[1] Der Bundestag hat am 10.11.2022 das Inflationsausgleichsgesetz in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/4378) beschlossen. Der Bundesrat hat am 25.11.2022 zugestimmt. Im Hinblick auf die erhöhten Inflationsprognosen sind die beabsichtigten Änderungen des Einkommensteuertarifs und der Kinderfreibeträge bzw. des Kindergeldes nachgebessert worden (die in kösdi 2022, 22914, Report Nr. 405 mitgeteilten zunächst vorgesehenen Freibeträge und Grenzen sind damit weitgehend überholt). Der Grundfreibetrag für 2023 wird auf 10.909 € und der Kinderfreibetrag pro Elternteil auf 3.012 € angehoben. Der Grenzsteuersatz von 42 % setzt bei Einzelveranlagten erst ab 62.810 € ein, und das Kindergeld wird durchgehend für sämtliche Kinder auf 250 € erhöht. [kk]
[2] Der Bundestag hat am 10.11.2022 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates v. 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts (BT-Drucks. 20/3426 v. 19.9.2022 und 20/4228 v. 2.11.2022) in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/4376 v. 9.11.2022) beschlossen. Die zahlreichen – die Stpfl. zT belastenden – Gesetzesänderungen betreffen hauptsächlich drei Bereiche:
(a) Durch ein Plattform-Steuertransparenzgesetz werden Betreibern digitaler Plattformen weitreichende Meldepflichten bezüglich der über ihre Plattform agierenden Anbieter und ihrer Umsätze auferlegt, deren Nichterfüllung zu Haftungen und Sanktionen führt.
(b) Die Zusammenarbeit der Finanzbehörden der EU-Staaten soll durch Änderungen des EU-Amtshilfegesetzes nach Vorgabe des Unionsrechts verstärkt werden.
(c) Durch zahlreiche Änderungen der AO werden die Vorschriften zur Betriebsprüfung „modernisiert“, was der Straffung ihrer Durchführung dienen soll. Problematisch ist ein neues qualifiziertes Mitwirkungsverlangen (§ 200a AO-Entw.), dessen Verletzung die Festsetzung eines Mitwirkungsverzögerungsgeldes nach sich zieht, vgl. dazu den aktuellen c·k·s·s Steuer-Podcast „Ungleiche Rollen in der Betriebsprüfung“. [kk]
[3] Folgende gesetzliche Regelungen, für die Formulierungshilfen vorliegen, sollen noch in das JStG 2022 aufgenommen werden (Verabschiedung am 2.12.2022 durch den Deutschen Bundestag vorgesehen):
(a) Als Art. 27a des JStG 2022 das Gesetz zur Einführung eines EU-Energiekrisenbeitrags nach der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates über „Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise“ v. 6.10.2022 (EU-Energiekrisenbeitragseinführungsgesetz – EU-EKBEG).
(b) Als Rechtsgrundlage für die Einkommensbesteuerung aller im Erdgaswärme-Soforthilfegesetz benannten Entlastungen wird in § 123 EStG-Entw. bestimmt, dass die gewähren Entlastungsbeträge Einkünfte iS des § 22 Nr. 3 EStG sind, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften iS des § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören. § 124 EStG-Entw. bestimmt, dass dies nur gilt, wenn ein SolZ festzusetzen ist; darüber hinaus soll eine Milderungszone ab einem zu versteuernden Einkommen von 66.915 € (bei Zusammenveranlagten 133.830 €) gelten.
(c) Die Übergangsregelung für die Anwendung des § 2b UStG bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird durch Änderung des § 27 Abs. 22a UStG bis zum 31.12.2024 verlängert.
Zu (a): Die Steuer namens EU-Energiekrisenbeitrag soll für Unternehmen jedweder Rechtsform und Größe eingeführt werden, die im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätig sind, und zwar für die kalenderjahrgleichen Wj. 2022 und 2023 (bzw. abweichenden Wj. 2022/23 und 2023/24). Bemessungsgrundlage ist der steuerliche Gewinn, soweit dieser den Durchschnittsgewinn der Jahre 2018 bis 2021 zuzüglich 20 % übersteigt. Der Steuersatz soll 33 % betragen; er ist steuerlich nicht als Betriebsausgabe absetzbar. [kk]
[4] Die mit BMF-Schr. v. 17.3.2022, BStBl. 2022 I, 330, und v. 7.6.2022, BStBl. 2022 I, 923, anlässlich des Ukraine-Kriegs ergangenen Billigkeitsregelungen (s. dazu kösdi 2022, 22674, Report Nr. 144), die am 31.12.2022 auslaufen sollten, sind bis zum 31.12.2023 verlängert worden, BMF-Schr. IV C 4 – S 2223/19/10003 :017 v. 17.11.2022. Auch die Billigkeitsregelung für die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine durch Vermietergenossenschaften und Vermietervereine iS des § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG (BMF-Schr. v. 31.3.3022, BStBl. 2022 I, 345) ist bis zum 31.12.2023 verlängert worden, BMF-Schr. v. 11.11.2022, DStR 2022, 2375. Dasselbe gilt für die Billigkeitsregelungen zur Anwendung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Leistungen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, Ländererlass v. 11.11.2022, DStR 2022, 2375: Ob die entgeltliche Überlassung von möbliertem Wohnraum an Kriegsflüchtlinge den Tatbestand der Gewerblichkeit erfüllt, wird aus Billigkeitsgründen nicht geprüft. Erträge aus sonstigen Unterstützungsleistungen (zB entgeltliche Zurverfügungstellung von Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln oder Kleidung) sind für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nur dann unschädlich, wenn sie aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes resultieren und diese Einnahmen im Wj. nicht höher als 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes sind (in § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG festgelegte Grenze). Vermieten Grundstücksunternehmen Wohnraum zB an juristische Personen des öffentlichen Rechts, die den angemieteten Wohnraum an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine überlassen, gelten diese Wohnraumnutzenden aus Billigkeitsgründen als (mittelbare) Mieter des Grundstücksunternehmens. [kk]
[5] Der VI. Senat des BFH teilt die ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, die sowohl der VII. als auch der V. Senat geäußert haben, nicht und hat mit Beschl. VI B 15/22 (AdV) v. 28.10.2022 eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Anm.: Ebenfalls am 28.10.2022 hat der VI. Senat in einigen anderen nicht zur Veröffentlichung bestimmten Beschlüssen die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt: VI B 31/22 (AdV), VI B 35/22 (AdV), VI B 38/22 (AdV). [kk]
[6] Nach gefestigter Rspr. ist, wenn ein Bodenschatz (hier: Kiesvorkommen) entdeckt wird, darauf die Vornahme einer AfS – auch wenn es in das steuerliche Betriebsvermögen eingelegt wird – nicht zulässig. In der Praxis soll das Abschreibungsverbot häufig dadurch vermieden werden, dass ein im steuerlichen Privatvermögen vorhandener Bodenschatz entgeltlich auf eine Personengesellschaft übertragen wird, an der der Übertragende als Mitunternehmer beteiligt ist. Es entsteht nicht selten Streit über die steuerliche Anerkennung dieser entgeltlichen Übertragungen. Der BFH hat mit Urt. IV R 25/19 v. 1.9.2022 die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken mit Kiesvorkommen durch den Eigentümer an eine ihm zur Ausbeutung des Kiesvorkommens gegründete Einmann-GmbH & Co. KG im Ergebnis nicht anerkannt:
(a) Der BFH hat zunächst klargestellt, dass die fremdvergleichbare Veräußerung von Grundstücken mit Kiesvorkommen an eine Einmann-GmbH & Co. KG des Veräußerers grundsätzlich steuerlich als Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäft anzuerkennen ist. Dass er selbst zu 100 % am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist, ist im Hinblick auf den Steuersubjektstatus von Mitunternehmerschaften im Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung irrelevant.
(b) Gescheitert ist die entgeltliche Übertragung im Streitfall jedoch, weil verschiedene Regelungen im Kaufvertrag nicht exakt eingehalten worden sind und es deshalb nach dem Verständnis des BFH an der Fremdvergleichbarkeit fehlte.
Anm.: Für die Praxis bedeutsam ist die Entscheidung deshalb, weil die FinVerw. bisher der (abzulehnenden) Meinung war, die AfS könne nicht erschlossen werden, soweit an einer Personengesellschaft als Erwerberin des Vorkommens Veräußerer mitunternehmerisch beteiligt sind. Brisant sind die Veräußerungsfälle dennoch, weil – wie sich auch im Streitfall zeigt – die Rspr. einen äußerst stringenten Fremdvergleich durchführt. Im Streitfall scheiterte die Anerkennung der AfS daran, dass der Kaufpreis etwas verspätet gezahlt wurde und die Nutzung des Kiesvorkommens durch die KG vor Besitzübergang erfolgte. Es ist deshalb höchst ratsam, die Veräußerungsgeschäfte sorgsam fremdvergleichbar zu formulieren und die getroffenen Vereinbarungen exakt einzuhalten. [kk]
[7] Der BFH hatte unter Änderung seiner Rspr. entschieden, dass die für die Entstehung einer steuerlichen Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung auch vorliegen kann, wenn die an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter die Besitz-Personengesellschaft lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beherrschen, Urt. IV R 7/18 v. 16.9.2022, DStR 2022, 189 (kösdi 2022, 22638, Report Nr. 111; dazu Strahl, NWB 2022, 354). Aus Vertrauensschutzgründen ist eine solche Beteiligung bei der Beurteilung der personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung erst ab dem VZ 2024 zu berücksichtigen, BMF-Schr. IV C 6 – S 2240/20/10006 :002 v. 21.11.2022. Das BMF stellt außerdem klar, dass es die Rspr. des BFH zur fehlenden personellen Verflechtung zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften weiter anwendet. [kk]
[8] AfA bei fortgeführtem Grundstücks-Vorbehaltsnießbrauch: Nach gefestigter Rspr. kann nach unentgeltlicher Übertragung eines bebauten Grundstücks unter Nießbrauchvorbehalt der Nießbraucher die AfA fortführen, die ihm bisher als Eigentümer zustand. Das gilt grundsätzlich ebenso, wenn die Immobilie mit Zustimmung des Nießbrauchers unter Verzicht auf den Nießbrauch an dieser veräußert wird und sich der Nießbrauch vereinbarungsgemäß am Surrogat aus der Grundstücksveräußerung fortsetzt. Besteht dieses in einer Ersatzimmobilie, an der sich der Vorbehaltsnießbrauch fortsetzt, steht dem Nießbraucher die Gebäude-AfA darauf weiterhin zu, soweit der Nießbraucher das Grundstück zur Einkünfteerzielung nutzt. Dies alles hat der BFH mit Urt. IX R 1/21 v. 24.5.2022, DStR 2022, 2355, bestätigt, musste sich jedoch zur speziellen Konstellation äußern, vgl. dazu auch Strahl, NWB 2022, 3272. Die Nießbrauch-Immobilie wurde mit der Maßgabe veräußert, dass der Kaufpreis auf ein Bankkonto des Nießbrauchers überwiesen wird, der die Mittel teilweise zur Anschaffung oder Herstellung zweier Ersatzimmobilien nutzte, deren Eigentümer die ursprünglich mit dem veräußerten Grundstück beschenkten Kinder wurden und an denen wiederum der Nießbrauch bestellt wurde. Der Nießbraucher vermietete sie zur Einkünfteerzielung. Die AfA, die der Nießbraucher als Werbungskosten geltend machen kann, ist in diesem Fall nach § 7 Abs. 4 EStG zu ermitteln. Bemessungsgrundlage ist der Teil der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, der auf die Gebäude der Ersatzgrundstücke entfällt.
Anm.: Der BFH hat im Urteil nochmals betont, dass bei der ertragsteuerlichen Beurteilung obligatorische Nießbrauchrechte dinglichen gleichzustellen sind. [kk]