt wurde und außerdem die E-Mail an den in „Cc“ gesetzten Mitarbeiter zugegangen war. Das Finanzamt verwarf den Einspruch dennoch mangels Nachweis der Zustellung als unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährte es nicht. Es stellte sich auf den Standpunkt, die E-Mail hätte mit einer Empfangs- oder Lesebestätigung versehen werden müssen, um ein fehlendes Verschulden i.S. von § 110 Abs. 1 Satz 1 AO zu begründen. Der Kläger erhob hiergegen erfolgreich Klage vor dem FG, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährte. Der BFH bestätigte die Rechtsauffassung des FG in der Revisionsinstanz.
Entscheidung des BFH:
Der BFH geht in seiner Entscheidung im Wesentlichen auf zwei Aspekte ein. Zum einen auf die Frage des Zugangsnachweises der E-Mail. Zum anderen auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S. von § 110 Abs. 1 Satz 1 AO.
Der Zugang des per E-Mail eingelegten Einspruchs konnte nach Auffassung des BFH nicht nachgewiesen werden. Denn die Absendung der E-Mail allein biete keinerlei Gewähr dafür, dass die Nachricht den Erklärungsempfänger bzw. dessen E-Mail-Postfach tatsächlich erreicht. Nicht auszuschließen sei nämlich, dass die Nachricht (etwa wegen Fehlern in der Datenleitung oder den vom Absender verwendeten Programmen) tatsächlich nicht in das E-Mail-Postfach des Empfängers gelangt ist. Zudem begründe das Absenden einer einfachen E-Mail keinen Beweis des ersten Anscheins für den Zugang der E-Mail – dieser wäre nur dann begründet, wenn der Kläger die E-Mail unter Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelt und diese erhalten hätte.
Dem Kläger hätte jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müssen. Der BFH bestätigt in diesem Zusammenhang die bereits vom FG geäußerte Ansicht, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist zu wahren, sodass ihm das Finanzamt angesichts des Vorliegens der weiteren Wiedereinsetzungserfordernisse Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewähren müssen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die E-Mail zutreffend adressiert und war deshalb auch nicht gehalten, sich des Zugangs der E-Mail beim Empfänger zu versichern – er durfte auf den ordnungsgemäßen „elektronischen Postgang“ vertrauen. Ein Verschulden des Klägers ergebe sich – entgegen der Auffassung des Finanzamts – auch nicht daraus, dass der Prozessbevollmächtigte den Einspruch im Streitfall per einfacher E-Mail, mithin ohne Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelt hat. Wenn die AO eine solche qualifizierte Zustellart nicht vorsieht, könne dies ein gegen eine Wiedereinsetzung streitendes Verschulden des Steuerpflichtigen nicht begründen. Auf die zivil- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung könne mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht zurückgegriffen werden.
Einordnung:
Die Einspruchseinlegung per E-Mail ist nach § 357 AO zulässig, der Nachweis des Zugangs der E-Mail ist aber schwer zu führen. Dies zeigt die Entscheidung eindrücklich auf. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die E-Mails mit einer Empfangs- oder Lesebestätigung zu versehen. Auch wenn die unterbliebene Anforderung einer solchen Bestätigung kein Verschulden begründet, kann sie – bei Erhalt – den Nachweis des Zugangs erleichtern und Streitigkeiten über andere Wiedereinsetzungserfordernisse vermeiden. – Ob die Finanzämter im Einzelnen eine solche Empfangs- oder Lesebestätigung übermitteln, steht auf einem anderen Blatt; verpflichtet zur Abgabe einer solchen Erklärung sind die Finanzämter nicht.
Dennoch bleibt den Steuerpflichtigen im Falle der Einspruchseinlegung per einfacher E-Mail mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein „Rettungsanker“, sollte das Finanzamt sich nach der Einspruchseinlegung per E-Mail auf den Standpunkt stellen, die E-Mail sei nicht zugegangen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass – anders als im Streitfall – eine schuldhafte Fristversäumnis vorliegen kann, wenn die E-Mail nicht zutreffend adressiert und keine Kontrolle auf den Zugang einer Unzustellbarkeitsmail erfolgt ist, siehe dazu ausführlich Urt. FG München 12 K 1888/18 v. 29.1.2019, juris, Rz. 30. Zudem müssen auch die übrigen Wiedereinsetzungserfordernisse (fristgerechter Antrag, Nachholung der versäumten Handlung innerhalb der Antragsfrist, Begründungserfordernis) eingehalten werden. Erinnert sei ferner daran, sich vor der Einspruchseinlegung per E-Mail zu vergewissern, ob das Finanzamt diesen Kommunikationskanal für das Steuerverfahren i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO (immer noch) geöffnet hat, dazu Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87 AO Rz. 5 (Stand: April 2025).










