[1] Der Bundesrat hat am 24.11.2023 der „Vierzehnten Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung“zugestimmt. Der Sachbezugswert für die Überlassung einer Unterkunft erhöht sich ab 2024 von 265 € auf 278 €, der Sachbezugswert für freie und verbilligte Verpflegung von 288 € auf 313 €. Ein Frühstück wird mit 2,17 € (bisher 2 €), ein Mittagessen mit 4,13 € (bisher 3,80 €) und ein Abendessen mit 4,13 € (bisher 3,80 €) bewertet, BR-Drucks. 512/23 (Beschluss) v. 24.11.2023. [kk]
[2] In einer Pressemitteilung v. 27.11.2023 hat das FG Rheinland-Pfalz darüber berichtet, dass in zwei Klageverfahren gegen Grundstücksbewertungen nach dem neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht mit Beschl. v. 23.11.2023 (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23 [unter Zulassung der Beschwerde]) vorläufiger Rechtsschutz gewährt wurde. In den Streitfällen ist die Bewertung von Einfamilienhäusern nach dem sog. Bundesmodell sowohl wegen einfachrechtlicher als auch verfassungsrechtlicher Bedenken angegriffen worden. Beanstandet wurde ua. die Heranziehung der festgelegten Bodenrichtwerte. Die große Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen sowie eine nahezu vollständige Vernachlässigung aller individuellen Umstände der konkret bewerteten Grundstücke führt nach Einschätzung des FG dazu, dass es zu Wertverzerrungen für den gesamten Kernbereich der Grundsteuerwertermittlung kommen könnte. Das Bewertungsverfahren führt tendenziell zu systematischen Unterbewertungen hochwertiger Immobilien und systematischen Überbewertungen für solche Immobilien, die sich in weniger begehrten Lagen bzw. in schlechtem baulichen Zustand befinden oder deren Ausstattungsmerkmale weniger hochwertig sind. Ein gleichheitswidriges Vollzugsdefizit sieht das FG bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte, weil diese Werte häufig aus der Aufteilung von Gesamtkaufpreisen in einen Gebäude- und einen Bodenanteil ermittelt würden, ohne dass den Gutachterausschüssen effektive Instrumente zur Sachverhaltsermittlung sowie zur Verifikation der Angaben von Grundstückseigentümern zur Verfügung stünden.
Anm.: Anders als das FA geht das FG davon aus, dass für den Rechtsschutz bezüglich der Bodenrichtwerte nicht die Verwaltungsgerichte zuständig sind, sondern der Finanzrechtsweg eröffnet ist. [kk]
[3] Der BFH hat mit Urt. X R 2/22 v. 30.8.2023 abweichend vom Urt. des BFH VIII R 36/10 v. 12.11.2013, BStBl. 2014 II, 168, mit dessen Zustimmung den Begriff der Vergütung für mehrjährige Tätigkeit nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG für den Bereich der betrieblichen Einkünfte weit ausgelegt: Nach einem acht Jahre andauernden Umsatzsteuerrechtsstreit kam es im zweiten Rechtsgang im Wege der Verständigung mit dem FA zu einer gewinnerhöhenden Umsatzsteuererstattung, die zu ebenfalls gewinnerhöhenden Erstattungszinsen von 203.022 € führte. Die Umsatzsteuererstattung hatte das FA als tarifbegünstigte mehrjährige Tätigkeit anerkannt. Der BFH hat entschieden, dass die Tarifvergünstigung auch auf die Erstattungszinsenanzuwenden ist, die somit Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit sind. [kk]
[4] Das BMF hatte bereits mit Schr. v. 27.2.2023, BStBl. 2023 I, 351, unter Änderung und Ergänzung des UStAE zur Einführung des Nullsteuersatzes für Photovoltaikanlagen durch § 12 Abs. 3 UStG idF des JStG 2022 (s. zum JStG 2022 den Überblick von Strahl, kösdi 2023, 23129, 23132) Stellung genommen, s. kösdi 2023, 23175 und 23127 (Report Nr. 181 und 136). Ergänzend dazu hat sich die FinVerw. im BMF-Schr. III C 2 – S 7220/22/10002 :013 v. 30.11.2023 – unter abermaliger Änderung des UStAE – zu zahlreichen Einzelfragen geäußert. Geändert bzw. ergänzt wurden insbes. Abschn. 3.1 Abs. 1 UStAE, Abschn. 12.18 Abs. 1, 7, 8, 9, 10 UStAE und Abschn. 14.5 Abs. 8 UStAE. Wichtig ist insbes., dass bis zum 11.1.2024 rückwirkend zum 1.1.2023 die Entnahme einer Photovoltaikanlage aus dem Unternehmensvermögen zur Umwidmung der Wertabgabenbesteuerung erklärt werden kann (s. dazu ausführlich nachfolgend unter „Hinweise“). Hervorzuheben ist:
- In Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE wird klargestellt, dass die gleichzeitige Anschaffung einer Photovoltaikanlage und eines Stromspeichers in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag eine Sachgesamtheit ist.
- Die nicht enumerative Aufzählung der Nebenleistungen, die zur umsatzsteuerfreien Lieferung der Photovoltaikanlage gehören, in Abschn. 12.18 Abs. 1 Satz 4 und 5 UStAE ist mit der Klarstellung erweitert worden, dass dazu zB nicht die Vorbereitung von asbesthaltigen Dachdeckungen für das Aufbringen einer Photovoltaikanlage und die Anpassung von Blitzschutzanlagen gehört.
- Nach Abschn. 12.18 Abs. 7 Satz 5 UStAE in der bisherigen Fassung sind stationäre Solarmodule, die neben der Stromerzeugung weitere unbedeutende Nebenzwecke erfüllen (zB Solartische), ebenfalls begünstigt. Dazu ergänzt das neue BMF-Schr., dass dazu zwar nicht sog. Solar-Carports oder Solar-Terrassenüberdachungen gehören, in diesen Fällen die Photovoltaikanlage jedoch ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt und die Lieferung der Solarpaneele mit Zubehör sowie Nebenleistungen (ohne Unterkonstruktion) bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG deshalb ebenfalls dem Nullsteuersatz unterliegt.
- Gemäß Abschn. 13.18 Abs. 7 Satz 7 UStG unterliegen Batterien und Speicher dem Nullsteuersatz, wenn diese im konkreten Anwendungsfall dazu bestimmt sind, Strom aus begünstigten Solarmodulen zu speichern. Nach Sätzen 10 bis 12 des neuen BMF-Schr. „ist davon auszugehen“, dass Speicher mit einer nutzbaren Kapazität von mindestens 5 kWh dazu bestimmt sind, Strom aus begünstigten Solarmodulen zu speichern. Einbezogen werden unter bestimmten Voraussetzungen Energiespeichersysteme, die den mit einer Photovoltaikanlage erzeugten überschüssigen Strom vollständig oder teilweise chemisch in Wasserstoff speichern.
- Nach Abschn. 13.18 Abs. 8 UStAE nF ist die isolierte Erweiterung bzw. Erneuerung eines Zählerschranks im Zusammenhang mit der Installation einer Photovoltaikanlage iS des § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG begünstigt. Die FinVerw. beanstandet es aber nicht, wenn die Beteiligten für vor dem 1.1.2024 ausgeführte Leistungen die bisherigen Verwaltungsanweisungen anwenden (den Nullsteuersatz also nicht anwenden, Rn. 10 des BMF-Schr.).
Hinweise:
- Die dezentrale Verwendung (insbes. die Verwendung für außerunternehmerische Zwecke) von Strom, der mit dem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen unter Vorsteuerabzug zugeordneten Photovoltaikanlagen erzeugt wird, unterliegt grds. der Wertabgabenbesteuerung nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG. Ist die Anlage seit dem 1.1.2023 nach § 12 Abs. 3 UStG zum Nullsteuersatz (also ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit) erworben worden, entfällt sie, so schon BMF-Schr. v. 27.2.2023, BStBl. 2023 II, 351, Rn. 6. Für vor dem 1.1.2023 erworbene Anlagen, soweit sie unter Vorsteuerabzug dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden sind, setzt sich die Wertabgabenbesteuerung fort.
- Es stellt sich die Frage, ob es möglich und sinnvoll ist, die Anlagen aus dem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zu entnehmen und damit künftig der Wertabgabenbesteuerung zu entgehen (ertragsteuerlich ist die umsatzsteuerliche Entnahme irrelevant). Unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG unterliegt diese unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme dem Nullsteuersatz, BMF-Schr. v. 27.2.2023, BStBl 2023 II, 351, Rn. 7; Scherf/Gerstl, NWB 2023, 3260, 3264; Arconada Valbuena/Rennar, UR 2023, 473, 475; Gromadka, LEXinform-aktuell 2023 – 0011-0005, Dok. 0882334; Dorn/Beyer/Wenke, DB 2023, 673. Sie stellt auch keine Änderung der Verhältnisse für den Vorsteuerabzug iS des § 15a UStG dar, BMF-Schr. v. 27.2.2023, BStBl. 2023 I, 351, Rn. 2; Scherf/Gerstl, aaO. Eine Entnahme ist nach Verwaltungsauffassung jedoch nur möglich, wenn zukünftig voraussichtlich mehr als 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden, BMF-Schr. v. 27.2.2023, BStBl. 2023 I, 351, Rn. 5. Davon ging die FinVerw. aus Vereinfachungsgründen insbes. aus, „wenn ein Teil des mit der Anlage erzeugten Stroms z.B. in einer Batterie gespeichert wird“. Nach Rn. 3 des BMF-Schr. v. 30.11.2023 ist die Vereinfachungsregelung ebenso anwendbar, wenn die nichtunternehmerische Verwendung des Stroms durch eine „nicht nur gelegentliche Ladung des Stroms in ein E-Fahrzeug, das nicht dem Unternehmen zugeordnet worden ist, oder den Betrieb einer Wärmepumpe, die nicht dem Unternehmen zugeordnet worden ist, erfüllt werden“. Weil die Anwendung der Vereinfachungsregelung ein Wahlrecht ist, muss der Unternehmer dessen Ausübung dokumentieren, zB durch eine Erklärung gegenüber dem FA, BMF-Schr. v. 30.11.2023, Rn. 2. Diese ist grds. nicht rückwirkend möglich, jedoch wegen der bisherigen Unklarheiten ausnahmsweise durch Erklärung gegenüber dem FA bis zum 11.1.2024 rückwirkend zum 1.1.2023.
- Nach der umsatzsteuerrechtlichen Entnahme einer Anlage ist ein Vorsteuerabzug für mit ihrem Betrieb zusammenhängende Leistungsbezüge nur in Höhe der unternehmerischen Nutzung und unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG möglich, BMF-Schr. v. 30.11.2023, Rn. 5.
- In einem etwaigen Wechsel in die Kleinunternehmerregelung sieht die FinVerw. nur dann eine Änderung der Verhältnisse nach § 15a Abs. 7 UStG gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug, wenn sich die Photovoltaikanlage noch im Unternehmen befindet. Eine Handreichung zur Steueroptimierung gibt Rn. 8 des BMF-Schr. v. 30.11.2023: „Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15a Abs. 7 UStG liegt bereits dann nicht mehr vor, wenn die Entnahme der Anlage nur eine juristische Sekunde vor dem Wechsel in die Kleinunternehmerschaft erfolgt.“ [kk]
[5] Das FA widerrief die Genehmigung zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 UStG, nachdem durch eine Außenprüfung festgestellt wurde, dass der Unternehmer die Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt hatte, die von den Rechnungsempfängern jahrelang nicht bezahlt worden sind. Das führte dazu, dass im Rahmen der Ist-Besteuerung noch keine USt. anfiel, die Rechnungsempfänger (Leistungsempfänger) jedoch bereits den Vorsteuerabzug geltend machten. Der BFH entschied mit Urt. XI R 5/21 v. 12.7.2023, diese systemwidrige „Steuerpause“ beruhe auf dem bisherigen grundsätzlichen Verständnis des deutschen UStG. Diese Wirkung sei deshalb keine Rechtsgrundlage für den Widerruf der Genehmigung zur Ist-Besteuerung; es liege keine missbräuchliche Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Stpfl., sondern möglicherweise eine unzutreffende Umsetzung der Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland vor.
Anm.: Der EuGH hatte allerdings Bedenken gegen den Vorsteuerabzug aus Rechnungen geäußert, die wegen der Ist-Besteuerung des Leistenden noch nicht zu einer Umsatzsteuerschuld geführt haben, Urt. C-9/20 v. 10.2.2022. Der BFH hat die Konsequenzen aus der Entscheidung des EuGH für die deutsche Umsatzbesteuerung offengelassen,jedoch darauf hingewiesen, dass entgegen dem bisherigen deutschen Verständnis die USt. iS von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erst dann „geschuldet“ sein könnte, wenn der Leistende sie tatsächlich schuldet. Dann könnte der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung eines Ist-Versteuerers erst vorgenommen werden, wenn dieser das Entgelt vereinnahmt hat. Sollte es danach zu einer für die Praxis einschneidenden Veränderung beim Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Ist-Versteuerern kommen, wird es sicherlich zu einer vertrauensschützenden Übergangsregelung kommen müssen. [kk]
[6] Eine Landwirtschaft betreibende GbR besteuerte ihre Umsätze nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG. Sie unterlag jedoch nach Einführung einer Jahresumsatzgrenze von 600.000 € durch das JStG 2020 ab 1.1.2022 der Regelbesteuerung. Im letzten Jahr der Durchschnittssatzbesteuerung (2021) bezog sie Leistungen iS des § 15 UStG, die bei der Besteuerung nach § 24 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten. Die Besonderheit bestand jedoch darin, dass die Leistungsbezüge im Zusammenhang mit bereits der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätzen entstanden. Der BFH hat gleichwohl den Vorsteuerabzug (im Jahr 2021) nicht anerkannt, Urt. XI R 14/22 v. 12.7.2023. Entschieden hat der Senat außerdem, der Vorsteuerabzug sei unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 4 UStG, Art. 192 MwStSystRL zu berichtigen, wenn der Stpfl. zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz freiwillig oder kraft Gesetzes von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung wechselt. [kk]