Einbezug von Geschäftsführervergütungen in die Lohnsummenberechnung
Das FG Münster hat mit Urteil vom 14.4.2025 (3 K 483/24 F) entschieden, dass die an Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft gezahlten Vergütungen – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – bei der Ermittlung der maßgebenden jährlichen Lohnsummen nach § 13a ErbStG (a.F.) zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung des FG Münster ist für einen Altfall ergangen, lässt sich aber auch auf die aktuelle Fassung des § 13a ErbStG übertragen.
Was ist die Lohnsummenregelung?
Das ErbStG sieht in den §§ 13a, 13b ErbStG eine weitreichende erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung für die Übertragung des sog. begünstigten Vermögens vor. Unter bestimmten Voraussetzungen kann entweder ein 85%iger oder ein 100%iger Verschonungsabschlag auf den übertragenen Wert des land- und forstwirtschaftlichen oder unternehmerischen Vermögens gewährt werden. Mit den Verschonungsregelungen sollen diese Vermögen beim unentgeltlichen Übergang durch Erbschaft oder Schenkung von steuerlichen Belastungen weitgehend freigehalten werden, um so die Liquidität der Betriebe zu schonen und Arbeitsplätze zu sichern.
Eine der Bedingungen für die Gewährung der Steuervergünstigungen ist in diesem Zusammenhang die sog. Lohnsummenregelung, die im Konkreten dem Zweck dient, den Erwerber des betrieblichen Vermögens zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu veranlassen. Die Regelung vergleicht die durchschnittliche Lohnsumme in einem bestimmten Zeitraum vor der Steuerentstehung mit einem bestimmten Zeitraum nach dem Erwerb; in diesem Vergleichszeiträumen darf die Lohnsumme einen bestimmten Prozentbetrag der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten (sog. Mindestlohnsumme). Die Anforderungen an die Lohnsummenregelung sind dabei für die Gewährung des 100%igen Verschonungsabschlags strenger als für den 85%igen Verschonungsabschlag.
Streitfall vor dem FG Münster:
Vor dem FG Münster war nun streitig, ob die an die Gesellschafter-Geschäftsführer einer KG gezahlten – angemessenen – Geschäftsführervergütungen in die Berechnung der Lohnsummen einzubeziehen sind. Die Finanzverwaltung vertritt hier in Anknüpfung an das Ertragsteuerrecht die Auffassung, dass nur der lohnsteuerrechtlich als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG zu qualifizierende Arbeitslohn in die Lohnsummenregelung einbezogen werden kann; in dem Umfang, in dem die Vergütung eines Gesellschafters einer Personengesellschaft als Sondervergütung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu qualifizieren ist, bleibt diese bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme unberücksichtigt, vgl. H E 13a.5 ErbStH. Auch in der steuerrechtlichen Literatur finden sich Stimmen, die dieser Verwaltungsauffassung folgen, vgl. etwa Kepper, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 32 (Stand: April 2025).
Aus der ertragsteuerlichen Anknüpfung folgt, dass an Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft gezahlte Vergütungen in die Lohnsummenregelung einbezogen werden (Qualifizierung als Einkünfte nach § 19 EStG), an Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft gezahlte Vergütungen jedoch nicht (Qualifizierung als Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Gegen diese von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung wandte sich die Klägerin (KG) und wollte die an ihre Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Vergütungen bei der Berechnung der Lohnsumme berücksichtigt wissen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG Münster der Klägerin Recht und lehnte die oben dargestellte Auffassung der Finanzverwaltung ab.
Entscheidungsgründe:
Der 3. Senat des FG Münster entschied, dass nicht die ertragsteuerliche Qualifizierung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 ErbStG, sondern die handelsrechtliche Behandlung als Aufwand maßgeblich ist. Dies folgert das Gericht aus der Auslegung des § 13a Abs. 4 ErbStG a.F., der sprachlich keine zwingende Anknüpfung an das Ertragsteuerrecht erkennen lasse. Anders etwa als in § 31 Abs. 1 GewStG definiere der § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. die Arbeitslöhne nicht explizit als Vergütungen iS des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Vielmehr habe die Auslegung in Anlehnung an das Zivilrecht zu erfolgen. Handelsrechtlich stellten die Bezüge für die Geschäftsführer gemäß § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB Personalaufwand dar. Auch die Gesetzesmaterialien und der Sinn und Zweck der Lohnsummenregelung stütze dieses Auslegungsergebnis. Im Ergebnis sind daher die Fälle der Zahlung von Vergütungen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften gleich zu behandeln wie die Fälle der Zahlung von Vergütungen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Personengesellschaften.
Einordnung:
Die Fälle zu der Berechnung der Lohnsummen bei Gesellschafter-Geschäftsführern von Personengesellschaften trifft man in der Praxis häufig an. Problematisch ist dabei, wenn die Erwerber bereits zuvor in dem Betrieb angestellt sind. Nach der ertragsteuerrechtlichen Betrachtung der Finanzverwaltung erhöhen die vor dem Erwerb als Angestellte nach § 19 EStG erzielten Vergütungen die Ausgangslohnsumme, während die nach dem Erwerb als Gesellschafter-Geschäftsführer erzielten Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für die Berechnung der Lohnsumme unberücksichtigt bleiben. Die Berücksichtigung der Mitarbeiter vor dem Erwerb bei Beschäftigtenzahl und Ausgangslohnsumme, nicht jedoch bei der Mindestlohnsumme nach dem Erwerb, führt zu verzerrten Ergebnissen, siehe auch Bernhard/Landherr, NWB 2015, 3903, 3906.
Die Lösung dieser Problematik durch eine teleologische Reduktion dahingehend, dass die vor dem Erwerb bezogenen Vergütungen in der Ausgangslohnsumme nicht anzusetzen sind, lehnte der 3. Senat des FG Münster in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 ab und deutete in dieser Entscheidung das bereits hier gewählte Ergebnis einer Berücksichtigung der Vergütungen im Rahmen der Mindestlohnsumme an, Urt. FG Münster 3 K 2983/17 F v. 1.10.2020, EFG 2021, 130, Rz. 47. Das FG Münster hat die Revision zugelassen; der BFH erhält daher in dem unter II R 28/25 anhängigen Revisionsverfahren die Möglichkeit, sich zu der praxisrelevanten Fragestellung betreffend den Einbezug von Vergütungszahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft in die Berechnung der Lohnsumme zu positionieren.
