Handlungsunfähigkeit der GmbH nach Tod des Alleingeschäftsführers einer GmbH
Der Tod eines GmbH-Gesellschafters kann in der Praxis zu vielfältigen Problemen führen, insbesondere, wenn der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH verstirbt. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Brandenburg vom 2.1.2024 (Az.: 7 W 66/23).
Sachverhalt:
In einer GmbH mit zwei Gesellschaftern verstirbt der alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer; seine Erben sind nicht bekannt. Die überlebende Gesellschafterin bestellte sich in einer unter Verzicht auf alle gesetzlichen und/oder satzungsrechtlich vorgeschriebenen Formen und Fristen abgehaltenen Gesellschafterversammlung zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin unter Befreiung von § 181 BGB. Bei dem zuständigen Registergericht beantragte sie unter Verweis auf die GmbH-Satzung die Löschung des verstorbenen Geschäftsführers aus dem Handelsregister und ihre Eintragung als neue Geschäftsführerin.
Die GmbH-Satzung sieht in § 13 u.a. vor, dass beim Tod eines Gesellschafters nur die Mitgesellschafter nachfolgeberechtigt sind. Geht ein Geschäftsanteil auf eine nicht nachfolgeberechtigte Person über, ist er an eine nachfolgeberechtigte Person zu übertragen, wenn die Gesellschaft dies innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Vorlage eines Erbscheins verlangt. Bis zur Übertragung und Anzeige bei der Gesellschaft ruhen die Gesellschafterrechte mit Ausnahme des Gewinnbezugsrechts.
Das Registergericht hat mit Zwischenverfügung angeordnet, dass die GmbH eine Nachlasspflegschaft anregen und den Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben zur Versammlung zu laden habe. Gegen diese Zwischenverfügung wenden sich sowohl die GmbH als auch die überlebende Gesellschafterin.
Entscheidungsgründe:
Nach Auffassung des OLG ist die Beschwerde begründet und die Zwischenverfügung des Registergerichts aufzuheben. Die Beschwerde hatte jedoch nur deshalb Erfolg, weil die formellen Voraussetzungen für die Entscheidung durch eine Zwischenverfügung nicht vorliegen.
Hingegen erachtet das OLG die materiell-rechtlichen Erwägungen des Registergerichts, wonach die Bestellung einer Geschäftsführerin nicht ohne Ladung eines Vertreters der unbekannten Erben zur Gesellschafterversammlung wirksam beschlossen werden kann, als zutreffend. Die Nichtladung eines Gesellschafters ist gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog ein Einberufungsmangel, der zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht klar, dass das Recht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen auch bei Ruhen der Gesellschafterrechte nicht durch Gesellschaftssatzung entzogen werden kann.
Die überlebende Gesellschafterin durfte daher keine Gesellschafterversammlung abhalten, ohne einen Vertreter der unbekannten Erben des verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers einzuladen. Denn die (unbekannten) Erben des verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers sind durch den Erbfall Gesellschafter der GmbH geworden. Aus der GmbH-Satzung ergebe sich nicht, dass die Rechtsnachfolge durch die Erben ausgeschlossen sei. Vielmehr sehe die Satzung nur für den Fall, dass die Gesellschaft dies verlangt, eine Übertragung des Geschäftsanteils vor. Welche Rechtsfolge gelten soll, wenn die Gesellschaft das Verlangen nicht erklärt, wird nicht geregelt. Denkbar wäre, dass die Gesellschaft mit den Erben fortgeführt wird oder diese in Liquidation tritt.
Könnte die überlebende Gesellschafterin die Gesellschafterversammlung ohne Ladung der unbekannten Erben durchführen, würde dies dazu führen, dass die Beschlussfassung über sämtliche die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten zulässig wäre, ohne dass die Erben oder vor deren Ermittlung ein zu ihrer Vertretung berufener Nachlasspfleger Kenntnis von den Beschlussfassungen erlangen. Der überlebenden Gesellschafterin wäre es möglich, längerfristig Beschlüsse zu fassen, die den Interessen der durch den Erbfall berufenen Gesellschafter zuwiderliefen, da sämtliche Fristen für die Übernahme der Geschäftsanteile erst zu laufen beginnen, wenn der Gesellschaft ein Erbschein vorgelegt worden ist.
Praxishinweis:
Die Entscheidung des OLG zeigt, dass der Tod eines GmbH-Gesellschafters zur (vorübergehenden) Handlungsunfähigkeit der GmbH führen kann. Analog § 241 Nr. 1 AktG kann eine wirksame Beschlussfassung ohne Ladung des Rechtsnachfolgers des verstorbenen Gesellschafters nicht erfolgen. Sind die Erben des GmbH-Gesellschafters unbekannt, muss daher schnellstmöglich eine Nachlasspflegschaft angeregt werden (vgl. § 24 Abs. 1 FamFG), um dann den Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben zur Gesellschafterversammlung zu laden. Die (unbekannten) Erben sind in die Gesellschafterliste einzutragen, vgl. zu der streitigen Frage, wer genau in die Gesellschafterliste einzutragen ist Werner, ErbR 2024, 344, 347. Für die führungslose Gesellschaft kann ferner in entsprechender Anwendung des § 29 BGB auf Antrag ein Not-Geschäftsführer bestellt werden, vgl. Wachter, GmbHR 2023, 328, 329 f.
Um Verzögerungen bei wichtigen Entscheidungen durch die Gesellschafterversammlung für die GmbH zu vermeiden, sollte daher in der Beratungspraxis entsprechende Vorsorge bereits zu Lebzeiten getroffen werden. Dies gilt sowohl für den „einfachen“ GmbH-Gesellschafter als auch für den alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführer. In vielen Fällen empfiehlt sich bereits die lebzeitige Übertragung von Geschäftsanteilen. Alternativ können Vollmachtlösungen erwogen werden, vgl. Udwari, ZEV 2023, 800, 802 f. Bei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern kann auch eine aufschiebend bedingte Bestellung eines „Vorrats-Geschäftsführers“ in Betracht kommen, vgl. Udwari, ZEV 2023, 800, 802; Wachter, GmbHR 2023, 328, 330.
Verfasst von:
Jacob Eisenreich
Wissenschaftlicher Mitarbeiter