EuGH-Urteil zur Umsatzbesteuerung von Zuschüssen für den ÖPNV
In einem polnischen Fall hat sich der EuGH mit Urteil v. 8.5.2025 in der Rs. C-615 „P S.A.“ mit der Umsatzbesteuerung von Zuschüssen für den ÖPNV befasst. Die in der Entscheidung enthaltenen Aussagen zum Vorliegen eines echten, nicht steuerbaren Zuschusses sind dabei auch für die deutsche Beurteilung entsprechender Sachverhalte von Bedeutung.
Sachverhalt:
Die Klägerin im Ausgangsverfahren ist ein polnisches Beförderungsunternehmen und zuständig für den Betrieb des örtlichen ÖPNV. Die entstehenden Kosten finanziert die Klägerin u.a. durch den Verkauf von Fahrscheinen in den betriebenen Verkehrsmitteln. Da diese Finanzierungsart allein nicht kostendeckend ist, soll die Klägerin von einer Gebietskörperschaft eine Ausgleichsleistung erhalten. In einem Vertrag wurden die Modalitäten dieser Ausgleichszahlungen festgehalten. Vereinbart wurde, dass die geplante Ausgleichsleistung pauschal und auf jährlicher Basis ausgezahlt wird sowie einen bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigt. Die Zahlung der Ausgleichsleistung hatte keinen Einfluss auf den Fahrpreis, weil die Gebietskörperschaft als Organisatorin des ÖPNV diesen unabhängig von der Ausgleichszahlung festsetzte
Über die umsatzsteuerliche Behandlung der gezahlten Ausgleichsleistung besteht Streit. Die polnische Steuerbehörde will die pauschale Ausgleichsleistung als Subvention eines Dritten iS von Art. 73 MwStSystRL (Entgelt von dritter Seite iS von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG) für die Beförderungsleistungen an die Fahrgäste – Fahrkartenverkauf – in die Bemessungsgrundlage einbeziehen. Nach Ansicht der Klägerin erhöht die Ausgleichszahlung die Steuerbemessungsgrundlage hingegen nicht. Das Oberste Verwaltungsgericht Polens entschied sich für eine Vorlage an den EuGH.
Entscheidungsgründe:
Nach Auffassung des EuGH ist die von der Gebietskörperschaft an die Betreiberin gezahlte pauschale Ausgleichsleistung nicht als Zahlung eines Dritten iS von Art. 73 MwStSystRL in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Der EuGH folgt damit den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott vom 13.2.2025.
Maßgeblich ist für das Gericht, dass die Ausgleichsleistung nicht speziell dafür gezahlt wird, dass die Beförderungsdienstleistung von der Betreiberin an konkrete Nutzer des ÖPNV erbracht werden. Die Gebietskörperschaft habe auch keinen Einfluss auf den von den Nutzern zu zahlenden Preis. Die Ausgleichsleistung werde nachträglich gewährt und ist von der konkreten Benutzung der Beförderungsdienstleistungen unabhängig; vielmehr stelle sie auf die pauschal angebotenen Fahrzeugkilometer ab.
Einordnung:
Die Abgrenzung eines echten, nicht steuerbaren Zuschusses von einem steuerbaren Entgelt (von dritter Seite) betrifft eine Vielzahl von Fallgestaltungen und ist in der Praxis von hoher Bedeutung. Für den Rechtsanwender ist daher jede neue Entscheidung begrüßenswert, aus der sich klare Vorgaben für die umsatzsteuerliche Beurteilung entnehmen lassen. Die EuGH-Entscheidung arbeitet dabei überzeugend heraus, dass die pauschale Zuschusszahlung kein Entgelt eines Dritten darstellt, wenn diese gerade nicht für die Erbringung einer Dienstleistung an einen konkreten Leistungsempfänger gezahlt wird.
Die Einstufung von Zuschüssen im ÖPNV als nicht umsatzsteuerbar entspricht auch der Rechtsprechung des BFH, der sich bereits im vergangenen Jahr mit einem ähnlichen Sachverhalt befassen musste. Mit Urteil vom 17.4.2024 entschied der BFH im Verfahren XI R 13/21, dass Landeszuweisungen an eine Gemeinde für die Errichtung von Verkehrsinfrastruktur für den ÖPNV nicht der Umsatzsteuer unterliegen; die Zahlung an die Gemeinde zur strukturpolitischen Förderung der Verkehrsinfrastruktur spreche gegen ein Entgelt von dritter Seite, vgl. BFH-Urt. XI R 13/21 v. 17.4.2024, BStBl. 2024 II, 801.
Praxishinweis:
Die allgemeinen Erwägungen des EuGH zu diesem polnischen Fall lassen sich auch für die Gestaltung von Zuschüssen hier zu Lande nutzbar machen. Zahlungen zum Ausgleich von verlustträchtigen Tätigkeiten sollten möglichst nachträglich und unabhängig von der konkreten Nutzung (pauschal) erfolgen. Die Verknüpfung der Zahlung mit der Erwartung an eine bestimmte Leistung an einen konkreten Leistungsempfänger sollte vermieden werden, siehe zu der Entscheidung des EuGH auch die Anmerkungen von Küffner, UR 2025, 472 f. und Tsyganov, DStRK 2025, 164.

Verfasst von:
Jacob Eisenreich
Wissenschaftlicher Mitarbeiter