Zollwertbestimmung bei nachträglichen Verrechnungspreisanpassungen
Der BFH hat sich in dem Revisionsverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil des FG München 14 K 4028/18 vom 15.11.2018 mit der Frage befassen müssen, ob sich die nachträgliche Anpassung von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen auf die Zollwertbestimmung eingeführter Waren auswirkt, vgl. BFH-Urt. VII R 2/19 v. 17.5.2022, BFH/NV 2022, 1270.
Sachverhalt:
Die Klägerin führte von ihrer Muttergesellschaft in Japan mehr als 1.000 Sendungen verschiedenster Waren ein. Bei Einfuhr der Waren wurde der Zollwert der Waren mit den von der Muttergesellschaft in Rechnung gestellten Preisen angegeben. Aufgrund einer zwischen den verbundenen Unternehmen abgeschlossenen Verrechnungspreisvereinbarung senkte sich der Preis der Waren nachträglich zum Jahresende herab und die Klägerin erhielt von der Muttergesellschaft eine pauschale Gutschrift. Unter Verweis auf die nachträglichen Anpassungen der Verrechnungspreise, die bei der Anmeldung der Waren nicht berücksichtigt wurden, machte die Klägerin – nach erfolglosem Einspruchsverfahren – vor dem FG München zollrechtliche Erstattungsansprüche geltend. Das FG München legte dem EuGH die Frage vor, ob die nachträgliche Verrechnungspreisvereinbarung bei der Zollwertbestimmung berücksichtigt werden könne.
Der EuGH antwortete darauf, dass die Art. 28 bis 31 UZK dahin auszulegen sind, dass sie es nicht zulassen, als Zollwert einen vereinbarten Transaktionswert zugrunde zu legen, der sich teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, ohne dass sich sagen lässt, ob am Ende des Abrechnungszeitraums diese Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgen wird, vgl. EuGH-Urt. C-529/16 v. 20.12.2017 Rs. Hamamatsu Photonics Deutschland.
Daraufhin wies das FG München die Klage ab, ließ aber die Revision zum Bundesfinanzhof zu.
Entscheidungsgründe:
Die Revision wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen. Dabei stellt der BFH im Wesentlichen auf die waren- und stichtagsbezogene Betrachtungsweise zur Zollwertermittlung ab. Entscheidend sei der Zeitpunkt, in dem die betreffenden Zollanmeldungen der Waren angenommen worden sind.
Für die Bestimmung des Zollwerts nach dem Transaktionswert gem. Art. 29 UZK bedeutet dies, dass der im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis maßgeblich ist. Eine nachträgliche Änderung des Kaufpreises entfaltet für die Zollwertbestimmung nur in engen Ausnahmefällen Bedeutung, etwa wenn der Zollbehörde nachgewiesen wird, dass die Waren im Zeitpunkt der Zollanmeldung schadhaft waren. Die nachträgliche Berichtigung des Transaktionswerts hatte der EuGH in der Vorlageentscheidung ausdrücklich ausgeschlossen. Hierauf verweist der BFH dementsprechend.
Darüber hinaus stellt er fest, dass auch bei der Bestimmung des Zollwerts nach der Schlusswertmethode gem. Art. 31 UZK auf den Zeitpunkt der Einfuhr abzustellen ist. Zur Auslegung des Art. 31 UZK zieht der BFH Art. 8 Abs. 3 des Übereinkommens zur Durchführung des Art. VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens heran. Demnach dürfen Zuschläge und – in entsprechender Anwendung – Abschläge zu dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nur auf der Grundlage objektiver und quantifizierbarer Angaben zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung erhoben werden. Da bei der nachträglichen Verrechnungspreisvereinbarung zum Zeitpunkt der Zollentstehung nicht feststeht, ob es im Nachhinein einen Zu- oder Abschlag auf den Preis gibt, ist die pauschale Gutschrift nach dem Abrechnungszeitraum für den Zollwert unerheblich.
Anmerkung:
Die Entscheidung ist ein „Schlussstrich“ hinter einem mehrjährigen Rechtsstreit um die äußerst praxisrelevante Frage, wie sich Verrechnungspreisvereinbarungen zwischen verbundenen Unternehmen und Zollwert zueinander verhalten. Dabei betonen in diesem Fall sowohl EuGH als auch der BFH in seiner Folgeentscheidung die wert- und stichtagsbezogene Betrachtungsweise.
Zumindest für die im Streitfall gewählte Verrechnungspreisvereinbarung, bei der am Ende des Jahres losgelöst von den konkreten Waren, sondern orientiert am Gewinn bzw. Umsatz der Unternehmen (Residual Profit Split Method), eine Gutschrift bzw. Nacherhebung zwischen den Unternehmen erfolgt, ist nunmehr klar, dass diese – mangels Quantifizierbarkeit zum Einfuhrzeitpunkt – keine Auswirkung auf die Zollwertbestimmung hat.
Unklar ist, wie man das Urteil im Hinblick auf den umgekehrten Fall einordnen soll, wenn aufgrund der nachträglichen Verrechnungspreisvereinbarung keine Gutschrift, sondern eine Nachbelastung zulasten des die Waren einführenden Unternehmens erfolgt wäre. Stellt man konsequent auf die waren- und stichtagsbezogene Betrachtungsweise ab, dürften Nacherhebungen zugunsten der Zollbehörden nicht zulässig sein.
Es bleibt abzuwarten, wie die deutsche Zollverwaltung mit der Entscheidung umgeht. Bisher ist sie nach unserer Kenntnis jedenfalls nicht von ihrer Auffassung abgewichen, nachträgliche Erhöhungen des Transferpreises als zollwertrelevant zu betrachten.
Sofern Hauptzollämter ihre Nacherhebungspraxis bei Nachbelastungen nicht ändern, sollten betroffene Unternehmen Einspruch einlegen und gegebenenfalls Aussetzung der Vollziehung beantragen.