Kein Arbeitslohn bei schenkweiser Übertragung von Geschäftsanteilen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge
Der BFH hat mit Urteil v. 20.11.2024 (Az. VI R 21/22) entschieden, dass die schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge nicht zu Arbeitslohn nach § 19 EStG führt.
Sachverhalt:
Die Klägerin war über viele Jahre als Arbeitnehmerin einer GmbH tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG). Die Gründer der GmbH beschlossen in der Gesellschafterversammlung, dass zur Regelung der Unternehmensnachfolge und zur Sicherung der Unternehmensfortführung die Gesellschaftsanteile auf den gemeinsamen Sohn der beiden Gesellschafter und zum anderen auf die Klägerin und vier weitere leitende Mitarbeiter erfolgen soll. Das Unternehmen sollte durch diese Personen fortgeführt werden; eine Führung und Leitung nur durch den Sohn der beiden Gesellschaften war nach Ansicht der Gesellschafter u.a. wegen seiner fehlenden unternehmerischen Erfahrung nicht gewährleistet.
Dem Sohn wurden daraufhin 74,61 % der Anteile, den leitenden Mitarbeitern jeweils 5,08 % der Anteile übertragen. Die fünf leitenden Mitarbeiter erhielten damit eine Sperrminorität im Unternehmen. Die Übertragungen waren weder an Bedingungen oder Beschränkungen noch an einen Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft. Lediglich in § 9 Abs. 2 des Vertrags war eine Rückfallklausel dahingehend vereinbart, dass der Veräußerer berechtigt sein sollte, die Rückübertragung des Anteils zu verlangen, falls das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nach §§ 13a, 13b, 19a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nicht gewähre oder gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG zum Nachteil des Erwerbers ändere.
Das Finanzamt ging davon aus, dass in dem unentgeltlichen Erwerb der Geschäftsanteile durch die fünf leitenden Mitarbeiter (Arbeitnehmer) ein als Arbeitslohn nach § 19 EStG zu berücksichtigender geldwerter Vorteil zu sehen sei.
Entscheidung des BFH:
Der VI. Senat hat die vom Finanzamt eingelegte Revision gegen die erstinstanzlich zugunsten der Klägerin ausgefallene Entscheidung des FG als unbegründet zurückgewiesen. Er entschied, dass der in der schenkweisen Übertragung der GmbH-Beteiligung liegende Vorteil keinen Arbeitslohn der Klägerin darstellt.
Ein Vorteil könne bei der Übertragung grundsätzlich in der verbilligten Überlassung der Geschäftsanteile gesehen werden. Das Vorliegen von Arbeitslohn setze aber des Weiteren voraus, dass der betreffende geldwerte Vorteil für eine Beschäftigung gewährt wird, also durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist, ohne dass ihm eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Auch der durch einen Dritten (Gesellschafter der GmbH als Arbeitgeber) eingeräumte Vorteil könne zu Arbeitslohn führen, wenn sich die Leistung des Dritten als Ertrag für die in der Vergangenheit erbrachten oder in Zukunft zu erbringenden Dienste darstellt. Arbeitslohn liege hingegen nicht vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.
Anhand dieser Maßstäbe bestätigt der BFH die tatrichterliche Gesamtwürdigung der Vorinstanz, dass die schenkweise Überlassung der Anteile im Streitfall nicht als durch das Dienstverhältnis veranlasst zu beurteilen sei. Entscheidendes Motiv für die Übertragung der Beteiligung sei für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge. Dies sei aus dem Vertragswerk erkennbar (Vereinbarung einer erbschaftsteuerlichen Rückfallklausel, Einräumung einer Sperrminorität) und komme zudem im Protokoll der Gesellschafterversammlung zum Ausdruck.
Gestützt werde dies ferner zum einen durch den Umstand, dass die Anteilsübertragungen vorliegend nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft wurden; zum anderen dadurch, dass der bei den Beschenkten vom Finanzamt angenommene Vorteil im Vergleich zu deren Bruttoarbeitslöhnen deutlich aus dem Rahmen falle. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, warum A und B ihre leitenden Angestellten trotz sehr unterschiedlicher Beschäftigungsdauer und unterschiedlicher Gehälter mit nämlichen Beteiligungen einheitlich „entlohnen“ sollten.
Einordnung:
Die Nachfolgeplanung im Unternehmen spielt in der Praxis eine große Rolle. Nach einer vom ifo-Institut durchgeführten Befragung steht bei 43 % der Familienunternehmen eine Unternehmens- oder Anteilsübertragung an. Insbesondere die Gestaltung einer familieninternen Nachfolge gestaltet sich jedoch schwierig. Der Fachkräftemangel ist dabei ein Faktor – unter vielen –, der die Nachfolge erschwert, vgl. Garnitz/von Maltzan/Müller, ifo Schnelldienst 12/2023, S. 46 ff.
Eine mögliche Lösung dieser Problematik kann sein, das Unternehmen (auch) in die Hände von qualifizierten Mitarbeitern zu legen, denen man vertraut, die den Betrieb kennen und diesem verbunden sind. Bei der verbilligten oder schenkweisen Überlassung der Gesellschaftsanteile an solche qualifizierten Mitarbeiter sollte auf eine genaue Dokumentation der Absichten und eine entsprechende Gestaltung des Vertragswerks geachtet werden, um Arbeitslohn nach § 19 EStG für die Mitarbeiter zu vermeiden. Der BFH liefert hier in der Entscheidung gute Anhaltspunkte für die Praxis, wann eine Veranlassung im Arbeitsverhältnis ausscheidet; wenngleich nicht alle vom BFH im vorliegenden Fall gewürdigten Aspekte für jede Unternehmensnachfolge passend sein dürften.
Um einem möglichem Streitfall im Nachgang der Übertragung der Beteiligung vorzubeugen, empfiehlt sich in komplexen Fällen eine Absicherung durch eine gebührenfreie Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG (Bindungswirkung nur für den Arbeitgeber bzgl. des Lohnsteuerabzugs) bzw. durch eine kostenpflichtige verbindliche Auskunft im Sinne von § 89 Abs. 2 AO (Bindungswirkung auch für den Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren).
