[1] Der BFH hat bestätigt, dass die Zuordnung von bis zum 10.1. gezahlten Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu den Vorjahresbetriebsausgaben nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG die Fälligkeit innerhalb der Zehntagesfrist voraussetzt, Urt. VIII R 25/20 v. 21.6.2022. Diese Voraussetzung ist nach der Entscheidung des BFH nicht erfüllt, wenn die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember wegen der beanspruchten Dauerfristverlängerung erst am 10.2. fällig ist. [kk]
[2] Der Gesellschaftszweck einer im Jahre 2011 gegründeten KG bestand darin, Immobilien zu erwerben, zu verwalten und zu veräußern. Dies war unstrittig eine gewerbliche Grundstückshandelstätigkeit. Sie hat ihr erstes Immobilienobjekt (das sie im Jahr 2014 vermarktete) erst im Laufe des Jahres 2012 nach Ablauf des Wj. 2011/2012 erworben. Im Wj. 2011/2012 fanden Vorbereitungshandlungen statt, die zu Aufwendungen und Verlusten führten. Dabei handelte es sich insbes. um Aufwendungen für Genussrechtsemissionen zur Finanzierung anstehender Grundstückserwerbe und Projektvorbereitungskosten. Diese waren höher als Zinseinnahmen, welche die KG durch Zwischenanlage des inzwischen eingeworbenen Genussrechtskapitals erzielte. Der BFH entschied mit Urt. IV R 13/20 v. 1.9.2022, dass die sachliche Gewerbesteuerpflicht erst mit dem Erwerb der Immobilie begann, so dass die vorbereitenden Betriebsausgaben für die Grundstückshandelstätigkeit nicht zu einem negativen Gewerbeertrag geführt haben. Dazu hat der BFH verfahrensrechtlich klargestellt, dass über das Merkmal des Beginns der sachlichen Gewerbesteuerpflicht selbständig im Verlustfeststellungsverfahren gem. § 10a GewStG zu befinden ist. [kk]
[3] Nach dem klaren Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck ist die Entnahme eines Gebäudes (einer Wohnung) keine Anschaffung iS von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, BFH-Urt. IX R 7/21 v. 3.5.2022.
Anm.: Der BFH hat der Klage stattgegeben, nachdem das FG die Sanierungskosten für eine aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommene vermietete Wohnung als anschaffungsnahe Herstellungskosten beurteilt hatte. Die Sache wurde jedoch zurückverwiesen, weil zu klären ist, ob möglicherweise Herstellungskosten iS des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB vorliegen. Es erfolgte in den Jahren 2011 bis 2013 die Erneuerung der Fassade, sämtlicher Fenster und Fensterbänke, des Dachstuhls, der Dacheindeckung, aller Innentüren, der Haustür, sämtlicher Elektro-, Sanitär- sowie Heizungsinstallationen, Fliesen- sowie Parkettfußböden in allen Räumen, des Badezimmers sowie der Ausführung von Putz- und Stuckarbeiten und Malerarbeiten. Nachdem die Wohnung zum unstreitigen Teilwert von 49.046 € entnommen wurde, sind für die genannten Arbeiten in drei Jahren rd. 83.000 € angefallen. [kk]
[4] Wird eine Wohnung mit Arbeitszimmer von mehreren Personen (hier: vom Kläger und seiner Lebensgefährtin) angemietet,
können die Kosten für das Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines der Mieter bildet, von ihm bis zur Höhe der insgesamt getragenen Arbeitszimmerkosten vollumfänglich geltend gemacht werden (nicht nur hälftig), Urt. des FG Düsseldorf 3 K 2483/20 E v. 9.9.2022, Newsletter des FG Oktober 2022 (Rev. zugelassen). [kk]
[5] Der BFH hatte keine ernstlichen Zweifel daran, dass Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit auch nach Einführung der sog. virtuellen Automatensteuer (§§ 36 ff. RennwLottG idF v. 25.6.2021) nicht umsatzsteuerfrei sind, Beschl. XI B 9/22 (AdV) v. 26.9.2022, mit dem die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzung für August 2021 abgelehnt wurde. [kk]
[6] Zur vorsteuererhaltenden rückwirkenden Rechnungsberichtigung bleibt der BFH dabei: Sie ist grundsätzlich zulässig, erfordert jedoch, dass eine ursprüngliche berichtigungsfähige Rechnung vorhanden ist. Das ist nicht der Fall, wenn der leistende Unternehmer in der fälschlichen Annahme einer Leistungserbringung im Ausland eine Ausgangsrechnung ohne inländischen Steuerausweis ausgestellt hat, Urt. V R 33/20 v. 7.7.2022.
Anm.: Es ist deshalb nach wie vor empfehlenswert, dass vor Jahresende geprüft wird, ob bei Leistungsbezügen im ablaufenden Jahr ordnungsmäßige Rechnungen vorliegen, damit ggf. noch vor Jahresende die erforderlichen Korrekturen bzw. Ergänzungen vorgenommen werden können. [kk]
[7] Die MwStSystRL ist dahingehend auszulegen, dass ein Vertrag zwischen Leistendem und Leistungsempfänger (hier: Finanzierungsleasingvertrag) die Funktion einer für den Vorsteuerabzug ausreichenden ordnungsmäßigen Rechnung hat, wenn der Vertrag alle Angaben enthält, die erforderlich sind, damit die FinVerw. feststellen kann, ob die materiellen Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug im konkreten Fall erfüllt sind, Urt. des EuGH C-235/21 v. 29.9.2022 (Raiffeisen Leasing) zu einem slowenischen Steuerstreitfall. [kk]
[8] Streitpunkt war in der Entscheidung des BFH II R 25/20 v. 26.7.2022 die Steuerverschonung nach §§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 8, 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 1 bis 4, Abs. 4 ErbStG aF für die Schenkung von vier Kommanditbeteiligungen im Jahr 2010. Es wurde zunächst die Regelverschonung von 85 % gewährt. Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin als Beschenkte unwiderruflich für den gesamten Erwerb des begünstigten Vermögens die Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG aF. Für diesen Fall betrug der für den Streitfall geltenden Gesetzesfassung die schädliche Verwaltungsvermögensgrenze 10 %. Diese war bei drei Kommanditbeteiligungen gewahrt, während bei einer das Verwaltungsvermögen 13,74 % betrug. Bei Zusammenrechnung aller vier Kommanditbeteiligungen erreichte das Verwaltungsvermögen die 10 %-Grenze nicht. Der BFH entschied:
- (a) Die Verwaltungsvermögensgrenze war nach dem bis zum 30.6.2016 geltenden Recht auch bei mehreren gleichzeitig übertragenen steuerbegünstigten wirtschaftlichen Einheiten für jede Einheit gesondert zu ermitteln.
- (b) Die optionale Vollverschonung kann für jede der Einheiten gesondert beantragt werden.
- (c) Wurde für eine wirtschaftliche Einheit die Vollverschonung beantragt, kommt sie jedoch wegen Überschreitung der 10 %-Grenze (statt der 50 %-Grenze bei der Regelverschonung) nicht zum Zuge, entfällt für die betroffene Einheit auch die Regelverschonung. [kk]