Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts – Möglichkeiten der politischen Betätigung von gemeinnützigen Körperschaften
Am 05.07.2023 hat die EU-Kommission ihren Bericht zur Rechtstaatlichkeit der Mitgliedstaaten veröffentlicht. In diesem Bericht werden Empfehlungen ausgesprochen, darunter auch auf Seite 27 die Umsetzung der im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung festgelegten Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht.
Hintergrund:
Bereits im Jahr 2017 hat der BFH die Grenzen zur politischen Betätigung von gemeinnützigen Körperschaften präzisiert, vgl. BFH-Urteil X R 13/15 v. 20.3.2017, BStBl. 2017 II, 1110. In diesem Urteil stellte der BFH fest, dass gemeinnützige Körperschaften durchaus die Möglichkeit haben, sich mit tagespolitischen Themen auseinanderzusetzen. Grundsätzlich stellt die politische Betätigung im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO eine Herausforderung dar. Eine „allgemeinpolitische Betätigung“, die notwendig ist, um die satzungsmäßigen Ziele zu erreichen, ist grundsätzlich akzeptabel. Des Weiteren müssen die von der Körperschaft vertretenen Ansichten im Einklang mit den satzungsmäßigen Zielen objektiv und sachlich begründet sein. Zudem muss politische Neutralität ohne parteipolitische Bindungen gewahrt werden.
Konkret bedeutet dies, dass es stets eine unmittelbare Verbindung zwischen der politischen Betätigung und dem satzungsmäßigen gemeinnützigen Zweck einer Körperschaft geben muss. Der politische Zweck darf jedoch nicht vorherrschend oder der Hauptzweck der Körperschaft werden, da dies die Gefahr eines Status als politischer Verein birgt.
Ein Verstoß gegen eine dieser Voraussetzungen kann dazu führen, dass die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Viele namhafte gemeinnützige Körperschaften sehen dies als Druckmittel, um sich von politischen Äußerungen fernzuhalten. Bereits prominente Beispiele, wie der Attac Trägerverein e. V. und Campact e. V., haben den Entzug ihrer Gemeinnützigkeit erlebt.
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung von 2021 auf Seite 93, haben sich die Regierungsparteien vorgenommen, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und der entstandenen Unsicherheit nach der Gemeinnützigkeitsrechtsprechung des Bundesfinanzhofes entgegenzuwirken. Bereits in dem Bericht zur Rechtsstaatlichkeit aus dem Jahr 2022 hatte die EU Kommission die Bundesregierung aufgefordert, den steuerlichen Status von gemeinnützigen Körperschaften zu präzisieren, um die Herausforderungen in der praktischen Umsetzung zu bewältigen.
Inhalte des Berichts zur Rechtstaatlichkeit der Mitgliedstaaten 2023 (S. 27):
Die EU-Kommission stellt nun in ihrem Bericht für 2023 fest, dass, trotz der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag und obwohl Ministerin Paus angekündigt hat, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren (Allianz für Rechtssicherheit, 29 September 2022), bislang keine konkreten Schritte unternommen worden sind. Die Änderung des AEAO zu § 52 im Januar 2022 (BMF, Schr. v. 12.1.2022, BStBl. 2022 I, S. 82) habe Verbesserungen für gemeinnützige Körperschaften, die gelegentlich politische Aktivitäten durchführen wollen, gebracht. Dennoch werde von gemeinnützigen Körperschaften kritisiert, dass bestimmte Begriffe in dem Anwendungserlass unklar seien und neue praktische Herausforderungen geschaffen worden seien. Eine repräsentative Umfrage zeige, dass 5 % der gemeinnützigen Körperschaften gerne stärker politisch aktiv wären, aber aus Angst vor dem Verlust ihres Gemeinnützigkeitsstatus darauf verzichten würden.
Daher fordert die EU Kommission die Regierung auf, die Umsetzung des Plans zur Anpassung des steuerlichen Status für gemeinnützige Körperschaften – unter Berücksichtigung der europäischen Standards – voranzutreiben, um die Herausforderungen anzugehen, die sich aus den derzeit geltenden Regeln für ihre praktische Arbeit ergeben.
Einordnung:
Die Kommission zeigt auf, dass es für gemeinnützige Körperschaften mehr Rechtssicherheit bedarf, um in einem geregelten Rahmen am politischen Diskurs mitzuwirken. Die Regierung ist zwar schon auf dem richtigen Weg, indem die Voraussetzungen für das politische Handeln im AEAO zu § 52 konkretisiert wurden. Dennoch haben die Regierungsparteien bisher noch nicht ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren, um der Unsicherheit nach der Gemeinnützigkeitsrechtsprechung des Bundesfinanzhofs entgegenzuwirken. Nach der Empfehlung der EU Kommission hat die Regierung bei ihrer Klausur in Meseberg im August 2023 beschlossen, diese Maßnahme im kommenden Jahressteuergesetz 2023 umzusetzen. Es ist nun an der Zeit, die Gelegenheit zu nutzen, um das Gemeinnützigkeitsrecht in die Gegenwart zu führen und an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Das Gesetzgebungsverfahren sollte beobachtet werden, um sich zeitnah auf Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts einzustellen.
Verfasst von:
Marc-Philipp Antoine
Rechtsanwalt