[1] Der Bundestag hat am 22.9.2022 das Achte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (BT-Drucks. 20/2247 v. 15.6.2022) aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/2590 v. 21.9.2022) angenommen und dem Bundesrat übermittelt, der es den Ausschüssen zugewiesen hat (BR-Drucks. 464/22 v. 23.9.2022). Das Gesetz sieht in Art. 2 umfangreiche Änderungen des Biersteuergesetzes, außerdem Änderungen des Tabaksteuergesetzes, des Schaumwein- und Zwischenerzeugnisgesetzes, des Kaffeesteuergesetzes und des Alkoholsteuergesetzes vor. Hervorgehoben sei, dass folgende Änderungen des UStG in Art. 12 des Gesetzes aufgenommen worden sind:
- Verlängerung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG für die Gastronomie um ein Jahr bis zum 31.12.2023;
- Absenkung des Umsatzsteuersatzes und pauschalen Vorsteuersatzes nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG von 9,5 % auf 9 % ab 1.1.2023. [kk]
[2] Nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG gehören Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden, zu den Kapitaleinkünften. Nach der gesetzlichen Regelung „mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien“. Der BFH hat entschieden, dass (abweichend vom sog. Abflussprinzip) die einkünftemindernde Verrechnung der Glattstellungsaufwendungen veranlagungszeitraumübergreifend
erfolgt. Nach dem Jahr der Vereinnahmung der Stillhalterprämien gezahlte Glattstellungsaufwendungen sind deshalb als rückwirkende Ereignisse iS von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen. Ergibt sich eine negative Differenz (also ein Verlust), ist diese abzugsfähig und unterliegt nicht dem Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG, BFH-Urt. VIII R 27/21 v. 2.8.2022. [kk]
[3] Ein Arbeitnehmer durfte seinen Dienstwagen für Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nutzen, musste dafür aber dem Arbeitgeber ein Entgelt zahlen (Pauschalentgelt und individueller Kostenersatz). Diese Zuzahlungen kompensierten die Sachbezüge, so dass diese nicht zu versteuern waren. Der BFH hat mit Urt. VI R 35/20 v. 4.8.2022 entschieden, dass ein Werbungskostenabzug für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nach § 8 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 2 EStG ausscheidet, auch wenn der Arbeitnehmer hierfür Nutzungsentgelte leisten muss oder individuelle Kfz.-Kosten zu tragen hat. [kk]
[4] Das Gebot der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 und 54 AEUV verlangt nicht die Berücksichtigung von final gewordenen Betriebsstättenverlusten, wenn die Betriebsstättenergebnisse nach dem DBA von der deutschen Besteuerung freigestellt sind (was nach der sog. Symmetriethese auch Verluste umfasst), Urt. des EuGH C-538/20 v. 22.9.2022 (W AG) auf Vorlage des BFH.
Anm.: Damit dürfte ein Schlussstrich unter die langjährige Diskussion über den Ausgleich sog. finaler Verluste in ausländischen Betriebsstätten gezogen sein. Im Vorlagefall hatte eine deutsche AG eine erfolglose Betriebsstätte in Großbritannien, die nur Verluste erzielt hat, geschlossen. Der EuGH hat keine Bedenken dagegen, dass der deutschen Gesellschaft die Verrechnung der Auslandsverluste in Deutschland versagt worden ist. [kk]
[5] Die Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer zur privaten Mitbenutzung ist als tauschähnlicher Umsatz umsatzsteuerbar, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist und tatsächlich in Anspruch genommen wird. Bemessungsgrundlage sind die beim Arbeitgeber entstehenden Kfz.-Kosten, und zwar auch solche, die keinen Vorsteuerabzug vermitteln. Die ertragsteuerrechtliche 1 %-Regelung kann, wenn der Stpfl. keine individuelle Kostenermittlung vorlegt und verlangt, zugrunde gelegt werden. Dies entschied der BFH mit Urt. V R 25/21 v. 30.6.2022.
Anm.: Der Streitfall war vom FG dem EuGH vorgelegt worden, dessen Entscheidung C-288/19 v. 20.1.2021 zT anders verstanden worden ist, ua. auch vom FG des Saarlandes im Streitfall, das der Klage stattgegeben hatte. Zu entscheiden war auch über den Leistungsort, der sich im Inland befand, weil es sich nicht um kurzfristige Überlassung der Fahrzeuge (30 Tage-Grenze) handelte. Im Streitfall hatte die Fahrzeuge eine AG luxemburgischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg und ohne feste Niederlassung im Inland an zwei im Inland wohnhafte Angestellte überlassen. Die Arbeitnehmer mussten Zuzahlungen leisten. [kk]
[6] Der Vorsteuerabzug darf nicht deshalb versagt werden, weil der Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass der Leistende nicht in der Lage sein wird, die USt. aus dem steuerpflichtigen Verkauf eines Grundstücks zu bezahlen, EuGH-Urt. C-227/21 v. 15.9.2022 (UAB „HA.EN“), entschieden zu einem litauischen Steuerfall. [kk]
[7] Wenn der Flankenprüfer klingelt: Die als angestellte Geschäftsführerin eines Restaurants und selbständige Unternehmensberaterin tätige Stpfl. machte für das Jahr 2015 erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend und reichte auf Anforderung des FA eine Grundrissskizze der Wohnung ein, in der der als Arbeitszimmer geltend gemachte Raum maschinenschriftlich mit „SCHLAFEN“ gekennzeichnet war, diese Bezeichnung aber handschriftlich mit „ARBEIT“ überschrieben wurde. Das FA veranlagte unter Vorbehalt der Nachprüfung. Der zuständige Sachbearbeiter vermisste jedoch die Existenz eines Schlafzimmers und veranlasste eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Steuerfahndungsbeamten als „Flankenprüfer“. Die Stpfl. ließ die Prüfung geschehen, legte gegen die unangekündigte Besichtigung danach jedoch Einspruch ein. Der Prüfer teilte dem FA mit, das Arbeitszimmer existiere, und es sei auch ein Schlafraum vorhanden, jedoch habe die Stpfl. ihm mitgeteilt, dass sie demnächst in eine gegenüberliegende Wohnung umziehe; es müsse sodann erneut eine Prüfung der Verhältnisse erfolgen. Der BFH entschied mit Urt. VIII R 8/19 v. 12.7.2022, die Prüfungshandlung sei wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot rechtswidrig gewesen; es habe wegen Wiederholungsgefahr ein Feststellungsinteresse bestanden. Als unverhältnismäßig betrachtete der BFH den unangekündigten Besuch des Fahndungsprüfers deshalb, weil es zunächst geboten gewesen sei, den Sachverhalt anderweitig aufzuklären (zB durch schriftliches Auskunftsersuchen oder angekündigten Besuch des Veranlagungssachbearbeiters). [kk]