[1] Grundsatzurt. des BFH: Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts iS des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein können, gehören virtuelle Währungen in Gestalt von Currency Token. Diese werden iS von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie im Tausch gegen EURO, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden. Sie werden iS des § 23 EStG veräußert, wenn sie in EURO oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in andere Currency Token umgetauscht werden. Dies entschied der BFH mit Urt. IX R 3/22 v. 14.2.2023, davon ausgehend, dass bei der Erfassung und Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Currency Token im Jahr 2017 kein normatives Vollzugsdefizit vorlag.
Anm.: Der Kläger hat aus der Veräußerung verschiedener Kryptowährungen (Bitcoin, Ether, Monero), die er angeschafft hatte, in den Jahren 2014 bis 2017 in Gestalt von zahlreichen Transaktionen erhebliche Veräußerungsgewinne erzielt. Er selbst hat keine Currency Token (mittels sog. Mining) kreiert. Wesentlich für die ausführlich begründete Entscheidung ist, dass Kryptowährungen als steuerliche Wirtschaftsgüter eingeordnet werden, weil sie übertragbar und wirtschaftlich verwertbar sind. [kk]
[2] Der BFH will die Gewinnschätzung durch äußeren Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der Amtlichen Richtsatzsammlung des BMF grundsätzlich auf den Prüfstand stellen. Dazu hat er mit Beschl. X R 19/21 v. 14.12.2022 im Fall der Gewinnschätzung bei einer Diskothek das BMF zum Verfahrensbeitritt aufgefordert.
Anm.: Die Schätzungsbefugnis ist im Streitfall grundsätzlich unbestritten. Der BFH äußert jedoch Zweifel daran, inwieweit die Richtsatzsammlung eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Schätzung bildet und wie sichergestellt werden kann, dass der Stpfl. das Zustandekommen der Richtsätze und deren Geeignetheit für seinen Betrieb nachprüfen kann. Der Streitfall befindet sich bereits im zweiten Rechtsgang. In der Urteilsbegründung (Rz. 28) hat der BFH darauf hingewiesen, er habe sich bislang in keiner Entscheidung näher damit auseinandergesetzt, auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze des BMF beruhen, wie sie zustande kommen und welche Auswirkungen sich hieraus auf die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Richtsatzsammlung ergeben. Als unklar bezeichnet der Senat „insbesondere“,
(a) welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornherein ausgeschlossen werden,
(b) ob die regional zT erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (insbes. Raum- und Personalkosten) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht,
(c) weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagssatz ausweisen, und
(d) ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe der Stpfl. gegen die auf eine Außenprüfung hin ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung finden. [kk]
[3] Mit den Steuerfolgen eines sog. Bondstripping im Streitjahr 2013 hat sich der BFH mit Urt. VIII R 15/19 v. 30.11.2022 auseinandergesetzt (Rechtslage bis zur Einführung des § 20 Abs. 2 Sätze 4 und 5, Abs. 4 Sätze 8 und 9 EStG durch das Investmentsteuerreformgesetz v. 19.7.2016 und des § 32d EStG in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung). Der Kläger hatte verzinsliche Bundesanleihen mit einer Laufzeit bis 2040 erworben und nach dem Erwerb veranlasst, die Anleihen in den Anleihenmantel und die Zinsscheine zu trennen. Am 7.5.2013 veräußerte der Kläger die Zinsscheine zu einem Kaufpreis von 624.833,91 € und am 13.5.2013 die Anleihenmäntel an eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war. Ziel der Gestaltung war, für den Gewinn aus dem Verkauf der Zinsscheine den Abgeltungsteuertarif nach § 32d EStG zu erhalten und aus dem Verkauf der Anleihenmäntel nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG einen ausgleichsfähigen Veräußerungsverlust zu generieren. Dies ist weitestgehend gelungen: Der BFH hat entschieden, dass sich die Einkünfteerzielungsabsicht aus dem Erwerb der Bundesanleihen nach dem Bondstripping für die Mäntel fortsetzt (obwohl der Verlust durch die Veräußerung der Anleihen nach der Trennung von den Zinsscheinen vorgegeben ist). Der Senat hat auch keinen Gestaltungsmissbrauch angenommen. Allerdings sind nach dem BFH-Urt. im Fall des Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Anleihen deren Anschaffungskosten nicht auf den durch die Trennung entstandenen Anleihenmantel und die Zinsscheine aufzuteilen. Es wird nicht die Vermögenssubstanz aufgespalten, sondern nur der künftige Zinsertrag abgespalten, der ohne Abspaltung fortlaufend zu versteuern wäre. [kk]
[4] Ein Gewerbetreibender, der einen „B-Park“ (offenbar Vergnügungspark) betrieb, warb über Werbedienstleister für sein Unternehmen auf Flächen an U-Bahnen, S-Bahnen, Straßenbahnen, Bahnhöfen, anderweitigem öffentlichem Raum, an Autobahnen und in Gaststätten. Die genutzten Flächen standen nicht im Eigentum der eingeschalteten Dienstleister. Das FA wollte die Aufwendungen für die Nutzung der Werbeflächen der Gewerbesteuerhinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG unterwerfen. Das FG Berlin-Brandenburg hat mit Urt. 5 K 5101/20 v. 23.8.2022, EFG 2023, 273 (Rev. unter Az. III R 36/22 anhängig), die Hinzurechnung abgelehnt, weil es in den fremden Werbeflächen kein fiktives Anlagevermögen gesehen hat. Durch eine Nichtnutzung der Werbeflächen sei die Tätigkeit der Stpfl. nicht maßgeblich beeinflusst worden. [kk]
[5] Ein Arbeitgeber schloss für seine ca. 300 Mitarbeiter einen Gruppenversicherungsvertrag, mit dem Zusatzleistungen zur Krankenversicherung versichert wurden. Der Vertrag wurde zunächst für Juni 2012 bis zum 31.12.2013 abgeschlossen und verlängerte sich stillschweigend jeweils um ein weiteres Jahr, wenn er nicht fristgerecht gekündigt würde. Versicherungsschutz erhielten die Personen, die zum versicherten Personenkreis gehörten. Die Beiträge wurden einmal jährlichgezahlt. Da der Versicherungsschutz fortlaufend erfolgte, ist das FG Baden-Württemberg mit Urt. 10 K 262/22 v. 21.10.2022, EFG 2023, 247 (rkr., obwohl Rev. zugelassen), von einem anteiligen monatlichen Arbeitslohnzufluss ausgegangen, was die Inanspruchnahme der Sachbezugsfreigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG ermöglichte. [kk]
[6] Die in § 7 Abs. 4 EStG festgelegten starren gesetzlichen Prozentsätze für Gebäudeabschreibungen können nach Satz 2 der Vorschrift durch Zugrundelegung der tatsächlichen Nutzungsdauer überschritten werden. Der BFH hatte – abweichend von der Verwaltungsauffassung – mit Urt. XI R 25/19 v. 28.7.2021, DStR 2022, 1097, entschieden, dass sich Stpfl., die sich auf § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG berufen, jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer wahrscheinlich erscheint; die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens sei nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer. Nachdem ein Vorstoß des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2022, die Gebäudeabschreibung nach einer kürzeren Nutzungsdauer steuerlich gänzlich zu verbieten, gescheitert ist (s. dazu Strahl, kösdi 2023, 23129, 23137), wendet die FinVerw. die Urteilsgrundsätze (tendenziell indes eher restriktiv) an. Aus dem BMF-Schr. v. 22.2.2023, DStR 2023, 406, ergibt sich ua.:
- (a) Wie der BFH, fordert die FinVerw. ein Bausubstanzgutachten iS des sog. ERAB-Verfahrens nicht mehr, hält dieses aber für „hilfreich“. Die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten soll nicht ausreichend sein. Erforderlich sei für den „Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer“ die Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten oder vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle entsprechen, die ausdrücklich den Zweck des Nachweises der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer hat.
- (b) Einflussfaktoren für die kürzere Nutzungsdauer können der technische Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, die die Nutzung begrenzen, sein. Technischer Verschleiß soll nur zählen, wenn die Nutzungsdauer der Tragstruktur des Bauwerks beeinträchtigt wird (der schlechte Zustand im Übrigen reicht nicht; Abbruchabsicht reicht nur, wenn der Abbruch unmittelbar bevorsteht).
- (c) Die Verwaltungsanweisung setzt sich mit den gesonderten kürzeren Abschreibungsmöglichkeiten für Gebäude und Gebäudeteile sowie Einbauten bei Betriebsgebäuden auseinander. Die Berufung auf die sog. amtlichen AfA-Tabellen wird anerkannt; kürzere Nutzungsdauern müssen substantiiert dargetan werden.
Anm.: In der Praxis wird man sich auf die Verwaltungsauffassung einstellen müssen. Im Einzelfall kann bei offenkundigen verringerten Nutzungsdauern nach dem Gesetzeswortlaut und dem Verständnis des BFH uE nicht stets ein Sachverständigengutachten iS der Verwaltungsanweisung gefordert werden. Das gilt naturgemäß erst recht, wenn eine kürzere wirtschaftliche oder rechtliche Nutzungsdauer geltend gemacht wird, weil diese nur bedingt oder gar nicht vom technischen Gebäudezustand abhängig ist. [kk]
[7] Erhält ein Stpfl. Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag nur dann, wenn ein Anspruch darauf nach einem Verzicht auf das Bauspardarlehen entsteht und die Bonuszinsen erst bei Auszahlung des Bausparguthabens fällig werden und über sie nur in Verbindung mit dem Bausparguthaben verfügt werden kann, fließen die Zinsen erst bei Auszahlung des Bausparguthabens nebst der Bonuszinsen zu. Das gilt auch dann, wenn die Bausparkasse die Zinsen fortlaufend auf einem Bonuskonto gutschreibt, Urt. des BFH VIII R 18/20 v. 15.11.2022.
Anm.: Im Streitfall musste der Kläger deshalb die angesammelten Bonuszinsen im Streitjahr 2013 versteuern, weil er sich das Bausparguthaben nebst angesammelter Zinsen auszahlen ließ. [kk]
[8] Die Aufwendungen für die Beendigung eines Wohnrechts mit dem Ziel, die betroffene Wohnung durch Vermietung zur Einkünfteerzielung zu verwenden, sind (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, BFH-Urt. IX R 9/21 v. 20.9.2022, BFH/NV 2023, 260.
Anm.: Der Kläger und seine Schwester hatten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das Erbbaurecht an einem Grundstück erworben, auf dem sich ein Wohngebäude befand, das eine dritte Person in Ausübung ihres Wohnrechts nutzte. Der Kläger erwarb entgeltlich den Erbteil der Schwester und vereinbarte mit der wohnberechtigten Person die Aufhebung des Wohnrechts und die Räumung der Wohnung, renovierte das Wohnhaus und vermietete es sodann. Die an den Wohnberechtigten gezahlte Abfindung sowie die übernommenen Nebenkosten hat der BFH als Werbungskosten anerkannt. [kk]
[9] Im Anschluss an das BFH-Urt. V R 37/21 (V R 16/19) v. 1.2.2022, BStBl. 2022 II, 860, zur Steuerentstehung und etwaigen Anwendbarkeit des § 17 UStG wegen erst späterer Vereinnahmung des Entgelts hat der BFH entschieden: Die USt. entsteht auch dann mit der Leistungsausführung, ohne dass es zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 UStG kommt, wenn der Unternehmer für die Errichtung einer Photovoltaikanlage mit dessen Betreiber vereinbart hat, dass das Entgelt hierfür nur insoweit geschuldet wird, als es durch Einnahmen aus der Stromeinspeisung beglichen werden kann, Beschl. des BFH XI R 28/20 v. 28.9.2022. [kk]