Rechtsprechungsänderung des BFH: Keine Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL für Sportvereine
Der BFH hatte sich in der Entscheidung vom 21.4.2022 (V R 48/20 (V R 20/17), DStR 2022, 930) im Wesentlichen mit den Fragen zu befassen, ob sich ein Sportverein unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen kann und ob der Kläger vom autonomen unionsrechtlichen Begriff der „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL erfasst wird.
Sachverhalt
In dem vom BFH zu entscheidenden Streitfall ging es um einen Golfclub (nachfolgend „Klä-ger“ genannt), dessen Zweck nach seiner Satzung in der Pflege und Förderung des Golfsports bestand. Die im Streitjahr geltende Satzung sah in § 13 Abs. 3 vor, dass das Vermögen des Vereins bei dessen Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution fallen sollte. Im Streitjahr vereinnahmte der Kläger Mitgliedsbeiträge. Das Finanzamt qualifizierte diese nicht als Vergütung für nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Leistungen. Darüber hinaus erbrachte der Kläger weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt (Berechtigung zur Nutzung des Golfplatzes, leihweise Überlas-sung von Golfbällen, Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen gegen Startgeld und mietweise Überlassung von Caddys). Diese Leistungen sah das Finanzamt als steuerbar und steuerpflichtig an, da es eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG mangels Gemeinnützigkeit i.S. der §§ 51 ff. AO verneinte.
Das Finanzamt erließ entsprechend dieser Rechtsauffassung einen später geänderten Umsatzsteuerbescheid. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Zur Begründung führte das FG München aus, dass es sich bei dem Klä-ger um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben gehandelt habe, die sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen könne. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Gründe
Der V. Senat des BFH hat das Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und legte dem EuGH diverse Rechtsfragen zur Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL zur Vor-abentscheidung vor, vgl. BFH-Beschl. V R 20/17 v. 21.6.2018, BStBl. 2018 II, 558.
Der EuGH entschied im Wesentlichen, dass eine unmittelbare Berufung auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL nicht möglich sei. Darüber hinaus entschied der EuGH, dass der unionsrechtliche Begriff der „Einrichtungen ohne Gewinnstreben“ nur solche Einrichtungen erfasse, die eine satzungsmäßige Vermögenszweckbindung für den Fall der Vereinsauflösung aufweisen, vgl. EuGH-Urt. C-488/18 (Golfclub Schloss Igling) v. 10.12.2020, UR 2021, 158.
Aufgrund der Entscheidung des EuGH änderte der BFH seine bis dato geltende Rechtsprechung und entschied, dass die Leistungen des Klägers nicht gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL steuerfrei seien.
Zur Begründung führt er aus, dass der Kläger sich nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen könne, da Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG zumindest dem Grunde nach umgesetzt werde und der eingeräumte Ermessensspielraum damit ordnungsgemäß ausgeübt worden sei. Entsprechend könne sich die Steuerfreiheit nur aus der nationalen Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG ergeben.
Die Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG scheitere jedoch daran, dass es sich beim Kläger nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handele.
Eine Einrichtung ohne Gewinnstreben setzt nach der EuGH-Entscheidung voraus, dass die Einrichtung im Fall ihrer Auflösung von ihr erzielte Gewinne, die die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder sowie den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigen, nicht an ihre Mitglieder verteilen darf.
Dies treffe laut BFH auf den Kläger im Streitjahr nicht zu. Nach § 13 Abs. 3 der im Streitjahr 2011 geltenden Satzung sollte das Vermögen des Vereins bei dessen Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution fallen. Entsprechend verneint der BFH – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH – eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG für die Leistungen des Klägers.
Einordnung für das Gemeinnützigkeitsrecht
Nach der Entscheidung des BFH können sich zukünftig Vereine – unabhängig von der Einordnung des Vereins nach nationalem Recht als gemeinnützig – nicht mehr auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG ist nunmehr allein maßgeblich für die Prüfung der Steuerpflicht von Leistungen von Sportvereinen. Nur die dort genannten „sportlichen Veranstaltungen“ können von der Umsatzsteuerpflicht befreit werden. Der Gesetzgeber ist nun gefordert, die nationale Regelung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG auszuweiten und die Beschränkung allein auf sportliche Veranstaltungen aufzugeben, vgl. Wäger, UR 2021, 41, 48.
Indem der EuGH klargestellt hat, dass sich das Vorliegen einer „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ nicht nach nationalem Recht richtet, können sich indes Gestaltungsoptionen für nicht gemeinnützige Organisationen ergeben, um auch ohne Gemeinnützigkeit zu einer Steuerbefreiung zu gelangen.
Hinweis
Der BFH hat außerdem am Rande seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung Mitgliedsbeiträge für Sportvereinen im Regelfall umsatzsteuerbar seien. Auch für gemeinnützige Vereine i.S. des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG seien die Mitgliedsbeiträge als Gegenleistung für die Überlassung von Sportgegenständen bzw. –anlagen steuerpflichtig, vgl. BFH-Urt. V R 64/09 v. 18.8.2011, HFR 2012, 784. Entscheidungserheblich war dies für den vorliegenden Fall aufgrund des im Revisionsverfahren geltenden Verböserungsverbots (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) nicht.
Die Finanzverwaltung wendet die stetige BFH-Rechtsprechung zur Umsatzsteuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen nicht an, vgl. Abschn. 1.4 UStAE. Die allgemeinen Mitgliederbeiträge sind daher weiterhin nicht zwingend der Umsatzsteuer zu unterwerfen.