Leerstehende oder sich in der Bebauung befindende Grundstücke sind kein schädliches Verwaltungsvermögen
Das ErbStG regelt in den §§ 13a, 13b ErbStG die Steuerbefreiung von Betriebsvermögen. Von der Steuerbefreiung profitiert jedoch nur das sog. begünstigte Vermögen. Das sog. Verwaltungsvermögen ist grundsätzlich von der Begünstigung ausgenommen.
Zum Verwaltungsvermögen gehören nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG die Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke. Aufgrund der in der Regel hohen Grundstückswerte kann die Zuordnung eines Grundstücks zum Verwaltungsvermögen – statt zum begünstigten Vermögen – zu einer erheblichen Steuerbelastung führen. Im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“ bestehen viele offene Rechtsfragen, vgl. ausf. Albermann/Loose, ErbR 2023, 508. Umstritten ist bspw., ob bei zum Bewertungsstichtag ungenutzten Grundstücken schädliches Verwaltungsvermögen vorliegt, wenn eine spätere Nutzungsüberlassung beabsichtigt ist.
Das FG Münster hat sich in zwei Urteilen vom 14.11.2024 (Az.: 3 K 906/23 F und 3 K 908/23 F) zu dieser umstrittenen Frage geäußert und entschieden, dass am Bewertungsstichtag nicht vermietete Grundstücke, die sich noch im Zustand der Bebauung befinden, kein schädliches Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG darstellen. Auf die spätere Verwendungsabsicht zur Nutzung des Grundstücks als Mietwohnungen komme es nicht an.
Sachverhalt
Ein Vater übertrug im Jahr 2017 die Gesellschaftsanteile an der A GmbH & Co. KG an seine Söhne. Die A GmbH & Co. KG hatte zuvor zwei aneinander angrenzende unbebaute Grundstücke erworben. Die Nutzung der Objekte als vermietete Ferienhäuser begann frühestens Mitte 2020. Das beklagte Finanzamt ging im Anschluss an eine Betriebsprüfung davon aus, dass die Grundstücke als Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG einzustufen seien. Vor dem FG Münster verfolgten die Kläger ihr Begehren, eine Qualifikation der Grundstücke als Verwaltungsvermögen zu verhindern, weiter. Sie wendeten sich verfahrensrechtlich gegen den Feststellungsbescheid, in dem die Grundstücke nicht als begünstigtes Vermögen, sondern als Verwaltungsvermögen behandelt wurden.
Entscheidung des FG Münster
Das FG Münster gab dem Kläger recht. Es urteilte, dass der sich im Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG befindende Grundbesitz kein Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG sei, da der Grundbesitz am Bewertungsstichtag nicht an Dritte zur Nutzung überlassen worden war. Auf eine zum Stichtag beabsichtigte zukünftige Nutzungsüberlassung an Dritte komme es bei einer Auslegung der Norm ausgehend vom Wortlaut unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik und des Normzwecks nicht an. Der Wortlaut gehe eindeutig von einer tatsächlichen Nutzungsüberlassung im Zeitpunkt der Steuerentstehung aus. Der Gesetzgeber hätte – wie z.B. in § 13d Abs. 3 Nr. 1 ErbStG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a) ErbStG oder § 13b Abs. 5 ErbStG – explizit benennen müssen, wenn es auf nach dem Stichtag eintretende Ereignisse ankommen soll. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung zum Verwaltungsvermögen aus § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kein anderes Verständnis bzgl. des Tatbestandes „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“ als es sich nach dem Wortsinn und der Systematik ergibt. Eine analoge Anwendung der Norm auf den Streitfall scheide ebenfalls aus, da diese zulasten des Steuerpflichtigen wirken würde und deshalb unzulässig ist. Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO konnte das FG im Streitfall ebenfalls nicht erkennen.
Einordnung
Die stichtagsbezogene Auslegung des FG Münster nach den gängigen Methoden überzeugt. Obgleich die Qualifizierung als begünstigtes Vermögen oder Verwaltungsvermögen hierdurch im Einzelfall vom Zufall abhängen kann, ist nach dem systematischen Vergleich zu anderen Vorschriften im ErbStG, die in ihrem Wortlaut auf die Verwendungsabsicht abstellen, eine erweiternde Auslegung des Wortlauts des § 13b Abs. 4 Satz 1 ErbStG nicht geboten.
Für die Nachfolgeplanung ist die Entscheidung dabei von großer Bedeutung. Das maßgebliche Abstellen auf die Verhältnisse zum Stichtag ermöglicht es, die Grundstücksschenkungen zum Zeitpunkt des Leerstands der Immobilien umzusetzen, z.B. vor Abschluss eines Mietvertrags nach Erwerb des Grundstücks, nach Beendigung eines Mietvertrags oder – wie in den Streitfällen – vor Fertigstellung der im Bau befindlichen Mietwohnungen. Die Qualifikation der Grundstücke als schädliches Verwaltungsvermögen ließe sich durch entsprechende Gestaltungen vermeiden.
Zu beachten ist aber die Möglichkeit, dass die Gestaltungen als missbräuchlich i.S. des § 42 AO angesehen werden. In der Wahl eines Zeitpunktes der Übertragung, in dem die Immobilie leer steht, darf keine unangemessene Rechtsgestaltung liegen. Grundsätzlich ist das Bestreben, Steuern zu sparen bzw. den Tatbestand einer Steuerbefreiungsvorschrift zu verwirklichen, bei einer im Übrigen angemessenen rechtlichen Gestaltung jedoch kein Fall des § 42 AO. Die Wahl des Übertragungszeitpunkts steht in der freien Entscheidung von Schenker und Beschenktem. Ohne dies für die Streitfälle abschließend entscheiden zu müssen, weist der Senat darauf hin, dass eine gezielte temporäre Entmietung des Grundstücks einen Anwendungsfall des § 42 AO darstellen könnte, wenn diese umständlich und unwirtschaftlich für den Schenker ist. Um dem Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO entgegentreten zu können, empfiehlt sich daher eine ordnungsgemäße Dokumentation von möglichen außersteuerlichen Gründen des Leerstands.
Praxishinweis
Die vom FG Münster zugelassene Revision ist beim BFH unter den Az. II R 37/24 und II R 38/24 anhängig. Aus der „Parkhaus“-Entscheidung des BFH vom 28.2.2024 (Az.: II R 27/21) wird vereinzelt die Tendenz des II. Senats herausgelesen, dass – entgegen dem FG Münster – auf die Verwendungsabsicht abzustellen ist, vgl. ausf. dazu Stein/Dorn, ErbBstg 2025, 12. Auf das Risiko einer möglichen abweichenden Entscheidung des BFH gilt es die Mandantschaft somit in der Gestaltung der Nachfolgeplanung hinzuweisen. Die Möglichkeit, bis dahin im jeweiligen Einzelfall eine positive verbindliche Auskunft über ein geplantes Vorhaben zu erhalten, scheint angesichts der anhängigen Revisionsverfahren gering. Passende Gestaltungen sollten dennoch in Absprache mit dem Mandanten umgesetzt werden, wenn kein längerer Leerstand des Gebäudes – bis zur Revisionsentscheidung – gewünscht ist. Schließlich ist unbestritten, dass im Zeitpunkt der tatsächlichen Nutzungsüberlassung an Dritte in jedem Fall schädliches Verwaltungsvermögen vorliegt.
