[1] 89 Seiten umfasst der Referentenentwurf des BMF für ein Gesetz zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistungen in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe (Bearbeitungsstand 4.4.2023). Schwerpunkt ist in Art. 1 und 2 des Gesetzentwurfs das StBerG sowie in Art. 3 die Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine. Geringfügige Veränderungen sind in Art. 4 und 5 für die AO und das UStG vorgesehen, ebenso einige Folgeänderungen für andere Gesetze. Im Wesentlichen soll die Neuregelung ab 1.1.2024 in Kraft treten, in geringem Umfang erst ab dem 1.1.2025. Vorgesehen sind ua. folgende Änderungen.
- Die Lohnsteuerhilfevereinen gestattete geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen wird erweitert und konkretisiert (§ 4 StBerG-Entw., §§ 13 bis 31 StBerG-Entw.).
- Änderungen sind auch für Vereine von Land- und Forstwirten und die Führung der Bezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle“ vorgesehen.
- In § 4a StBerG-Entw. soll die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen für Berufs- und Interessenvereinigungen sowie genossenschaftliche Prüfungsverbände für ihre Mitglieder und die Mitglieder der ihnen angehörenden Vereinigungen oder Einrichtungen neu geregelt werden.
- In § 4b StBerG-Entw. soll die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs für öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen, Notare und Patentanwälte geregelt werden.
- Spediteure und sonstige Zollvertreter dürfen im Rahmen ihrer Tätigkeit geschäftsmäßig Hilfe leisten.
- § 4d StBerG-Entw. sieht vor, dass geschäftsmäßige Hilfeleistungen in Steuersachen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbracht werden dürfen, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört.
- § 6 Abs. 1 StBerG-Entw. sieht Ausnahmen vom Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen im Zusammenhang mit Buchungsarbeiten und Lohnabrechnungen vor und befreit geschäftsmäßige Hilfeleistungen in Steuersachen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen. Die unentgeltliche geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen soll nicht mehr auf Tätigkeiten im verwandtschaftlichen Bereich beschränkt, sondern allgemein unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein (§ 6 Abs. 2 StBerG-Entw.). Das Gesetz spricht (auch in § 7 Abs. 2 StBerG-Entw.) von zulässigen unentgeltlichen Hilfeleistungen „innerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlicher enger persönlicher Beziehungen“. [kk]
[2] Die Europäische Kommission hat am 8.12.2022 einen Richtlinienentwurf für die Initiative „VAT in the Digital Age (Proposal for a Council Directive amending Directive 2006/112/EC as regards rules for the digital age, 2022/0407 [CNS])“ veröffentlicht. Abzuwarten bleibt, ob die Mitgliedstaaten im Rat der Richtlinie zustimmen und wie sie sodann umgesetzt wird. Nach Vorstellung der Kommission sollen die Regelungen bereits mit Wirkung ab 1.1.2025 in Kraft gesetzt werden. Die umfangreichen Änderungsvorschläge betreffen die Behandlung der Plattformwirtschaft, die Mehrwertsteueranmeldepflichten und elektronische Rechnungsausstellungen sowie die einheitliche EU-Mehrwertsteuerregistrierung. Vgl. zur Auswirkung für digitale Plattformen Oldiges, DStR 2023, 874; zu den beabsichtigten Änderungen bei der Mehrwertsteuerregistrierung Heidbüchel/Schmidt, MwStR 2023, 329. [kk]
[3] Der Bundestag hat am 11.5.2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen beschlossen (BT-Drucks. 20/5653 v. 15.2.2023 idF der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses 20/6758 v. 10.5.2023). Der Gesetzentwurf soll nach Verkündung in Kraft treten. Die umfangreichen gesetzlichen Regelungen sollen im HGB verortet werden. In einem neuen Unterabschnitt des HGB sollen für bestimmte im Inland ansässige konzernunverbundene Unternehmen oder oberste Mutterunternehmen die Pflicht zur Erstellung und Offenlegung eines Ertragsteuerinformationsberichts eingeführt werden, wenn die Umsatzerlöse bzw. Konzernumsatzerlöse in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils einen Betrag von 750 Mio. € übersteigen. [kk]
[4] Mit Urt. IV R 24/19 v. 9.3.2023 hat der BFH einerseits seine Rspr. iS der im Schrifttum nicht unumstrittenen Verwaltungsauffassung in einem Streitfall zur Bewertung der Nachsorgerückstellung für ein Deponieunternehmen in der Steuerbilanz bestätigt: Aus den Worten „höchstens insbesondere“ im Eingangssatz zu § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG folgt, dass der zulässige handelsrechtliche Wertansatz die Höchstgrenze für die steuerliche Rückstellung bildet. Andererseits hat der Senat entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden, dass sich der maßgebliche Handelsbilanzwert unter Berücksichtigung der als GoB zu beurteilenden Bewertungsgrundsätze des Handelsrechts (§§ 252 ff. HGB) und damit auch unter Berücksichtigung des Beibehaltungswahlrechts des Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB (Wahlrecht auf Beibehaltung der zum 31.12.2009 nach altem Recht ohne Abzinsung in der Handelsbilanz gebildeten Rückstellung) ergibt. Grundsätzlich sind in die Steuerbilanzen die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung in der Handelsbilanz gebildeten Rückstellungen zu übernehmen, soweit das Steuerrecht nicht (in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG) ausdrückliche Sondervorschriften enthält.
Anm.: Durch die Einbeziehung des Beibehaltungswahlrechts in die GoB erhöhen sich insbesondere die steuerbilanziellen Rückstellungen für Nachsorgeverpflichtungen im Deponiebereich beträchtlich, weil das steuerrechtliche Abzinsungsgebot in § 6 Abs. 3a Buchst. e EStG praktisch nicht greift (es endet, sobald die Nachsorgeverpflichtung beginnt). – Der BFH hat den Streitfall zurückverwiesen, weil das FG noch prüfen muss, ob andere Beschränkungen der Rückstellungsbewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG greifen, so dass in der Steuerbilanz eine geringere Bewertung als in der Handelsbilanz erfolgen müsste, vgl. zu der Entscheidung auch Strahl, NWB 2023, 1416. [kk]
[5] Werden durch einen einheitlichen Miet- oder Pachtvertrag über Grundstücke zwischen denselben Parteien auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen mitvermietet oder mitverpachtet, strahlt die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (entspricht § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) auf den Entgeltsanteil für die überlassenen Vorrichtungen und Maschinen aus, wenn es sich um eine wirtschaftliche einheitliche Leistung handelt, insbesondere wenn die Überlassung der Anlagen und Maschinen eine Nebenleistung zur Grundstücksüberlassung ist. Art. 136 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, die eine Ausnahme von der Umsatzsteuerbefreiung anordnen, gelten nicht, soweit es sich um eine einheitliche Leistung, insbesondere eine Nebenleistung zur Grundstücksüberlassung handelt. Die Rückausnahme berechtigt mithin nicht zur Aufspaltung einer einheitlichen Leistung, Urt. des EuGH C-516/21 v. 4.5.2023 (Y), LEXinform Dok. 0953854.
Anm.: Die Grundsatzentscheidung des EuGH, mit der die derzeitige Verwaltungsauffassung nicht in Einklang steht, hat erhebliche praktische Tragweite und Bedeutung. Sie löst weitere Anschlussfragen aus, so dass das Anschlussurteil des BFH mit Spannung zu erwarten ist. In diesem muss der BFH – der den Streitfall vorgelegt hat – noch darüber entscheiden, ob es sich im Streitfall bei der Überlassung von Betriebsvorrichtungen und Anlagen um eine Nebenleistung handelt. Der EuGH hat unter Rz. 37 der Urteilsbegründung angemerkt, dass dies „nahezuliegen scheint“. – Im Vorlagefall geht es um die Verpachtung eines Stallgebäudes zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen (insbesondere eine Industrieförderspirale zur Fütterung der Puten sowie ein Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssystem zur Sicherung einer dem Entwicklungsstadium der Tiere entsprechenden Temperatur und Ausleuchtung, die gewährleisten, dass die Puten in der vorgegebenen Zeit unter den bis zur Erreichung der Schlachtreife erforderlichen Bedingungen aufgezogen werden). Die Vorrichtungen und Maschinen waren speziell auf die Nutzung des Gebäudes als Putenaufzuchtstall abgestimmt. [kk]
[6] Es war streitig, ob für den Verkauf sog. Werbelebensmittel die Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Anlage 2 UStG bzw. Art. 98 Abs. 1 bis 3, Anh. III Nr. 1 UStG beansprucht werden kann. Der Kläger betrieb einen Handel mit Werbeartikeln und führte auch Werbelebensmittel, zB Fruchtgummis, Pfefferminz- und Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee und Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen und auf Wunsch der Kunden nach Umverpackung sowie Aufdrucken, Gravuren und Ähnlichem angeboten wurden (der Kläger erwarb die Lebensmittel von seinen Lieferanten und ließ sie von diesen oder von Dritten auf Wunsch der Kunden „veredeln“). Das FA sah darin nicht steuerbegünstigte Werbeleistungen, das FG die Lieferung nicht steuerermäßigter Werbeartikel. Der BFH erachtete die Revision des Klägers für begründet. Es handelt sich danach um Warenlieferungen. Soweit Anlage 2 zum UStG auf das Zolltarifrecht Bezug nimmt, ist sie ohne Berücksichtigung umsatzsteuerrechtlicher Merkmale zolltariflich auszulegen. Die Tarifierung richtet sich nach den objektiven Merkmalen und Eigenschaften der Waren, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den entsprechenden Abschnitten oder Kapiteln des KN festgelegt werden. Danach handelt es sich im Streitfall um Lebensmittel (Nahrungsmittel), BFH-Urt. V R 38/21 v. 23.2.2023. Der BFH hat dazu klargestellt, dass der Verwendungszweck nur dann von Bedeutung ist, wenn er dem Erzeugnis nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften innewohnt, wobei übliche Verpackungen irrelevant sind und es zur Verneinung der Steuersatzermäßigung nicht ausreicht, dass sog. Werbelebensmittel unabhängig hiervon zu Werbezwecken geliefert werden.
Anm.: Der Verwendungszweck eines Erzeugnisses darf nur berücksichtigt werden, wenn er die objektiven Merkmale und Eigenschaften des Erzeugnisses beeinflusst und die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmaleigenschaften erfolgen kann. – Das FG muss im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Verpackungen der Werbelebensmittel nach AV 3 Buchst. b, AV 5 Buchst. b KN separat zu tarifieren oder ebenso wie das Packgut zolltariflich einzureihen sind. – Soweit Werbelebensmittel nicht von Anlage 2 zum UStG erfasst, jedoch Nahrungsmittel iS von Anh. III Nr. 1 MwStSystRL sein sollten – so der BFH –, käme ggf. eine erweiternde richtlinienkonforme Auslegung der Anlage 2 zum UStG am Maßstab des Neutralitätsgrundsatzes in Betracht. [kk]
[7] Änderung der Rspr.: Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Anspruch nehmen, ohne dass der Abzug des Pauschbetrags den Nachweis voraussetzt, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind, BFH-Urt. II R 3/20 v. 1.2.2023. [kk]
[8] Schon nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG aF gehörten zum steuerpflichtigen bzw. steuerschädlichen Verwaltungsvermögen nicht Anzahlungen für den Erwerb oder die Herstellung von Vermögensgegenständen, die kein Verwaltungsvermögen wären, BFH-Urt. II R 36/20 v. 1.2.2023. [kk]
[9] Beratungsfalle beSt: Ein Steuerberater hatte für seinen Mandanten am 21.11.2022 per Telefax Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt, für deren Begründung ihm antragsgemäß mit Schreiben v. 15.12.2022 eine Verlängerung der Frist gewährt wurde. Am 19.1./20.1.2023 begründete er die Nichtzulassungsbeschwerde per Telefax. Der BFH hielt die Beschwerde für unzulässig, weil die Begründung nach § 52b FGO über das elektronische Steuerberaterpostfach einzulegen gewesen wäre. Der Berater machte geltend, das Postfach sei ihm durch die Steuerberaterkammer zu dem Zeitpunkt, als die Beschwerdebegründung eingereicht wurde, noch nicht durch den erforderlichen Registrierungsbrief erteilt worden. Der BFH hat diesen Einwand nicht akzeptiert und einen Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen, weil der Steuerberater nach der gegebenen Sachlage eine „fast lane“-Registrierung hätte erreichen können und nicht dargelegt hat, weshalb ihm dies nicht möglich gewesen sein sollte. Ebenso schon Urt. des Niedersächsischen FG 7 K 183/22 v. 30.3.2023, EFG 2023, 643 (vorl. nrkr.); aA Gerichtsbescheid des FG Münster 7 K 86/23 E v. 14.4.2023, BB 2023, 996 (Rev. zugelassen); Beschl. des Hessischen FG 10 V 67/23 v. 21.3.2023, EFG 2023, 649 (vorl. nrkr.). [kk]