Umsatzbesteuerung von Bestechungszahlungen
Mit Urteil vom 25.9.2024 hat der BFH in dem Verfahren XI R 6/23 festgestellt, dass die strafrechtlich eingezogenen Tatentgelte umsatzsteuerrechtlich die Bemessungsgrundlage auf den um die eingezogenen Beträge geminderten Betrag reduzieren. Zugleich befasst er sich mit der notwendigen (Vor-)Frage, ob die Zahlung von Schmiergeld Entgelt für steuerpflichtige Umsätze des Zahlungsempfängers ist.
Sachverhalt:
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und war bei verschiedenen Unternehmen der Immobilienwirtschaft als Projekt- bzw. technischer Leiter tätig. In seiner Funktion als Projektbetreuer hatte er Einfluss auf die Vergabe von Bauaufträgen und vergab regelmäßig Aufträge an nahestehende Geschäftspartner gegen die Zahlung von Schmiergeldern sowie den Erhalt kostenloser Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau.
Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit unterwarf das Finanzamt der Umsatzsteuer. Der Kläger wurde zudem im Strafverfahren wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) und Steuerhinterziehung verurteilt. Gegen den Kläger wurde die Einziehung der Taterträge nach §§ 73 ff. StGB angeordnet.
Der Kläger machte daraufhin geltend, die strafrechtlich eingezogenen Taterträge müssten als Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG berücksichtigt werden. Das Finanzamt folgte diesem Begehren nicht. Die erstinstanzlich erhobene Klage wies das FG Berlin-Brandenburg ab, vgl. Urt. FG Berlin-Brandenburg 2 K 2150/21 v. 7.3.2022, EFG 2023, 1033. Die dagegen vom Kläger eingelegte Revision hatte Erfolg.
Entscheidung des BFH:
Der BFH stellt zunächst fest, dass die gezahlten Bestechungsgelder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG umsatzsteuerbar sind. Für die Umsatzbesteuerung komme es nicht darauf an, ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot – hier die Strafbarkeit der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB – oder gegen die guten Sitten verstoße (§ 40 AO). Dies gelte auch für unwirksame Rechtsgeschäfte (§ 41 AO). Darüber hinaus sei aber die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, nach der ausnahmsweise illegale Aktivitäten (wie zB der Handel mit Drogen oder die Einfuhr von Falschgeld) – wegen des Grundsatzes der steuerlichen Wertneutralität nicht steuerbar sind, wenn wegen der besonderen Eigenschaften bestimmter Waren oder bestimmter Dienstleistungen jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist. In der Gewährung von Vorteilen gegen Bestechungsgelder sah der BFH jedoch keinen Ausnahmefall im Sinne der EuGH-Rechtsprechung, da hinsichtlich der Auftragsvergabe ein Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor bestehe.
Die im Grunde umsatzsteuerpflichtigen Umsätze sind jedoch nach Auffassung des BFH in der Bemessungsgrundlage um die vom Kläger an die Staatskasse gezahlten Abschöpfungsbeträge zu mindern. Der Kläger wäre durch die Vermögensabschöpfung und Besteuerung doppelt belastet. Diese Doppelbelastung verstieße sowohl gegen Verfassungs- als auch gegen Europarecht. Eine Verminderung der Bemessungsgrundlage erfolge im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung der §§ 10 Abs. 1, 17 Abs. 1 Satz 1 UStG. Der geschuldete Steuerbetrag sei in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen.
Einordnung:
Die Entscheidung des BFH betrifft zwei interessante Aspekte für die umsatzsteuerliche und steuerstrafrechtliche Beratungspraxis. Einerseits die Frage, inwieweit illegale Aktivitäten der Umsatzsteuer unterliegen. Andererseits – bei Bejahung der Umsatzsteuerbarkeit – die Minderung der Bemessungsgrundlage im Falle der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung.
Bei der Prüfung der Umsatzsteuerbarkeit des strafrechtlich relevanten Verhaltens ist genauer Augenmerk auf die Rechtsprechung des EuGH zu legen, nach der ausnahmsweise illegale Aktivitäten nicht steuerbar sind, vgl. dazu ausf. Farrugia-Weber, MwStR 2023, 838. Unter Berufung auf diese Rechtsprechung kann es sich nach Prüfung des Einzelfalls als sinnvoll erweisen, Einwände gegen die Umsatzsteuerbarkeit sowohl im Steuerstraf- als auch im Besteuerungsverfahren vorzubringen. Zurzeit ist etwa unklar, ob die entgeltliche Erstellung von Schein- und Abdeckrechnungen der Umsatzsteuer unterliegt, vgl. gegen die Umsatzsteuerbarkeit BGH-Beschl. 1 StR 436/21 v. 12.1.2022, wistra 2022, 299; für die Umsatzsteuerbarkeit hingegen jüngst Urt. Hessisches FG 6 K 443/22 v. 7.10.2024, EFG 2025, 129, Rev. BFH V R 21/24.
Wird im strafrechtlichen Verfahren die Einziehung der Taterträge nach den §§ 73 ff. StGB angeordnet, können die Berater unter Verweis auf die Entscheidung des BFH die Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG berichtigen. Die Berichtigung scheint, nach der in der Entscheidung des BFH zu erkennenden Tendenz in den Hinweisen an das FG für den nächsten Rechtsgang, erst mit der Zahlung auf die gerichtliche Einziehungsentscheidung möglich zu sein, nicht bereits mit der Zahlung der Gelder auf die Arrestmaßnahmen im Sinne des § 111b oder § 111e f. StPO zur Sicherung der Einziehung. Die weitere Entwicklung zu der Frage des Zeitpunkts der Berichtigung der Bemessungsgrundlage bleibt zu beobachten.

Verfasst von:
Jacob Eisenreich
Wissenschaftlicher Mitarbeiter