[1] Das BMF und das BMJ haben am 12.4.2023 den 142 Seiten umfassenden Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftssicherungsgesetz) veröffentlicht. Vorgesehen sind Änderungen zahlreicher Gesetze. Art. 16, 17 und 29 sehen auch steuerrechtliche Änderungen vor. Dabei handelt es sich um folgende:
- Die Steuerbefreiung für die Zuwendung von Vermögensbeteiligungen am Arbeitgeberunternehmen nach § 3 Nr. 39 EStG wird ab 1.1.2024 auf einen Höchstbetrag von 5.000 € (bisher 1.440 €) erhöht. Gleichzeitig wird die Steuerbefreiung eingeschränkt, weil sie zukünftig voraussetzt, dass die Zuwendung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden muss. Werden die steuerfrei erworbenen Anteile innerhalb von drei Jahren veräußert oder unentgeltlich übertragen, wird der geldwerte Vorteil nicht als Anschaffungsaufwand bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns nach §§ 17, 20 EStG angesetzt.
- Der Aufschub für die Besteuerung von Vermögensbeteiligungen nach § 19a EStG wird erweitert. Es wird klargestellt, dass darunter auch Anteilsübertragungen durch die Gesellschafter des Arbeitgebers oder Übertragungen verbundener Unternehmen im Konzern fallen. Der Schwellenwert für betroffene Unternehmen wird angehoben. Die aufgeschobene Besteuerung erfolgt künftig erst nach spätestens 20 Jahren (bisher nach 12 Jahren). Es wird die Möglichkeit einer Lohnsteuerpauschalierung mit 25 % eingeführt.
- Die Umsatzsteuerbefreiungen in § 4 Nr. 8 UStG werden auf die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber ausgedehnt.
- Durch Änderung von § 13 Abs. 1 Satz 1 des 5. VermBG wird die Einkommensgrenze bei der Arbeitnehmer-Sparzulage für die Anlage der vermögenswirksamen Leistungen und Vermögensbeteiligungen aufgehoben. Der Höchstbetrag für die geförderten vermögenswirksamen Leistungen wird durch Anhebung auf 1.200 € ab 2024 verdreifacht. [kk]
[2] Folgende anstelle des Einzelnachweises beanspruchbare Betriebsausgabenpauschalen sind ab VZ 2023 abweichend von H 18.2 „Betriebsausgabenpauschale“ EStH angehoben worden: (a) Für hauptberufliche selbständige schriftstellerische oder journalistische Tätigkeit auf 30 % der Betriebseinnahmen, höchstens 3.600 € jährlich, und (b) für wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Nebentätigkeit (auch Vortrags- oder nebenberufliche Lehr- und Prüfungstätigkeit), soweit es sich nicht um eine Tätigkeit iS des § 3 Nr. 26 EStG handelt, auf 25 % der Betriebseinnahmen, höchstens 900 € jährlich (für alle Nebentätigkeiten nur einmalig beanspruchbar), BMF-Schr. IV C 6 – S 2246/20/10002 :001 v. 6.4.2023. [kk]
[3] Ehegatten erwarben in Miteigentum ein eigengenutztes Einfamilienhaus; der Ehemann zog im Zuge der Ehescheidung aus, und das Haus wurde weiter von der bisherigen Ehefrau und dem gemeinsamen Kind bewohnt. Auf Druck der Ehefrau (sie drohte eine Zwangsversteigerung an) veräußerte der Ehemann im Rahmen einer Scheidungsfolgevereinbarung seinen Miteigentumsanteil an die bisherige Ehefrau. Der BFH entschied mit Urt. IX R 11/21 v. 14.2.2023, dies sei eine (willentliche) Veräußerung iS des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewesen. Der Ehemann habe seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken iS des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, auch wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind dort wohnten. [kk]
[4] Die Verwaltungsanweisungen zur ertragsteuerlichen Behandlung der Kindertagespflege nach § 22 SGB VIII sind mit Wirkung ab dem VZ 2023 durch BMF-Schr. IV C 6 – S 2246/19/10004 :004 v. 6.4.2023 neu gefasst und aktualisiert worden. Daraus ergibt sich ua.:
- (a) Bei der Betreuung im Haushalt der Kindertagespflegeperson, der Personensorgeberechtigten (zB Eltern) des Kindes oder in anderen geeigneten Räumen handelt es sich um eine selbständige erzieherische Tätigkeit iS von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Bei Betreuung in der Familie nach Weisung der Personensorgeberechtigten kann eine Arbeitnehmertätigkeit vorliegen.
- (b) Die laufenden Geldleistungen nach § 23 SGB VIII, die neben der Erstattung des Sachaufwands gezahlt werden, sind steuerpflichtige Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit, unabhängig von der Anzahl der betreuten Kinder und der Mittelherkunft (keine Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 11 und 26 EStG). Die vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe geleisteten Erstattungen der Beiträge zu einer Unfallversicherung, angemessene Alterssicherung und angemessene Krankenkassen- und Pflegeversicherung sind nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei.
- (c) Unter Rz. 7 sind beispielhaft die als Betriebsausgaben bei selbständiger Tätigkeit abziehbaren Aufwendungen aufgeführt. Wahlweise kann je Kind und Monat eine Pauschale von 400 € abgesetzt werden, die sämtliche Ausgaben abgilt und gekürzt wird, wenn die wöchentliche Betreuungszeit 40 Stunden unterschreitet. Zeitanteilig ist die Pauschale auch im Fall der tageweisen Belegung sog. Freihalteplätze zu berücksichtigen.
- (d) Im Übrigen sind für Freihalteplätze von den Einnahmen 50 € je Platz und Monat pauschal absetzbar.
- (e) Die Verwaltungsanweisung enthält ein Berechnungsbeispiel. [kk]
[5] Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG entfällt nach Abs. 3 der Vorschrift im Fall der „nur vorübergehenden Abwesenheit“. Diese Voraussetzung ist unabhängig von einer subjektiven „Rückkehrabsicht“ erfüllt, wenn der Stpfl. innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitraums von fünf Jahren nach dem Wegzug tatsächlich wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird, BFH-Urt. I R 55/19 v. 21.12.2022.
Anm.: Mit dieser Gesetzesauslegung hat der BFH über eine hoch umstrittene Frage entschieden. [kk]
[6] Der V. Senat des BFH hat – dem EuGH folgend – seine Rspr. zur umsatzsteuerlichen Organfähigkeit von Personengesellschaften mit Urt. V R 14/21 (V R 45/19) v. 16.3.2023 geändert: Eine Personenhandelsgesellschaft mit einer „kapitalistischen Struktur“ (hier: eine GmbH & Co. KG) kann Organgesellschaft sein, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind. Macht jedoch eine KG geltend, dass sie aufgrund geänderter Rspr. Organgesellschaft ist, setzt die Aufhebung ihr gegenüber ergangener Steuerfestsetzungen voraus, dass der Organträger zur Vermeidung eines widersprüchlichen Verhaltens (nach dem Grundsatz von Treu und Glauben) einen Antrag auf Änderung der für ihn vorliegenden Steuerfestsetzung stellt. Außerdem hat der BFH klargestellt, dass Organträger und Organgesellschaft nicht beanspruchen können, im selben Besteuerungszeitraum für den einen Unternehmensteil (zB Organgesellschaft) auf der Grundlage der bisherigen Rspr. und für den anderen Unternehmensteil (zB Organträger) nach der geänderten Rspr. besteuert zu werden.
Anm.: Mit der Entscheidung ist die bisherige Divergenz zwischen dem V. und XI. Senat des BFH beseitigt worden. Im Streitfall war an der Klägerin – einer GmbH & Co. KG – eine natürliche Person zu 80 % als Kommanditist beteiligt (sie war außerdem zu 80 % Gesellschafterin der Komplementär-GmbH und Geschäftsführerin). Gesellschafterbeschlüsse bei der KG konnten mit Stimmenmehrheit gefasst werden. Der beherrschende Gesellschafter vermietete an die KG wesentliche Betriebsgrundlagen. Mit dieser wirtschaftlichen Eingliederung waren alle Organschaftsmerkmale erfüllt, so dass die KG Organ des beherrschenden Gesellschafters war. Die Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung gegen die KG hat der BFH jedoch – eklatante Steuerlücken verhindernd – nach dem Grundsatz von Treu und Glauben davon abhängig gemacht, dass ein Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für den Rechtsträger erfolgt, der nach geänderter Rspr. nunmehr Organträger ist. Damit hat das FA die Möglichkeit, die Umsatzsteuerfestsetzung beim Organträger nach § 174 AO zu ändern. [kk]
[7] Abweichend von der Verwaltungsauffassung führt die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gem. § 4 Abs. 3a KWKG 2009 nicht zu einer Lieferung iS von § 3 Abs. 1 UStG (keine Fiktion der Hin- und Rücklieferung), BFH-Urt. XI R 18/21 v. 29.11.2022. [kk]
[8] Durch eine unsachgemäße Montage einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des eigenen Wohnhauses im Jahr 2009 war das Dach beschädigt worden, was erst nach Jahren erkennbar war und im Jahr 2019 zu einer größeren Dachreparatur führte. Die Photovoltaikanlage wurde unternehmerisch genutzt. Weil die Reparaturkosten ausschließlich durch die unternehmerische Nutzung des Daches durch die Photovoltaikanlage verursacht worden ist, ist der Vorsteuerabzug aus dem Leistungsbezug vollständig anzuerkennen. Eine weitere, auch eigenen Wohnzwecken dienende Nutzung des Hausdachs ist in diesem Fall irrelevant, BFH-Urt. XI R 16/21 v. 7.12.2022. [kk]