Steuerbefreiung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach Grundstücksteilung – BFH-Urt. IX R 14/22 v. 26.9.2023
Der BFH hat sich in seiner Entscheidung vom 26.9.2023 (Az.: IX R 14/22) zu der Frage geäußert, ob die Steuerbefreiung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) bei Abtrennung und Veräußerung eines unbebauten Teils eines Wohngrundstücks einschlägig ist.
Sachverhalt:
Die (zusammen veranlagten) Kläger erwarben im Jahr 2014 ein Grundstück zu je hälftigem Eigentum. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut, das die Kläger seit 2015 bewohnen; die Außenflächen nutzen die Kläger als Garten. In zeitlichem Zusammenhang mit Verkaufsgesprächen veranlassten die Kläger die Teilung des Grundstücks. Im Mai 2019 entstanden aus dem Flurstück 10 die Flurstücke 10/1 und 10/2. Das Flurstück 10/2 ist 1.000 m2 groß. Es liegt vom Wohnhaus der Kläger betrachtet als Streifen am Ende des insgesamt rechteckig geschnittenen Grundstücks. Das Flurstück 10/1 umfasst das bestehende Wohngebäude und die restlichen Freiflächen. Im Anschluss an die Teilung der Grundstücke veräußerten die Kläger das Flurstück 10/2 für 90.000 EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2019 machten sie zu dem Veräußerungsgeschäft keine Angaben. Das beklagte Finanzamt erfasste in der Einkommensteuererklärung für 2019 einen Gewinn aus privatem Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos, die erstinstanzliche Klage hatte nur teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Der BFH weist die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Das FG hat zu Recht sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der Veräußerung des Flurstücks 10/2 bejaht, die nicht von der Besteuerung ausgenommen sind.
Das Erfordernis der Nämlichkeit zwischen angeschafftem und innerhalb der Haltefrist veräußertem Wirtschaftsgut i.S. des § 23 EStG ist nach Auffassung des BFH erfüllt. Zwischen dem im Jahr 2014 angeschafften Flurstück 10 und dem im Streitjahr veräußerten Flurstück 10/2 besteht wirtschaftliche Teilidentität. Bei dem Flurstück 10/2 handelt es sich um eine unbebaute Teilfläche des ursprünglichen Flurstücks 10 und nicht um ein qualitativ anderes Wirtschaftsgut. Die aus der Teilung des Flurstücks 10 hervorgegangenen Flurstücke sind zwar unterschiedlich groß, unterscheiden sich aber ansonsten in ihrer Art, Funktion und Wertigkeit nicht voneinander.
Ferner ist der Gewinn aus der Veräußerung des Flurstücks nicht wegen eigener Wohnnutzung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) von der Besteuerung ausgenommen. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird. Begrifflich kann nur das Wohngebäude zu eigenen Wohnzwecken i.S. der Steuerbefreiungsvorschrift genutzt werden. Gleichwohl erstreckt sich die Ausnahme auch auf den Grund und Boden, auf dem das Wohngebäude steht, soweit ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen der Nutzung des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken und der Nutzung des Grundstücks (z.B. als Garten) besteht. Der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung noch vorliegen; er entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Mit der Teilung entstehen aus dem bis dahin einheitlichen Wirtschaftsgut Grund und Boden zwei neue Wirtschaftsgüter (Grundstücke), deren „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ jeweils getrennt zu betrachten ist. Allerdings ist ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem (weiterhin) zu eigenen Wohnzwecken genutzten bebauten anderen Grundstück trotz der Teilung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Teilfläche zum Zwecke der Veräußerung und Bebauung durch den Erwerber abgetrennt, veräußert und zielgerichtet für die Übergabe vorbereitet wird, ist ein Nutzungs- und Funktionszusammenhang jedoch nicht mehr anzunehmen.
Anmerkung:
Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte ist ein immer wiederkehrendes Thema in der steuerlichen Gestaltungs- und Abwehrberatung. Das Halten einer Immobilie im Privatvermögen bietet den Vorteil der Möglichkeit einer steuerfreien Veräußerung nach einer Besitzzeit von 10 Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Abweichend davon liegt auch bei Veräußerungen innerhalb der zehnjährigen Frist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG kein steuerbares Veräußerungsgeschäft vor, wenn ein bebautes Grundstück veräußert wird, soweit es ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt (erste Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (zweite Alternative). Eine den Ausnahmetatbestand erfüllende Eigennutzung kann auch in dem Zeitraum vorliegen, in dem der Veräußerer noch nicht Eigentümer war, sofern er später kraft unentgeltlicher Rechtsnachfolge in die Rechtsposition des Schenkers oder Erblassers eintritt, vgl. Trossen, in: NWB 2017, 3256, 3257.
Der BFH hat nun entschieden, dass die Parzellierung eines Grundstücks und die anschließende Weiterveräußerung des unbebauten Grundstückteils zu einem nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Vorgang führen kann. Die Steuerbefreiung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 ist nicht einschlägig. Durch die Abtrennung der Teilfläche von dem bebauten Grundstück kann der Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem un- und bebauten Grundstücksteil entfallen. Mit der Abtrennung erfolgt eine Umwidmung der Teilfläche, da diese nun nicht mehr eigenen Wohnzwecken, sondern der Veräußerung an einen Dritten dient, vgl. Trossen, DStR 2024, 223, 226.
Die Entscheidung des BFH gibt jedoch nur eine definitive Antwort für die Fälle, in denen die Teilung bereits mit der Absicht der zeitnahen Veräußerung vorgenommen wird. Offen bleibt, wie der für die Steuerbefreiung erforderliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang beurteilt wird, wenn bei der Teilung noch keine Veräußerungsabsicht erkennbar ist. Wird auch nach der Teilung die entstandene (unbebaute) Fläche weiterhin zu Wohnzwecken genutzt (bspw. als Gartenfläche o.ä.), kann weiterhin ein nicht steuerbarer Veräußerungsvorgang vorliegen, vgl. Brill, NWB 2024, 378. Die Gestaltung solcher Sachverhalte ist jedoch in hohem Maße streitanfällig und sollte gut überlegt sein.