[1] Der BFH hat sich im Urt. VIII R 10/19 v. 16.3.2023 ausführlich zum Vorliegen eines Steuerstundungsmodells iS von § 15b EStG bei einer Einzelinvestition auseinandergesetzt und ist im Streitfall zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der vom Stpfl. entfalteten Eigeninitiative bei der Konzeption und Durchführung der Gestaltung (ungeachtet der Einschaltung von Fachleuten) die Verlustausgleichsbeschränkung nicht zum Zuge kam. Das unter Einschaltung eines Rechtsanwalts und Steuerberaters entwickelte Gestaltungskonzept bestand darin, für das Streitjahr Verluste aus der Investition in fremdfinanzierte Anleihen zu generieren. Der BFH entschied, wenn ein Stpfl. negative Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die Beteiligung an einer Gesellschaft im Wege einer sog. Einzelinvestition erziele, erfordere das Ausnutzen einer iS von § 15b EStG modellhaften Gestaltung zur Verlustnutzung aufgrund eines vorgefertigten Konzepts, dass sich der Stpfl. bei der Entwicklung der Geschäftsidee, der Vertragsgestaltung und der Vertragsumsetzung wie ein passiver Kapitalanleger verhalte. [kk]
[2] Der BFH hat mit Urt. I R 44/22 (I R 49/19, I R 17/16) v. 12.4.2023 die geänderte Rspr. des EuGH und die dazu ergangene Folgerechtsprechung endgültig bestätigt. Danach können Verluste aus ausländischen Betriebsstätten in einem Staat, mit dem ein DBA besteht, das die Freistellung der Betriebsstättenergebnisse in Deutschland vorsieht, auch dann nicht die deutschen Einkünfte mindern, wenn mangels positiver Einkünfte im Betriebsstättenstaat dort eine Verlustverrechnung nicht möglich ist, die Auslandsverluste somit „final“ werden. Der BFH hat sich außerdem – es ging um eine Betriebsstätte in Italien, die nach unablässigen Verlusten in den Jahren 2004 bis 2008 geschlossen wurde – mit der Anwendung von Rückfallklauseln in DBA auf Verluste im Betriebsstättenstaat auseinandergesetzt. Die qualifizierte Rückfallklausel des Abschn. 16 Buchst. d des Protokolls zum DBA-Italien 1989, nach der die Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person (nur dann) als aus dem anderen Vertragsstaat stammend gelten, wenn sie im anderen Vertragsstaat in Übereinstimmung mit dem Abkommen effektiv besteuert worden sind, ist auch auf negative Einkünfte anzuwenden. In diesem Fall ist von einer effektiven Besteuerung durch den anderen Staat jedenfalls dann auszugehen, wenn der andere Staat die Verluste in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezieht und einen Ausgleich mit etwaigen positiven Einkünften ermöglicht. Nicht erforderlich ist, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich zu einem solchen Ausgleich kommt. [kk]
[3] Nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG sind bei einer gewerblichen Grundstücksverwaltungs-Mitunternehmerschaft von der erweiterten Gewerbesteuerkürzung Vergütungen iS des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ausgenommen, die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder die Überlassung von Wirtschaftsgütern erhalten. Entgegen der hA im Fachschrifttum ist die Einschränkung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung auch anwendbar, soweit die Bezieher der Sondervergütung nicht der GewSt. unterliegen, Urt. des BFH IV R 11/20 v. 9.3.2023. Der BFH hat sich gegen eine teleologische Reduktion der klar formulierten gesetzlichen Regelung ausgesprochen, obwohl diese über den Zweck, Missbräuche zu bekämpfen, hinausschießt.
Anm.: Die Sache wurde, obwohl der BFH die Entscheidung des FG bestätigt hat, zurückverwiesen, weil eine Haftungsvergütung an die Komplementär-GmbH, die grundsätzlich ebenfalls zu den nicht begünstigten Sonderbetriebseinnahmen gehört, möglicherweise durch eine Übergangsregelung in § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG idF des JStG 2009 vom Ausschluss der erweiterten Gewerbesteuerkürzung ausgenommen ist. [kk]
[4] Gegenstand einer GmbH, die zu einer auf dem gewerblichen Immobiliensektor tätigen Unternehmensgruppe gehörte, war die Vermietung eigenen Grundbesitzes. Sie veräußerte 13 vermietete Immobilien fünf Jahre und fünf bis sieben Monate nach dem Erwerb im Wesentlichen an einen Käufer. Die Objekte waren langfristig finanziert. Die Verkäufe erfolgten, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer überraschend im Alter von 55 Jahren verstarb und die Rechtsnachfolger sich nicht in der Lage sahen, die Tätigkeit fortzuführen und die Risiken aus der Fremdfinanzierung in Gestalt von Sicherheitsleistungen zu übernehmen. In den Verkäufen erblickte das FG Münster mit Urt. 13 K 3367/20 G v. 26.4.2023, LEXinform Dok. 5025413 (Rev. unter Az. III R 14/23 anhängig), keinen gewerblichen Grundstückshandel, welcher der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegensteht. Dabei ist das FG davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung wegen des körperschaftsteuerlichen Trennungsprinzips die Tätigkeiten der anderen gruppenzugehörigen Gesellschaften im Bereich des gewerblichen Immobilienhandels der Klägerin nicht zugerechnet werden können. [kk]
[5] Der BFH hatte schon mehrfach entschieden, dass die Teilnahme an Turnierpoker und Casino-Poker gewerbliche Tätigkeiten sein können. Im Urt. X R 8/21 v. 22.2.2023 hat der BFH entschieden, dass auch Gewinne aus dem Online-Pokerspiel (hier: in der Variante „Texas Hold’em“) Einkünfte aus Gewerbebetrieb hervorbringen können, wenn die Aktivitäten nachhaltig und intensiv betrieben werden. Im Urteilsfall hat der BFH bei dem Kläger, einem Studenten, der sich aus seinem „Kinderzimmer“ im Hause der Eltern über die Jahre zunehmend intensiv über Online-Portale an Pokerspielen beteiligte und zunehmend beachtlich hohe Gewinne erzielte, eine gewerbliche Tätigkeit angenommen.
Anm.: Der BFH setzt sich intensiv mit der Verwirklichung der Gewerbemerkmale durch nachhaltige Teilnahme an Pokerspielen über dazu bereitstehende Online-Plattformen auseinander. [kk]
[6] Aufwendungen für eine Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems sind jedenfalls ab dem Jahr 2016 als Krankheitskosten außergewöhnliche Belastungen iS von § 33 Abs. 1 EStG, wenn die Notwendigkeit der Behandlung fachärztlich zur Heilung bzw. Linderung beachtlicher Gesundheitsbeeinträchtigungen für notwendig erachtet worden ist, BFH-Urt. VI R 39/20 v. 23.3.2023. Nach dem Stand der Wissenschaft ist die Liposuktion als Behandlungsmethode grundsätzlich anerkannt. Es bedarf für die steuerliche Abzugsfähigkeit deshalb nicht mehr der vorherigen amtsärztlichen Begutachtung oder Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung iS von § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV. [kk]
[7] War ein Fitness-Studio während der Corona-Pandemie geschlossen, ist die reine Fortzahlung der Mitgliederbeiträge kein umsatzsteuerbares Leistungsentgelt. Das gilt auch, wenn Ersatzleistungen wie Online-Kurse, eine Telefonhotline oder ein Körper-Scan angeboten werden, Urt. des FG Hamburg 6 K 239/21 v. 16.2.2023, EFG 2023, 867 (Rev. unter Az. XI R 5/23 anhängig), das allerdings steuerbare Anzahlungen annimmt, soweit die Schließung im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht absehbar war. Das Schleswig-Holsteinische FG hatte entschieden, dass die Beitragsfortzahlungen stets umsatzsteuerbar seien, s. dazu kösdi 2023, 23174, Report Nr. 177. [kk]