Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung bei Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein
Der BFH hat sich in seinem Urteil VIII R 8/22 v. 19.11.2024 mit der Verlustberücksichtigung aus dem Verzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf eine Darlehensforderung gegenüber der Gesellschaft gegen Besserungsschein befasst. Bei einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein verzichtet der Gläubiger unter der Bedingung, dass die Forderung wiederauflebt, wenn beim Schuldner die Besserung eintritt. Konkret ging es um die Frage, ob der Forderungsverzicht im Zeitpunkt des Verzichts oder erst dann zu berücksichtigen ist, wenn feststeht, dass die Bedingung aus dem Besserungsschein nicht mehr eintreten wird.
Steuerlicher Hintergrund:
Mit dem Verzicht auf die Darlehensforderung erzielt der Gesellschafter einen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EStG steuerbaren Verlust in Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung, denn in Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung führt der Forderungsverzicht zu einem Abtretungsverlust. Der Forderungsverzicht bewirkt den Wegfall der Forderung, der dem im Gesetz ausdrücklich erfassten Fall der Abtretung gleichsteht.
Die o.g. Vorschriften in § 20 Abs. 2, Abs. 4 EStG gelten für private Darlehens- und Gesellschafterforderungen, die nach dem 31.12.2008 angeschafft oder begründet worden sind, vgl. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG. Mit Einführung des § 17 Abs. 2a EStG für Veranlagungszeiträume in der Regel ab 2020, vgl. § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG, sind die Darlehensverluste wegen der Subsidiaritätsregelung in § 20 Abs. 8 EStG grundsätzlich vorrangig nach § 17 Abs. 2a EStG als nachträgliche Anschaffungskosten zu erfassen, vgl. zum Konkurrenzverhältnis und den für § 20 Abs. 2 EStG verbleibenden Anwendungsfällen ausf. Strahl/Winkler, in: Korn, EStG, § 17 Rz. 249 ff. (Stand: Oktober 2021); Demuth, GmbH-StB 2020, 189, 192; Levedag, GmbHR 2020, 114, 118.
Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) gründete zusammen mit seinem Bruder im Streitjahr die X GmbH & Co. KG. Der Kläger war zu 12,8 % an der KG beteiligt und war außerdem Geschäftsführer und Gesellschafter der Komplementär-GmbH. In den Jahren 2008/2009 geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Daraufhin gewährte der Kläger der KG mit Vertrag vom 6.2.2009 ein nachrangiges Darlehen. Im selben Jahr wurde die KG sodann formwechselnd und rückwirkend zum 31.12.2008 in die Z GmbH umgewandelt. Der Kläger war weiterhin mit 12,8 % am Stammkapital der GmbH beteiligt und übte die Funktion eines Geschäftsführers der Gesellschaft kraft Sonderrechts aus. Nachdem sich die finanzielle Situation der Gesellschaft zum Ende 2009 weiter verschlechterte, verzichtete der Kläger auf seine Rechte aus dem Darlehensvertrag unter der auflösenden Bedingung, dass die GmbH wirtschaftlich und finanziell in der Lage ist, sämtliche Darlehen in vollständiger Höhe zurückzuzahlen („Besserungsschein“). Das Finanzamt erkannte die für das Jahr 2009 geltend gemachten Werbungskosten aufgrund des Darlehensverzichts nicht an.
Entscheidung des BFH:
Der BFH entschied im Revisionsverfahren, dass der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist und – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – nicht erst, wenn feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird. Diese Annahme begründet der BFH damit, dass der Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich zum sofortigen Wegfall der Forderung führt. Tritt der Besserungsfall ein, lebt die ursprüngliche Forderung gemäß § 158 Abs. 2 BGB wieder auf, der Eintritt der Bedingung entfaltet jedoch keine Rückwirkung. Zwar erwirbt der verzichtende Gläubiger beim Verzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich eine Besserungsanwartschaft, dabei handelt es sich jedoch um ein von der Forderung zu unterscheidendes, eigenständiges, verkehrsfähiges Wirtschaftsgut. Daraus schlussfolgert der BFH in seiner Entscheidung auch, dass die Anschaffungskosten der Darlehensforderung, auf die unter Besserungsvorbehalt verzichtet worden ist, nicht der Besserungsanwartschaft zuzuordnen sind.
Am Ende seiner Entscheidung stellt der BFH noch fest, dass die Subsidiaritätsregelung des § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG der Berücksichtigung des Verlustes nicht entgegensteht. § 20 Abs. 2 EStG werde von § 17 EStG nur verdrängt, wenn und soweit sich der Verlust bei der Anwendung von § 17 EStG auswirkt und wenn die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. Bei einer späteren Berücksichtigung (auch) im Rahmen des § 17 EStG müsse ggf. die Berücksichtigung bei § 20 Abs. 2 EStG auf verfahrensrechtlicher Grundlage korrigiert werden.
Praxishinweis:
Die Entscheidung zeigt, dass fortan auch auf der Ebene des Gesellschafters der bisher bereits auf der Ebene der Gesellschaft geltende und von der Finanzverwaltung bereits anerkannte (vgl. BMF-Schr. IV A 2 – S 2743 – 5/03 v. 2.12.2003, BStBl. 2003 I, 648) Grundsatz anzuwenden ist, dass die Rechtsfolgen aus einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein unabhängig vom Eintritt eines etwaigen Besserungsfalls im Zeitpunkt des Verzichts eintreten und zu berücksichtigen sind. Diese Auffassung wird die Finanzverwaltung fortan zu berücksichtigen haben (anders noch BMF, Schr. IV C 1 – S 2252/19/10003 v. 19.5.2022, BStBl. 2022 I, 742, Rz. 62). Darin unterscheidet sich der Forderungsverzicht von einem Forderungsausfall, da der Verfall einer Forderung bis zu ihrem endgültigen Ausfall durchaus eine fortschreitende Entwicklung sein kann.

Verfasst von:
Charlotte Graßmann
Rechtsanwältin