Anforderungen an Satzungsregelung zu virtuellen Mitgliederversammlungen
Das OLG Hamm hat mit Beschluss 27 W 58/22 vom 4.8.2022 die Beschwerde eines Vereins gegen den Beschluss des Registergerichts in Dortmund (Az.: VR 20242) zurückgewiesen. Die Entscheidung zeigt auf, dass bei der Umstellung von Präsenzversammlungen auf virtuelle oder hybride Mitgliederversammlungen durch eine Satzungsregelung Vorsicht geboten ist.
Sachverhalt
Ein Verein hat vor dem Registergericht in Dortmund eine Satzungsänderung zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der Mitgliederversammlung im Wege elektronischer Kommunikation angemeldet.
Die neu gefasste Regelung in § 15 der Satzung bestimmte, dass die Mitgliederversammlung:
„auch in der Weise stattfinden kann, dass ein Teil der Mitglieder oder alle Mitglieder ihre Mitgliedsrechte im Wege elektronischer Kommunikation und ohne Anwesenheit an einem Versammlungsort ausüben können.“
Das Registergericht hat die Eintragung der Satzungsänderung als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde vor dem OLG Hamm blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Zunächst stellt das OLG fest, dass der Verein in seiner Satzung von der Durchführung der Mitgliederversammlung in Präsenz abweichen kann. Der Verein kann festlegen, dass er Mitgliederversammlungen (alternativ) virtuell oder real durchführt. Auch eine Mischform (hybrid), die den Mitgliedern die Wahl einräumt, ob sie physisch oder virtuell an der Versammlung teilnehmen wollen, ist zulässig.
Erforderlich für sämtliche Satzungsregelungen, mit der die Möglichkeit einer virtuellen bzw. hybriden Mitgliederversammlung geschaffen wird, ist jedoch, dass sie hinreichend konkret die Modalitäten der Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung vorgeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Satzung eine Mischform aus realer und virtueller Mitgliederversammlung zulässt, weil für diesen Fall sichergestellt sein muss, dass die virtuell anwesenden Mitglieder ebenso wie die physisch anwesenden Mitglieder an der Versammlung partizipieren können.
Im Streitfall weist das OLG darauf hin, dass der Regelung Bestimmungen dazu fehlen, ob es bei einer virtuellen Mitgliederversammlung erforderlich ist, dass sämtliche Mitglieder gleichzeitig unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel virtuell anwesend sind, oder ob es ausreichen soll, dass die Mitglieder zwar auf elektronischem Wege Fragen und Anträge stellen sowie ihre Stimmen abgeben, sie aber nicht gleichzeitig virtuell anwesend sein müssen und auch nicht die Möglichkeit einer Diskussion bestehen muss.
Außerdem bestimmt die Satzungsregelung nicht, wie die Wahrnehmung der Mitgliedsrechte auf elektronischem Weg faktisch realisiert werden soll. Die Satzung muss nach Ansicht des OLG anhand ihrer Regelungen gewährleisten, dass dem virtuell anwesenden Mitglied die Partizipation gleichermaßen wie dem physisch anwesenden Mitglied die Mitgliederversammlung ermöglicht. Gleichermaßen nimmt nur teil, wer die (technische) Möglichkeit hat, die Versammlung durchgehend zu verfolgen, unmittelbar in der Versammlung Fragen und Anträge zu stellen sowie sich an den Abstimmungen zu beteiligen.
Die fehlenden Aussagen zu diesen Fragen sind nach Auffassung des OLG Hamm derart wesentlich, dass sie in der Satzung geregelt werden müssen und nicht dem Ermessen des Vorstandes überlassen werden dürfen.
Einordnung
Bis zum 31.8.2022 konnte eine virtuelle Mitgliederversammlung im Verein aufgrund der Regelung im „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Verein- und Stiftungs- und Wohnungseigentumsrechts zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (COVMG) ohne eine Regelung in der Satzung des Vereins durchgeführt werden. (Gemeinnützige) Vereine, die über diesen Zeitpunkt hinaus virtuelle oder hybride Mitgliederversammlungen durchführen möchten, müssen ihre Satzungen ändern oder im Vorhinein die ausdrückliche Zustimmung sämtlicher Mitglieder einholen, vgl. Beschl. OLG Hamm 27 W 106/11 v. 27.9.2011. Die entsprechenden Satzungsregelungen werden dann von dem Registergericht vor der Eintragung in das Vereinsregister überprüft.
Die Entscheidung zeigt auf, dass der Verein bei der Entscheidung über die Durchführungsmodalitäten seiner Mitgliederversammlung viele Freiheiten hat. Zu beachten sind aber die Anforderungen an die Bestimmtheit der konkreten Satzungsregelung. Über die bloße Regelung zur Durchführung der Mitgliederversammlung hinaus sind u.a. Regelungen aufzunehmen über die (digitale) Einladung, die Teilnahmerechte für nur virtuell teilnehmende Mitglieder und die Beschlussfassung.
Aus der Vielzahl der Möglichkeiten, die Mitgliederversammlungen durchzuführen, folgt, dass sich die Satzungsregelung am jeweiligen Einzelfall und den Bedürfnissen des Vereins orientieren muss. Will der Verein eine rein virtuelle Mitgliederversammlung durchführen, bedarf es anderer Bestimmungen als für die Einführung einer hybriden Mitgliederversammlung. Hieraus ergibt sich der individuelle Beratungsbedarf für alle Vereine, die ihre Mitgliederversammlungen in Zukunft flexibler gestalten wollen.
Hinweis
Am 8.11.2022 hat die CDU/CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht unter der BT-Drs. 20/4318 in den Bundestag eingebracht. Der Entwurf sieht eine inhaltliche Ergänzung des § 32 BGB um einen Absatz 1a vor, nach dem der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen kann, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bild- und Tonübertragung teilnehmen und Mitgliederrechte auf diesem Wege ausüben können. Die Neuregelung gleicht nicht vollständig der o.g. pandemiebedingten Sonderregelung in § 5 COVMG; etwa die schriftliche Stimmabgabe vor Durchführung der virtuellen Mitgliederversammlung (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 COVMG) ist nicht vorgesehen. Es bleibt den Vereinen aber vorbehalten, abweichende Satzungsregelungen vorzunehmen. Sollte das Gesetz vom Bundestag beschlossen werden – der Entwurf sieht ein Inkrafttreten zum 1.1.2023 vor – bleibt der Verein gleichwohl an die bisherigen Satzungsregelungen zur Einberufung und Durchführung der Mitgliederversammlung gebunden.