Freiberufliche Einkünfte einer Mitunternehmerschaft bei kaufmännischer Führung durch einen Berufsträger
Der BFH hat mit Urteil v. 4.2.2025 (Az.: VIII R 4/22) entschieden, dass eine Arbeitsteilung bei einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft zwischen mehreren Berufsträgern so weit gehen kann, dass ein einzelner Berufsträger in einer zahnärztlich tätigen Mitunternehmerschaft nur in allenfalls marginalem Umfang Behandlungsleistungen an Patienten vornimmt, ohne dass dies zur gewerblichen Infektion der Gesellschaft führt.
Steuerlicher Hintergrund:
Die Voraussetzungen der Einkünftequalifikation bei freiberuflichen Mitunternehmerschaften unterscheiden sich von der Einkünftequalifikation bei gewerblichen Mitunternehmerschaften. Die Art der Einkünfte der Gesellschafter einer freiberuflichen Personengesellschaft wird abweichend vom Regelfall nicht durch die Tätigkeit der Gesellschaft selbst bestimmt, sondern alle Gesellschafter müssen grundsätzlich die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen. Jeder Gesellschafter muss mithin über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich entfalten. Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht, so erzielen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Sachverhalt:
Die klagende Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Im Streitjahr 2010 bestand diese aus sieben Partnern, drei Senior- und vier Juniorpartnern. Der Aufgabenbereich eines Seniorpartners der Klägerin, der approbierter Zahnarzt ist, umfasste lediglich in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten. Er war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit eingebunden, sondern beriet lediglich fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz. Demgegenüber übte er im Wesentlichen Führungs- und Verwaltungsaufgaben aus. Ihm oblag dabei die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs der Klägerin.
Zwischen den Beteiligten war insoweit strittig, ob die für die Partnerschaftsgesellschaft festgestellten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) festzustellen sind. Das Finanzamt als auch das Finanzgericht qualifizierten die auf der Ebene der Mitunternehmerschaft erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidung des BFH:
Nach Auffassung des BFH ist die Revision der Klägerin begründet und führt zur Stattgabe der Klage. Der angegriffene Feststellungsbescheid ist deshalb dahingehend abzuändern, dass Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit statt Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden. Hinsichtlich der streitigen Frage, wann eine Personengesellschaft eine Tätigkeit entfaltet, die die Ausübung eines freien Berufs im Sinne von § 18 EStG darstellt, weist der BFH darauf hin, dass die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne nicht voraussetzt, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann vielmehr auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Bezogen auf den konkreten Sachverhalt des Besprechungsurteils und die zahnärztliche Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG stellt der BFH fest, dass die berufstypische zahnärztliche Tätigkeit zwar grundsätzlich durch die auf wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten charakterisiert ist, diese patientenbezogene Betrachtung es indes jedoch nicht ausschließt, eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit auch anzunehmen, wenn ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer im Rahmen eines größeren Zusammenschlusses von Berufsträgern neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Gesellschaft erbringt. Auch in diesem Fall entfaltet er Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören, denn die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen und damit auch Ausdruck der freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie der persönlichen Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit.
Einordnung:
Die Entscheidung zeigt, dass eine Personengesellschaft nur dann eine freiberufliche Tätigkeit entfaltet, wenn sämtliche Mitunternehmer die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Im Rahmen dessen ist eine Arbeitsteilung in interne organisatorische bzw. kaufmännische Tätigkeiten und nach außen gerichtete Tätigkeiten jedoch unschädlich. Dies entspricht letztlich auch der gesetzlichen Wertung, die einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit nicht vorsieht.
Darüber hinaus lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass der BFH insoweit tatsächlich keine überhöhten Anforderungen an den vorgenannten Umfang der nach außen gerichteten qualifizierten Tätigkeit stellt. Die vorliegend zu beurteilende Tätigkeit des Seniorpartners umfasste lediglich die konsiliarische Beratung von fünf Patienten und dies erfolgte nicht einmal „am Stuhl“, sondern im Wartezimmer oder außerhalb der Praxisräume. Laut dem BFH werden hierdurch zwar in geringfügigem, aber ausreichendem Maß behandelnde Tätigkeiten am Markt entfaltet. Diese Grundsätze lassen sich auch auf andere Zusammenschlüsse von Freiberuflern (z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater) übertragen. Solange zumindest eine geringfügige freiberufliche Tätigkeit durch den Berufsträger am Markt entfaltet wird, ist eine gewerbliche Infektion der Freiberuflergesellschaft ausgeschlossen.

Verfasst von:
Charlotte Graßmann
Rechtsanwältin